Generation Playstation

Zocken, daddeln, gamen: Wir stellen legendäre Tennisspiele aus der virtuellen Welt vor und zeigen euch Rafael Nadal und Co. im Spielfieber.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 18.12.2015, 10:42 Uhr

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Von Björn Walter

Welcher Tennisfan hat nicht schon mal davon geträumt - einmal gegenRoger Federeroder Rafael Nadal antreten und gewinnen. In der Realität bleibt es für die meisten von uns wohl nur ein Traum. Auf der Playstation können wir die Giganten aber vom Platz fegen. Heutzutage gibt es kaum noch ein Kind, das sich der Faszination von Videospielen entziehen kann. Auch ältere Semester zocken sich regelmäßig die Finger wund. Die Tennisprofis bilden dabei keine Ausnahme.Andy Murray machte 2010 Schlagzeilen, als er sich beim Spielen an der Playstation verletzte.Schuld war ein verlorenes „Pro-Evolution-Match“ gegen seinen ehemaligen BetreuerDani Vallverdu. Dabei überdehnte sich der Schotte die Sehne an der Hand. Ein Jahr früher lösteMurrays„Daddelei“ eine Beziehungskrise mit seiner heutigen Frau Kim Sears aus. „Er zockt sieben Stunden pro Tag an seiner Videokonsole“, wird dessen ehemaliger TrainerBrad Gilbertin der Zeitung „The Sun“ zitiert. Auch Rafael Nadal ist als leidenschaftlicher „Zocker“ bekannt. Während des Turniers von Monte Carlo 2011 bewies er seine Fingerfertigkeiten bei einer Partie „FIFA 11“: Gemeinsam mit Freund und KollegeJuan Monacoduellierte er sich mitDavid Ferrerund dessen Physiotherapeuten. Seht im Video, wie Rafael Nadal sein Traumtor bejubelt.

Der Mallorquiner erzählte in einem Online-Interview mit „dailymail.co.uk“, dass er lieber Fußball als Tennis auf der Konsole spielt und sich dabei gut entspannen kann: „Nach Turnieren relaxe ich mit Spielen wie „Pro Evolution Soccer“ oder „FIFA“. Oft fordere ich andere Tennisspieler heraus, gegen mich anzutreten.“ Die Spielergeneration vonJimmy ConnorsoderRod Laverwird wohl an andere Videospiele aus ihrer Jugend zurückdenken, sollten sie damit in Berührung gekommen sein.

„Tennis for Two“ und „Pong“ – legendäre Prototypen

Lange bevor Rafael Nadal geboren wurde, gingen zwei Tennis-Games in die Videospiel-Geschichte ein. Die Sportart stand Pate für das erste Computerspiel, das nur so zum Spaß programmiert wurde: 1958 schrieb der amerikanische Physiker William Higinbotham „Tennis for Two“. 1972 gelang der Firma Atari mit „Pong“ das erste kommerziell erfolgreiche Videospiel. Das simple Tennisspiel besteht nur aus zwei Schlägern und einem kleinen, quadratischen Ball. Hoch- und runtersteuerbare Leisten schubsen einen Pixelball hin und her.

Diese „Dinosaurier-Spiele“ haben heute Kultcharakter. Die Optik hat sich aber mittlerweile massiv der Realität angenähert. Für mich begann die Faszination Tennis-Games in den 1990er-Jahren mit dem Nintendo-Titel: „Top-Ranking-Tennis“ für den Game Boy. Seitdem habe ich einige Tennisspiele ausprobiert und bin auch heute noch davon begeistert. Seht selbst, welche Erfahrungen ich mit den Games gemacht habe und wie sich das Genre in den letzten drei Jahrzehnten weiterentwickelt hat:

Top-Ranking-Tennis, Game Boy (1993):In Klammern jeweils die Erstveröffentlichung in Europa.

Heute lache ich über die simple Pixelgrafik und Steuerung. Vor 20 Jahren zog mich dieses Spiel aber komplett in seinen Bann. Es war schließlich meine erste Erfahrung mit der virtuellen Tenniswelt. Für ein Game-Boy-Spiel war es durchaus vielfältig aufgebaut. Ich trat im Einzel- und Doppelmodus, auf allen gängigen Belägen, gegen den Computer an und spielte mich im Karrieremodus auf Platz eins der Weltrangliste. Meine Gegner hatten zwar Fantasienamen, wurden aber bereits in realistische Spielertypen unterteilt. So bekam ich es mit kaum bezwingbaren Defensivmonstern, wie mit gnadenlosen Aufschlagmaschinen zu tun. Das Spielfieber machte auch vor der Schule nicht halt und trieb mich zu zweifelhaften Taten. Als der Unterricht nicht sehr spannend war, spielte ich einmal mit meinem Kumpel heimlich unter der Bank. Wir hatten unsere Game Boys mit einem Kabel verbunden und jeweils das gleiche Spiel eingelegt. Als ich über einen gewonnen Punkt zu laut jubelte, war der Spaß vorbei. Mein damaliger Lehrer war wohl kein „Top-Ranking“-Liebhaber.

Virtua Tennis 2, PS 2 (2002)

Dieses Videospiel erinnert schon deutlich mehr an die Gegenwart. Farbenfrohe Grafik und rasantes Tempo erzeugten einen hohen Spaßfaktor. Realismus stand nicht im Vordergrund, was man im nachfolgenden Video an den zahlreichen Hechtsprüngen der Spieler sieht. Virtua Tennis 2 wurde also als typisches Arcade-Game konzipiert. Am besten fand ich, dass ich nun mit Profi-Charakteren spielen konnte. Die Duelle hießenPatrick RaftergegenCarlos MoyaoderMonica SelesgegenMary Pierce. Im World-Tour-Modus zockte ich mich an die Spitze des Rankings. Nun trat ich auf Courts an, die den Originalarenen verblüffend ähnlich waren. Zudem konnte ich meinen Spieler mit lustigen Trainingsformen verbessern. Virtua Tennis 2 war das schnellste Tennis-Game, das ich je gespielt habe. Die Akteure flitzten wie Außerirdische über den Platz. Mit der echten Tenniswelt hatte das nur wenig zu tun.

Smash Court Tennis 2, PS 2 (2004)

Wieder konnte ich mitTommy HaasgegenTim Henmanantreten – beide Charaktere waren auch in Virtua Tennis 2 spielbar. Doch ansonsten gab es große Unterschiede. Deutlich realistischer ist mir Smash Court Tennis 2 in Erinnerung. Die Charaktere hetzten nicht mehr wie Derwische von links nach rechts. Jetzt war es wichtig, den Ball im richtigen Moment zu treffen. Präzision und Timing mussten stimmen. Bei Virtua Tennis 2 ging es noch mehr darum, durch langes Drücken der Tasten, kraftvolle Schläge zu erzeugen. „Smash Court“ war also schon fast eine Tennissimulation. Im Vergleich zu heutigen Games, wirkte die Steuerung aber noch zu eindimensional. An einen detaillierten Karrieremodus war ich mittlerweile ohnehin schon gewöhnt. Die reale Tour konnte in diesem Spiel gut nachempfunden werden.

Top Spin 4, PS 3 (2011)

Willkommen in der aktuellen Spielegeneration: Top Spin 4 gilt als das beste Tennis-Game, das jemals für die Konsole entwickelt wurde. Dem kann ich zustimmen. Nie zuvor habe ich ein ausgefeilteres Tennisspiel in den Händen gehalten. Die Steuerung verbindet alle Elemente, die ich euch bei den vorherigen Titeln vorgestellt habe. Dass es noch realistischer geht, ahnte ich hier noch nicht. Neu für mich war auch der Online-Modus. Menschliche Gegner sind in der Regel viel stärker als der Computer. Denn selbst im schwierigsten Level sind die Handlungen des Computers vorhersehbar. Die Kreativität und Individualität eines Menschen können bis heute nicht programmiert werden. Viele Fans der Serie warten sehnsüchtig auf einen Nachfolger von Top Spin 4. Doch der Entwickler, 2K Sports, verkaufte nicht genug Exemplare. Letztendlich ist die Zielgruppe wohl zu klein für ein aufwendig produziertes Videospiel dieser Art. Auch deshalb gibt es für die Playstation 4 noch immer kein Tennisspiel.

Tennis Elbow 2013, PC

Wie so oft im Leben ist der letzte Eindruck der beste. Genauso verhält es sich bei meiner Zeitreise durch die Computerspiele-Welt. Tennis Elbow 2013 ist aktuell die Tennissimulation schlechthin. Das Spiel ist unglaublich anspruchsvoll und verlangt jahrelange Praxis, um es zu meistern. Der größte Unterschied zu den anderen Games ist die Steuerung. Ähnlich wie in der Realität geht es in erster Linie um die richtige Stellung zum Ball und die perfekte Positionierung vor jedem Schlag. Wichtig ist also, was zwischen den Schlägen passiert. Realität und Virtualität verschwimmen hier wie nie zuvor. Die Alter-Egos der Profis sind mit nahezu identischen Bewegungsabläufen und Verhaltensweisen nachempfunden. Grafisch kann das Spiel nicht mit Top Spin 4 mithalten. Grund: Der französische Independent-Entwickler hat kein finanzkräftiges Produktionsunternehmen im Rücken. Die Königsdisziplin ist der von den Gamern aufgebaute Online-Modus. Analog zur ATP-Tour messen sich die Spieler bei Challengern, 250er-Turnieren oder in wenigen Wochen auch bei den Australian Open. Der Turnierkalender und das Weltranglisten-System funktionieren wie in der Realität. Im folgenden Video seht ihr unter anderem den besten Tennis-Elbow-Spieler aller Zeiten. Er nennt sich Richie1308 und dominiert die Szene in der Manier vonNovak Djokovic. Ich stehe in dieser Rangliste mittlerweile unter den Top 100, bin aber noch nicht sehr lange dabei. Die Spitzenposition bleibt aber wohl nur ein Traum: Dafür fehlt es mir an Zeit und Klasse.

Wer weiß, was in Zukunft noch für Tennis-Games auf uns warten. Von „Tennis for Two“ (1958) bis heute hat sich viel getan, doch ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Vermutlich werden die „Zocker“ in 50 Jahren nur noch darüber schmunzeln, was wir momentan als große Kunst betrachten. Eines wird sich jedoch nie ändern. Auch zukünftig wollen wir die Elemente aus der Realität in die virtuelle Welt übertragen. Das Gefühl des Sieges bleibt aber genauso süß, am liebsten gegen den besten Spieler der Welt.

von tennisnet.com

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18.12.2015, 10:42 Uhr