US-Open-Panel, 1 – „Die Nummer 1 muss nicht immer auf Ashe spielen”
Die deutschen Tennisexperten blicken voraus auf das letzte Grand-Slam-Turnier 2016.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
24.08.2016, 11:54 Uhr

Vor dem letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres 2016 haben wir noch einmal die Köpfe zusammengesteckt – mit Menschen, denen der Tennissport am Herzen liegt, die sich mit „Nole“, Serena und Co. tagtäglich beschäftigen. Das Experten-Panel:Oliver Faßnacht(Eurosport),Florian Regelmann(spox.com),Jörg Allmeroth(tennisnet.com),Alex Antonitsch(Eurosport),Felix Grewe(Tennismagazin),Markus Theil(Eurosport),Marcel Meinert(SKY) undJens Huiber(sportradio360).
Teil 1 – Die Nachwirkungen der Olympischen Spiele und die Neuerungen im National Tennis Center in New York
Viele Spieler haben ihre Jahresplanung auf die Olympischen Spiele ausgerichtet. Hat sich das Turnier in Rio de Janeiro am Ende wie ein fünftes Major angefühlt?
Felix Grewe(Tennismagazin): Ein fünftes Major? Nein, dafür fehlten zu viele große Namen. Aber: Rio wird als ein Highlight des Jahres in Erinnerung bleiben. Die Goldmedaille von Monica Puig finde ich – sorry, Angie Kerber – eine überragende Geschichte. Und die Auftritte von Juan Martin del Potro haben gezeigt, dass die olympische Idee doch noch einige Profis erreicht.
Marcel Meinert(SKY): Sportlich gibt es praktisch nichts zu bemängeln. Von Favoritensiegen (Murray) über große Sensationen (Puig, Djokovic), bis zu echten Dramen (Brown, Hlavackova) war alles dabei. Dass gerade bei Olympia nicht nur echte Tennisexperten im Stadion sitzen, und die Brasilianer bevorzugen, musste man in Rio einkalkulieren.
Jörg Allmeroth(tennisnet.com): Aus meiner Sicht hatte das Turnier großen sportlichen Wert. Und überhaupt eine massive Bedeutung. Selbst im inzwischen tennisfernen Deutschland war der Sport auf der Wertigkeitsskala ganz oben. Siehe Einschaltquoten bei Kerber-Matches. Ich glaube nicht, dass irgendjemand behaupten wird, es habe sich nicht gelohnt, sich auf Olympia zu fokussieren.
Markus Theil(Eurosport): Ich würde aber nicht vorbehaltlos zustimmen, dass viele Spieler ihre Planung auf Olympia ausgelegt haben. Die Liste der Absagen liest sich eher so, als ob Olympia ein Planungshindernis für einige Spieler war. Und eine Monica Puig hat sich erst bei den French Open für Olympia quaifiziert (übrigens unter anderem mit dem so knappen Sieg über Julia Görges, abends um 21:30 Uhr). Viele konnten erst nach den French Open mit einer Olympiateilnahme planen.
Jens Huiber(sportradio360): Nun, wenn man nur auf die Topstars schaut, dann könnte man schon sagen, dass Olympia bei der Planung eine herausragende Rolle gespielt hat. Umso bitterer für Djokovic, dass er in der ersten Runde raus ist. Und für Federer, dass er gar nicht erst antreten konnte.
Oliver Faßnacht(Eurosport): Die sportliche Bedeutung lässt sich von außen objektiv halt nur schwer einschätzen – ich denke, es handelt sich vornehmlich um persönliche Empfindungen und Eindrücke, die das Turnier für die Spielerinnen und Spieler zu etwas Besonderem werden lassen. Doch Olympia steht für sich – mit einem Major ist das nicht vergleichbar.
Alexander Antonitsch(Eurosport): Genau. Olympische Spiele sind für sehr viele andere Sportarten das absolute Highlight. Beim Tennis wird es terminmäßig irgendwie in den "fast normalen" Turnierplan gequetscht.
Florian Regelmann(spox.com): Die Endphase des Turniers mit dem geilen Nadal-del-Potro-Match und den beiden Finals inklusive dem Mitfiebern mit Angie war cool, keine Frage. Genauso wie das Duell Rose vs. Stenson auf der letzten Runde beim Golf spannend zu verfolgen war. Das hatte was und konnte nicht mal durch die abartig miese Übertragung kaputt gemacht werden. Aber, da schließt sich der Kreis zu Felix und Oliver: „fünftes Major“ ist kompletter Quark.
Was gab es zu bemängeln?
Oliver Faßnacht(Eurosport): Da habe ich vor allem einen Punkt: Warum wurde nicht auf dem US-Open-Belag gespielt?
Jens Huiber(sportradio360): Oder, um mit Rafael Nadal zu fragen, warum wurde nicht auf Asche gespielt?
Marcel Meinert(SKY): Klarer Mangel war für mich die enttäuschende Zuschauerresonanz. Auf den Nebenplätzen ging das olympische Flair wohl komplett verloren. Dieses Problem hatten andere Sportarten aber auch. Außerdem war es problematisch, dass Volunteers, die von Tennis nichts verstehen, als Ballkinder eingesetzt werden.
Felix Grewe(Tennismagazin): Schwächen gab es außerdem bei Spielansetzungen und Organisation vor Ort. Auch die Arbeitsbedingungen für viele Journalisten sollen alles andere als ideal gewesen sein.
Markus Theil(Eurosport): Ich war ja nicht vor Ort, aber das hat sich eher wie eine Mischung aus Fed Cup / Davis Cup und Provinzmeisterschaft angefühlt. Aufregende Matches vor zum Teil durchgedrehtem, wie von Marcel schon angeführt, nicht immer tennisaffinem Publikum.
Das National Tennis Center in New York ist wieder einmal erweitert worden. Das Dach über dem Arthur Ashe Stadium kommt ebenfalls erstmals zum Einsatz. Inwieweit profitieren vor allem die Top-Spieler von der Planbarkeit ihrer Spiele auf den großen, wetterfesten Courts?
Florian Regelmann(spox.com): Wir müssen uns wohl nicht darüber unterhalten, dass das in Sachen Planbarkeit ein klarer Vorteil ist für die Superstars. Aber da ich kein Freund von Ausreden jeder Art bin, ist es im Endeffekt für den Ausgang des Turniers auch egal. Wenn du diesen Vorteil nicht hast, dann spiel’ eben so gut, dass du ihn dir für die Zukunft irgendwann erarbeitest. Irgendein Rumgeheule à la „der darf immer auf Arthur Ashe spielen” will ich auf jeden Fall nicht hören.
Oliver Faßnacht(Eurosport): Genau. Ich sehe keinen sportlichen Grund dafür, dass die #1 immer auf dem Center Court spielen muss. So sehr ich aus TV-Übertragungssicht die Installation eines Daches über dem „Ashe“ begrüße, so sensibel wird die Thematik der Match-Ansetzungen zu behandeln sein, um Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.
Alexander Antonitsch(Eurosport): Die Offiziellen müssen natürlich dafür Sorge tragen, dass sie mit ihren Ansetzungen, soweit es geht, Chancengleichheit herstellen. Das ist bei Regen nicht leicht möglich. Bei mir überwiegt aber am Ende die Freude, auch bei Regen Spiele zu sehen.
Marcel Meinert(SKY): Aber: Der gesamte Tagesablauf kann viel besser geplant werden. Für TV und Spieler. Klar: Häufige Spiele auf einem überdachten Court können im Turnierverlauf bei einer schwierigen Wettersituation helfen, weil sie mentale und körperliche Energie sparen. Gerade in New York, wo die Wege zwischen Hotel und Anlage teilweise sehr lang sind, ist die Planbarkeit des Tagesablaufs ein entscheidender Faktor, um nicht zu spät im Hotel zu sein oder zu früh auf die Anlage zu fahren.
Felix Grewe(Tennismagazin): Ein Stadion ohne Dach ist auf Grand Slam-Ebene einfach nicht mehr zeitgemäß. Bessere Bedingungen muss sich jeder Profi erarbeiten – das war früher nicht anders als heute.
Jörg Allmeroth(tennisnet.com): Das Dach präferiert wie in Wimbledon die Topleute – aber warum darüber klagen? Schließlich haben alle ein Dach gefordert.