Serena gegen Venus Williams – Die vergessene Schwester als Spielverderberin?

Zerstört ausgerechnet die ältere, vergessene Schwester Venus die Kalender-Grand-Slam-Mission von Serena Williams?

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 07.09.2015, 09:30 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus New York

Als die „New York Times“ am Sonntag vor den US Open eine Sonderbeilage veröffentlichte, da beschäftigten sich fünf der acht Seiten mit dem Grand-Slam-Traum von Serena Williams. Und wer sich an jenem Wochenende durch Fernsehkanäle zappte, in Sportradios umhörte und andere Blätter studierte, hatte den Eindruck, im Billie Jean King National Tennis Center fänden die „Serena Open“ statt – mit Garnierung von 127 anderen Damen- und 128 Herrenspielern.Djokovic,Federer,Nadal: alle nur Randfiguren im medialen Spiel. Aber auch eine Spielerin, die einmal die Tenniswelt machtvoll beherrscht und früh in ihrer Karriere zweimal die Offenen Amerikanischen Meisterschaften gewonnen hatte, wurde mit Nichtbeachtung gestraft, eine Spielerin, die auch den Namen Williams trägt – Venus Ebony Starr Williams. „Big Sister“ Venus, die vergessene, übersehene Schwester. Nun aber auch die Schwester, die eben jene historische Mission gefährden könnte – im 27. Sister Act, Dienstagnacht unter den Flutlichtstrahlern des Ashe-Stadions. „Du willst niemals die Spielverderberin sein“, sagt Venus, „aber ich will jedes Tennisspiel gewinnen, auch dieses.“

Serena: „Sie ist die beste Spielerin hier im Turnier“

Die Geschichte der beiden „Cinderellas aus dem Ghetto“ ist die wahrscheinlich größte Geschichte, die das Tennis je produziert hat: Der Aufstieg zweier Schwestern an die Spitze dieses Weltsports, unter der Regie von Vater Richard, eines Autodidakten, der einst als Parkplatzverwalter und Nachtwächter arbeitete. Und genau so beispiellos ist nun auch die Situation, in der sich die beiden Schwestern befinden: Serena vor dem größten Triumph und Coup ihrer strahlenden Karriere, dem Gewinn aller vier Slams in einem Kalenderjahr, auf den Spuren von Steffi Graf, die das Kunststück 1988 als bisher einzige im modernen Tennis schaffte. Und Venus als Viertelfinal-Gegnerin von Serena, als eine der potenziell letzten Hürden auf dem langen Weg, in Match 26 der Mission mit erwünschten 28 Siegen. „Man muss es immer wieder sagen: Es ist unglaublich, was sich da mit den Williamses vor unseren Augen abspielt“, sagt die große, alte DameMartina Navratilova, „die beiden haben das Gesicht des Sports verändert und anderthalb Jahrzehnte geprägt.“

Schon einmal begegneten sich Big und Little Sister in diesem außergewöhnlichen Grand-Slam-Jahr, auf den manikürten Grüns von Wimbledon:Serena gewann das Achtelfinal-Duell,stürmte anschließend auch zum 21. „Major“-Titel. Und wie immer, wenn sich das Duo gegenüberstand, schwirrten im Hintergrund die Spekulationen und Gerüchte umher, die Fragen nach der Glaubwürdigkeit des Spiels. Gab und gibt es eine Familienregie, steuert Daddy Richard die Dinge? Lässt er, wie vor allem zu Beginn der großen Williams-Saga gern kolportiert, eine seiner Töchter an jenem Tag gewinnen – und die andere an einem anderen Tag? „Der Blödsinn wird nicht besser dadurch, dass er wiederholt wird“, sagt Venus Williams, „wir gehen auf den Platz, wollen beide gewinnen. Und hinterher sind wir, ganz egal, wie es ausgeht, die besten Freundinnen. Und Schwestern, die nichts trennen kann.“ Dass sie ihre Schwester schlagen kann, hat Venus, die Ältere, auch in späten Karrierejahren noch bewiesen, zuletzt 2014 in Montreal. „Was Venus leistet, bei allem, was sie durchgemacht hat, ist größer als meine Siege. Sie verdient den größten Respekt von allen“, sagt Serena, „ich bewundere sie jeden Tag. Sie ist die beste Spielerin hier im Turnier.“

„Würde ich nicht überleben“: „Sister Act“ ohne die Mama

Und tatsächlich: Als die frühere Weltranglisten-Erste vor ziemlich genau vier Jahren hier in New York bekanntgab, dass sie an einer unheilbaren Autoimmun-Krankheit leidet – dem Sjögren-Syndrom –, da schien ihre Karriere unweigerlich dem Ende zuzustreben. Doch 2015 ist sie immer noch und wieder da, trotz aller alltäglichen Kämpfe gegen die Krankheit, trotz Schwächeanfällen und Zwangspausen. „Venus ist eine Fighterin wie keine zweite“, sagt Amerikas frühere TennisgrößeChris Evert, „sie ist ein Vorbild für jeden jungen Sportler.“ Die Ausdauer der Unermüdlichen ist – vor dem Hintergrund ihrer Krankengeschichte – schlichtweg unglaublich: In New York nimmt sie an ihrem 68. Grand Slam-Turnier teil (Rekord: 71,Amy Frazier), und mit ihren 35 Jahren ist sie mittlerweile die älteste Starterin im Hauptfeld. 18 Jahre nach ihrem ersten Grand-Slam-Finale, hier in New York mit 17 Jahren, ist sie weiter im großen Spiel. Und unter den besten Acht. „Phänomenal“ findet das die frühere KolleginLindsay Davenport: „Ich könnte gar keinen größeren Respekt haben vor ihr.“

Und nun vielleicht das letzte Mal ein Sister Act in New York, beim US-Open-Heimspiel. Ein Auftritt, der historisch sein könnte, wenn Venus, die Nummer 23 der Rangliste, tatsächlich den Grand-Slam-Traum der Schwester zerstört, gegen alle Erwartung. Oder den Weg für Geschichte ebnet, wenn Serena siegt und das Turnier gewinnt. Eine allerdings will nicht dabei sein im Ashe-Stadion, Dienstagnacht: Mutter Oracene Price. „Das würde ich nicht überleben“, sagt sie.

Hier die Ergebnisse von den US Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

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von tennisnet.com

Montag
07.09.2015, 09:30 Uhr