Wer braucht eigentlich noch Schiedsrichter?
Das automatische Hawk-Eye bei den Erste Bank Open in Wien liefert unbestechliche Linien-Entscheidungen. Braucht es dann überhaupt noch eine(n) Stuhlschiedsricher(in)?
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
27.10.2022, 15:34 Uhr

Das ist halt die andere Seite der Medaille: Wenn, wie am Dienstagabend in der Wiener Stadthalle, der Geräuschpegel verdammt knapp an einer startenden Flugzeugflotte dran ist, dann hört man den Ausruf der automatischen Hawk-Eye-Linienrichter einfach nicht. Es gibt noch Turniere, bei denen echte Menschen darüber befinden, ob ein Ball gut oder doch im Aus war. Diese Turniere werden weniger, haben aber den Charme, dass das Linienpersonal dann halt auch mit einem Handzeichen sein Urteil fällt.
So etwas wäre am Dienstag beim Match von Dominic Thiem gegen Tommy Paul für viele Fans in der Halle von Vorteil gewesen. Denn zum einen gingen die akustischen Signale im Jubel über (vermeintliche) Punkte von Thiem unter. Oder aber sie blieben aus. Worüber sich die Zuschauer aber nicht sicher sein konnten. Schließlich war in vielen Situationen ja Krawall angesagt. Und dann waren es die Spieler, deren Körpersprache Orientierung über den Status des letzten gespielten Balles gegeben haben.
Die Utopie von John McEnroe
Im Grunde hat der Tennissport aber jetzt schon jenen Status erreicht, den John McEnroe vor vielen Jahren als Utopie in den Raum gestellt hat: Dass nämlich die Schiedsrichter nicht mehr gebraucht werden. McEnroe, dessen Lieblingsfeinde stets auf den Hochstühlen oder an den Linien saßen, dachte allerdings noch gar nicht so weit, dass es ein System geben könnte, das die Bälle in Echtzeit bewertet.
Wozu also noch Umpires? Gegenfrage: Was wäre passiert, hätten sich Stefanos Tsitsipas und Nick Kyrgios bei ihrer hitzigen Partie nicht unter der Aufsicht eines Erwachsenen getroffen? Die Möglichkeit, dass auf dem Court 1 die Fäuste geflogen wären - wer dabei war, weiß: Diese Möglichkeit war da.
Gerade Wimbledon hat aber gezeigt, dass man an den Linien das menschliche Auge entlasten sollte. Wenn eine überzeugende Technik am Start ist (wie mittlerweile auf Hartplatz und Rasen). Andererseits: Die Fans in der Stadthalle haben sich durch todsichere Entscheidung des Hawk-Eyes nicht irritieren lassen. Und enge Bälle immer zugunsten von Dominic Thiem interpretiert.
Hier das Einzel-Tableau in Wien