US-Open-Panel, 2 – Angelique Kerber wird keinen Frust schieben
Der Blick voraus der Tennis-Experten auf die US Open 2016 – diesmal auf die favorisierten Damen.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
24.08.2016, 12:26 Uhr

Vor dem letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres 2016 haben wir noch einmal die Köpfe zusammengesteckt – mit Menschen, denen der Tennissport am Herzen liegt, die sich mit „Nole“, Serena und Co. tagtäglich beschäftigen. Das Experten-Panel:Oliver Faßnacht(Eurosport),Florian Regelmann(spox.com),Jörg Allmeroth(tennisnet.com),Alexander Antonitsch(Eurosport),Felix Grewe(Tennismagazin),Markus Theil(Eurosport),Marcel Meinert(SKY) undJens Huiber(sportradio360).
Teil 2 – Die Nachfolgerin von Flavia Pennetta und die Aussichten auf die Wachablöse an der Spitze der WTA-Weltrangliste.
Angelique Kerber hat in Cincinnati knapp den Sprung auf den Tennis-Thron verpasst. Was wird bei Deutschlands bester Spielerin überwiegen: der Frust über die dritte Final-Niederlage bei einem wichtigen Turnier in Folge (Wimbledon, Olympia, Cincinnati) – oder die Aussicht, in New York schon mit einem Viertelfinal-Einzug zur neuen Nummer eins zu werden?
Oliver Faßnacht(Eurosport): Weder noch! Sie wird sachlich und realistisch bewerten, dass schon die Teilnahme am Finale von Cincinnati ein kaum zu erwartender Erfolg gewesen ist – es war das elfte Match in 14 Tagen, auf zwei Kontinenten. Irgendwann musste die Energie fehlen. Und Pliskova war an diesem Tag einfach zu stark.
Jörg Allmeroth(tennisnet.com): Völlig richtig. Bei Kerber wird es keine große Enttäuschung geben, sie weiß, dass sie inzwischen auch an einem körperlichen Limit spielt. Sie hat schon viel Tennis auf dem Buckel, und es kommt auch noch einiges hinzu. Es wird deshalb auch schwer, weit bei den US Open zu kommen und dort Serena zu verdrängen. Aber passieren wird das gleichwohl in nicht allzu ferner Zukunft.
Marcel Meinert(SKY): Frust-Gefahr sehe auch ich bei Angie überhaupt nicht. Sie kann sich schnell wieder auf das nächste Ziel fokussieren. Die starke Leistung in Cincinnati nach der bitteren Olympia-Niederlage ist dafür das beste Beispiel. Wenn der körperliche Akku noch etwas hergibt, ist das Viertelfinale absolut realistisch. Bei ihrer Konstanz scheint die Pole Position in der Weltrangliste ohnehin nur eine Frage der Zeit.
Florian Regelmann(spox.com): Da möchte ich widersprechen. Gegen Serena ein Finale zu verlieren, ist die eine Sache. Das wird sie leicht weggesteckt haben. Aber sie hat jetzt mit Puig und Pliskova zweimal gegen Spielerinnen verloren, die (noch) nicht den großen Namen haben, die aber einfach mehr Power als sie haben, wenn sie ihr bestes Tennis abrufen. Das waren schon zwei bittere Geschichten.
Felix Grewe(tennismagazin): Ja und nein. Kerber spielt das erfolgreichste Jahr ihrer Karriere und wirkt so selbstbewusst wie noch nie. Die Endspiel-Niederlagen werden an ihr nagen, aber Stolz und Zuversicht dürften überwiegen. Ihre Chance, im Laufe der Saison die Nummer eins zu werden, ist riesig. Das weiß sie.
Markus Theil(Eurosport): Eben. Die Zeit spielt für Angie. Ich bin mir sicher, dass sie schon jetzt mit diesem Mega-Jahr zufrieden ist, auch wenn sie mit ihrem bewundernswerten Ehrgeiz wahrscheinlich a) Nummer eins 2016 werden, b) die US Open gewinnen und c) beim Masters auch ins Endspiel kommen will. Keine andere Spielerin ist derzeit so konstant.
Alexander Antonitsch(Eurosport): Die Freude über das Erreichte überwiegt sicher. Und ganz ehrlich: Ich würde Angie nicht einmal sagen, wie weit sie kommen muss, um Nummer eins zu werden.
Serena Williams hat bei Olympia enttäuscht und Cincinnati ausgelassen. Muss sie dennoch als Favoritin für den US-Open-Titel gelten?
Markus Theil(Eurosport): Schwierige Situation für Serena. Neben der Schulterverletzung belastet sie und ihre Familie der Schlaganfall ihres Vaters aus dem Juni mit anschließender Versorgungsproblematik. Es war schon beeindruckend, dass und wie sie Wimbledon gewonnen hat. Seitdem hat sie 3 Matches bestritten und geht für mich nicht als Topfavoritin in die US Open. Der zusätzliche Druck, die „Schmach” von 2015 wettzumachen und auch noch Steffi Graf zu überholen (Anzahl der ununterbrochenen Wochen als Nummer 1, 23. Grand-Slam-Titel) wird sie anstacheln, aber könnte sie auch lähmen (wie im Halbfinale gegen Vinci 2015).
Jens Huiber(sportradio360): Ich glaube, dass der Druck in diesem Jahr nicht so groß sein wird wie 2015. Die Frage ist ja auch, inwieweit die Aussicht auf die Nummer eins die Kandidatinnen Kerber, Muguruza und, ganz weit hinten, Radwanska beflügelt oder lähmt.
Oliver Faßnacht(Eurosport): Serena muss körperlich jedenfalls in Bestform antreten – sonst wird sie die US Open nicht gewinnen. Sollte Serena ernsthaft an ihrer Form, Fitness oder mentalen Bereitschaft zweifeln, wird sie scheitern, oder gar nicht erst antreten.
Felix Grewe(tennismagazin): Also, aus meiner Sicht verbietet es sich, Serena nicht als Favoritin zu bezeichnen. Ihre Physis wirft zwar tatsächlich Fragen auf, aber sollte sie antreten, wird sie wie immer schwer zu besiegen sein. Die Absage in Cincinnati war in Hinblick auf die Regeneration für New York ein schlauer Schachzug.
Jörg Allmeroth(tennisnet.com): Serena nicht als Favoritin zu nennen, wäre schlicht Quatsch. Aber klar: Was man aber, wie immer, nicht so genau weiß und was bereits angesprochen wurde, ist: Wie schwer sind die Verletzungsprobleme?
Florian Regelmann(spox.com): Wenn Serena in einem Damen-Draw steht, vor allem bei einem Grand Slam, ist sie für mich immer noch die Topfavoritin. Egal wo, egal wann.