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Lisickis Aus bei den US Open

Die Berlinerin liebt Auftritte auf den großen Plätzen, aber im Achtelfinale gegen Vera Zvonareva war davon nur wenig zu sehen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 05.09.2011, 13:16 Uhr

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Von Jörg Allmeroth

Als sich Sabine Lisicki am Sonntagabend auf einem der Trainingsplätze für die große Nachtshow im Arthur Ashe-Stadion aufwärmte, zeichnete sich das Elend ihrer späteren Niederlage gegen Vera Zvonereva bereits deutlich ab. Immer wieder rauschten die Bälle da im Sparringsbetrieb tief ins Netz, das Timing der Schläge stimmte genau so wenig wie die Laufwege oder die Aufschlagsimulationen. Mißvergnügt stampfte die Berlinerin zurück ins Spielerzentrum, irgendwie schon der Gewißheit beraubt, dass ihr an diesem siebten Abend der Offenen Amerikanischen Meisterschaften ein weiterer Sensationscoup bei ihrem weltweit bestaunten Comeback gelingen würde. „Es war einfach nicht mein Tag, nicht meine Stunde“, sagte die 21-jährige später, als ihr US-Open-Auftritt nach der 2:6, 3:6-Achtelfinalniederlage gegen die Nummer zwei der Welt vorüber war.

Wo die Blondine sonst auf großer Tennisbühne stets zu voller Stärke aufblüht und im Rampenlicht selbst mächtig erstrahlt, wirkte sie nun ganz überwiegend bloß wie eine verspannte Randfigur beim eher bescheidenen Spektakel unter den mächtigen Centre-Court-Flutlichtstrahlern.„Sie war ultranervös, einfach nicht die Sabine Lisicki, die man kennt“, befand Bundestrainerin Barbara Rittner, für die das Spätprogramm in der größten Arena der Welt selbst bereits mit einem Stimmungskiller begonnen hatte – auf einer der Toiletten wurde der Leverkusenerin ein fast neues IPhone gestohlen, „ein Bockmist“, so Rittner, „der für mich nur ins verkorkste Bild des Abends reinpasste.“

Kerber will Traum weiterleben


So blieb nach dem Aus für Geheimfavoritin Lisicki als vorerst letzte Mohikanerin am Schauplatz New York eine Spielerin aus dem hohen Norden der Republik übrig, die weder Rittner noch die deutschen Tennisfreunde auf der Rechnung für einen Viertelfinal-Einzug gehabt hatten: Die 23-jährige Kielerin Angelique Kerber, die schon am Sonntagmorgen in drückender, beinahe unerträglicher Schwüle zu einem 6:4, 6:3-Sieg gegen die Rumänin Monica Niculescu gekommen war. Selbst gegen die Italienerin Flavia Pennetta musste die verblüffende US Open-Mission für die nächste Protagonistin des weiblichen deutschen Tennisaufschwungs noch nicht enden: „Ich will meinen Traum hier noch ein bisschen weiterleben“, sagte Kerber, die den Konkurrenzkampf in der schwarz-rot-goldenenen Länderauswahl weiter beleben dürfte. Neben Kerber hatte an diesem Montag allerdings auch noch Kämpfernatur Andrea Petkovic die Chance, erstmals ein US-Open-Viertelfinale zu erreichen. Die verletzungsgeplagte und doch unverdrossene deutsche Frontfrau ist gegen die kugelrunde Spanierin Carla Suarez-Navarra gefordert.

Während die besten DTB-Spielerinnen den Abstand zu den Besten der Branche systematisch verringern, und das auf erfreulich breiter Front, ging für ihre männlichen Kollegen auch 2011 nichts Entscheidendes voran im Wanderzirkus . Mit dem Ausscheiden von Florian Mayer in der dritten US-Open-Runde – gegen Spaniens Dauerläufer David Ferrer - war ein weiteres tristes Grand-Slam-Jahr für die Mannen von DTB-Coach Patrik Kühnen besiegelt, eine Saison, in der sich kein Deutscher auch nur einmal in die zweite, prickelnde Woche eines Major-Wettbewerbs verirrt hätte. Am allgemeinen Wahrnehmungsdefizit der Herren konnte auch Mayers vorübergehender Sprung unter die Top 20 nichts ändern, was fehlte, waren die echten Highlights an den bedeutenden Schauplätzen, ob nun in Melbourne, Paris, London oder New York.

Vater Lisicki: "Wir vergießen keine Tränen"


Spielerinnen wie Petkovic, Lisicki und nun auch Kerber haben sich genau dort einen Namen gemacht, allen voran Lisicki, die ihre Rückkehr in die Weltspitze mit dem Halbfinaleinzug im All England Club krönte. Und so konnte die ehrgeizige Berlinerin nach der ersten sonntäglichen Enttäuschung doch zufrieden die Grand-Slam-Bücher für 2011 schließen, in der Überzeugung, wieder im Spiel der Großen und Starken an vorderster Front dabei zu sein: „Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell unter die Top 20 zurückkehren würde“, sagte Lisicki bei ihrem letzten Pressegespräch in New York, kurz vor Mitternacht, „ganz zu schweigen von Wimbledon und den beiden Turniersiegen in Birmingham und Dallas.“ Fluch der guten Tat in Texas, direkt vor den US Open, war allerdings eine verspätete Anreise in den Big Apple und eine gestörte Gesamtordnung bei diesem Grand Slam: „Irgendwie habe ich nie so richtig in meinen Rhythmus gefunden, da war zuviel Chaos drumherum“, so Lisicki, „aber dass ich trotzdem ins Achtelfinale gekommen bin, macht mich doch stolz.“

Nur in den ersten sechs Spielen des zweiten Satzes deutete Lisicki an, dass sie eigentlich auf Augenhöhe mit einer Rivalin wie der Weltranglisten-Zweiten Zvonereva spielen kann. Im verflixten siebten Spiel führte sie dann 40:0, kassierte aber doch noch ein Break – und von da gab es kein Zurück mehr für die Deutsche, die nur 40 Prozent ihrer ersten Aufschläge ins Feld brachte. Vater Richard Lisicki nahm´s später mit Gelassenheit: „Sabine hat in dieser Saison schon Unglaubliches geleistet. Sie war in Melbourne noch auf Platz 194 der Weltrangliste, scheiterte in der Qualifikation“, sagte der Sportwissenschaftler, „und jetzt ist sie in der Spitze, stärker als je zuvor. Da vergießen wir keine Tränen über dieses US Open-Aus.“(Foto: GEPA pictures)

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Montag
05.09.2011, 13:16 Uhr