Stuttgart-Boss Edwin Weindorfer:"Wir liegen mit vielen 500ern auf Augenhöhe"

Stuttgart-Turnierchef Edwin Weindorfer hat mit dem WTA-Tour-500-Turnier in Berlin in dieser und den Mallorca Championships kommende Woche nach wie vor viel zu tun. Für ein Interview mit tennisnet.com hat sich der Steirer aber ein paar Minuten Zeit genommen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 20.06.2023, 15:17 Uhr

Das Siegerbild der BOSS Open 2023: Frances Tiafoe und Jan-Lennard Struff
© Getty Images
Das Siegerbild der BOSS Open 2023: Frances Tiafoe und Jan-Lennard Struff

tennisnet: Herr Weindorfer. Die BOSS OPEN sind mit einem grandiosen Finale zwischen Jan-Lennard Struff und Frances Tiafoe zu Ende gegangen. Haben Sie die Anlage bim TC Weissenhof mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen?

Edwin Weindorfer: Ja, absolut. Wir waren die letzten drei Tage komplett ausverkauft. Und mit Frances Tiafoe hat ein richtig, pardon, geiler Spieler gewonnen. Wir können uns ja alle noch daran erinnern, als er 2021 in Wien gegen Sascha Zverev in der Stadthalle im Finale war. Da hat die ganze Halle gebebt. Ich habe mit Frances am Abend in der Hotelbar noch ein Bier getrunken.  Er war so happy - und hat gemeint: „Mein Traum war es, einmal ein Top-Ten-Spieler zu werden. Und ich habe es hier geschafft.“

tennisnet: Nun macht man sich als Veranstalter eines Rasenturniers im Juni in Deutschland wohl in erster Linie Sorgen um das Wetter. Das war die Woche über in Stuttgart perfekt. Was hat Ihnen stattdessen Sorgen bereitet?

Weindorfer: Wir hatten tatsächlich erstmalig keinen einzigen Tropfen Regen. So können wir den Rasen kontrollieren und nur so viel Wasser zugeben, wie wirklich gebraucht wird. Nein, Sorgen haben mir die frühen Abgänge unserer Topstars gemacht: am ersten Tag verlierst Du Matteo Berrettini, am zweiten Nick Kyrgios, und dann fallen auch noch Stefanos Tsitsipas und Taylor Fritz aus. Ich war am Mittwoch und Donnerstag nicht happy. Und dann startet aber der Jan-Lennard so richtig durch, dazu dann auch der Frances, den ich immer auf dem Schirm gehabt habe. Und auf einmal passt wieder alles. Mit einem super Finale bei grandioser Stimmung. Dennoch: Es sind mir zu viele Topstars zu früh rausgefallen.

"Die Boni haben Struff und Tiafoe mit nach Hause genommen"

tennisnet: Ein Risiko, das man als Veranstalter eingehen muss?

Weindorfer: Es ist ja kein Geheimnis: Stefanos Tsitsipas, Taylor Fritz, Frances Tiafoe, Matteo Berrettini und Nick Kyrgios waren alle dank einer ordentlichen Vereinbarung mit dabei. Im Endeffekt habe ich bei den meisten Spielern aber auch eine gewissen Bonusregelung gehabt. Und die Boni haben nun eben Jan-Lennard Struff und Frances Tiafoe mit nach Hause genommen.

tennisnet: Bei einem anderen deutschen 250er, München nämlich, gibt es das Anliegen, in eine höhere Kategorie zu wechseln. Also ein ATP-Tour-500-Turnier zu werden. Wäre das auch ein Weg für die BOSS Open?

Weindorfer: Wenn man sich unsere Starterfelder bzw. die Siegerliste ansieht und mit den meisten 500er-Turniere vergleicht, dann liegen wir mit vielen 500ern auf Augenhöhe. Roger Federer hat bei uns gewonnen, Rafael Nadal gleich dreimal - davon einmal auf Rasen - dann Dominic Thiem. Schon zweimal Matteo Berrettini. In diesem Jahr hatten wir sieben Top-20-Spieler am Start. Unser Turnier findet in einer Woche statt, in der die Spieler hungrig auf Rasen sind. Die meisten kommen aus Paris und müssen sich auf Gras vorbereiten. Für uns ist es egal, ob wir ein 250er oder ein 500er sind. Wir sind die BOSS Open. Aber, und jetzt komme ich zu München: In der sehr lang andauernden Sandplatzsaison gibt es zwischen den 500ern und 250ern schon gewaltige Unterschiede hinsichtlich der Starterlisten.

"Novak Djokovic ist ganz oben auf unserer Wunschliste"

tennisnet: Ein großer Wunsch, so hat man das auf der Abschluss-Pressekonferenz gehört, wäre ein Antritt von Novak Djokovic in Stuttgart. Arbeiten Sie da schon daran?

Weindorfer: Es ist so: Wir haben alle Wimbledon-Sieger der letzten Jahre bei uns gehabt: Andy Murray hat in Stuttgart gespielt, Roger Federer und Rafael Nadal auch. Der einzige, den wir auf Rasen in Stuttgart noch nicht gehabt haben, ist Novak Djokovic. Deshalb steht er für 2024 auch ganz oben auf unserer Wunschliste. Es ist allerdings nicht leicht, wenn er in Paris immer ins Finale kommt. Da geht er dann meistens eine Woche in den Urlaub. Aber wir werden um ihn kämpfen.

tennisnet: Ganz fremd ist Djokovic Ihnen ja nicht …

Weindorfer: Novak Djokovic war ja schon einmal bei den Mallorca Open am Start, wenn auch nur im Doppel. Wir haben ihm ein tolles Package geboten, mit allem Drumherum. Novak ist nach Mallorca gekommen, weil er die Insel und die Rasenplätze in Santa Ponsa genossen hat. Nicht wegen eines Startgelds.

tennisnet: In diesem Jahr wurden die ATP-Masters-1000-Turniere in Madrid und Rom erstmals über ganze zwei Wochen ausgetragen. Ist diese Strategie aus Ihrer Sicht aufgegangen?

Weindorfer: Ich habe mit vielen Spielern gesprochen - und die meisten sind absolut enttäuscht. Denn wenn man in der ersten Runde verliert, hängt man zehn Tage herum und hat nichts zu tun. Und 50 Prozent der Spieler verlieren nun einmal in der ersten Runde eines Tennisturniers. Dazu hat diese Verlängerung zu einer Schwächung der 250er- und 500er-Turniere geführt. Wir waren von Anfang an gegen diese Änderung. Das sieht Andrea Gaudenzi, der Chef der ATP, anders. Andrea glaubt, dass die Masters-1000-Turniere dem Tennissport mehr bringen als die 250er oder 500er. Ich bin anderer Meinung. Aber es war eine Entscheidung des Boards. Und mit der müssen wir nun leben.

von Jens Huiber

Dienstag
20.06.2023, 08:03 Uhr
zuletzt bearbeitet: 20.06.2023, 15:17 Uhr