Wie man mit diesen vier Schritten Konzentration vor dem Aufschlag sammelt
Gerade bei der Spieleröffnung sollte man seine sieben Sachen beisammen haben. Der Tennis-Insider Marco Kühn hat dafür die richtigen Tipps.
von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet:
13.10.2022, 11:16 Uhr

In den 90er Jahren gab es einen Spieler, der wie ein Uhrwerk servierte. Präzise, konstant - gnadenlos gut.
Als Clubspieler können wir noch heute von ihm lernen. Du kennst es sicherlich aus deinen Matches: Die Quote beim ersten Aufschlag ist im Meden- oder Turniermatch nicht viel höher als die Umfragewerte des Kanzlers. Das Vertrauen in ein echtes Brett beim ersten Serve sinkt.
Nachdem der erste Aufschlag im Netz landet, die Filzkugel noch dabei ist aus dem Netz zurückzurollen, beginnen wir bereits mit dem zweiten Aufschlag. Wir werden mehr gebreakt, als dass wir den Aufschlag durchbringen. Im Gegenzug ist ein Break kein Vorteil für dich.
Einer, der diese Probleme nicht hatte, war der großartige Pistol Pete: Pete Sampras. Wie auf Knopfdruck servierte er bei 4:4 und 30:30 das Ass auf`s Band. Der Gegner hatte Breakball? Im Stile von Lucky Luke feuerte Pete einen kaum zu returnierenden ersten Aufschlag aus der Hüfte. Wir können diese konstante Präzision plus das Tempo nicht lernen. Du kannst aber lernen, wie du dich vor dem Aufschlag so konzentrieren kannst, dass du mit einer viel besseren Quote und mehr Präzision - auf deinem individuellen Niveau - aufschlägst.
Lass uns in diesem Artikel schauen, welche Steps dir dabei helfen können.
Der gemeine Dieb, der deinen Aufschlag klaut
Nick Kyrgios ist ein fantastischer Spieler. Er hat viel mehr Möglichkeiten in seinem Spiel als ein Novak Djokovic. Er schlägt besser auf, kann mehr variieren. Vor allem seine größte Stärke, eben der Aufschlag, wird aber manchmal geklaut. Dann sinkt die Quote. Ihm unterlaufen Doppelfehler. Die Effektivität ist nicht mehr so On-Point.
Der Dieb, der ihm seinen Aufschlag klaut, ist die Hektik.
Wir hatten weiter oben bereits angeschnitten, dass man sich irgendwann gar keine Zeit mehr zwischen den Aufschlägen nimmt. Nach emotionalen Ballwechseln gehst du direkt zum nächsten Aufschlag über. Du marschierst geradewegs durch die Tür, ohne dir kurz Zeit zu nehmen, die Schuhe auf der Fußmatte abzuklopfen.
Dieser eine, kleine Moment der Ruhe, ist entscheidend. Du brauchst einen Moment für dich, um dich gedanklich wieder sammeln zu können. Diesen Moment erschaffst du am besten durch Rituale. Aber Vorsicht: Keiner der vier gleich folgenden Schritte ist sofort automatisch in deinem Spiel integriert, nur weil du diesen Artikel gelesen hast. Du solltest dir einen dieser Schritte herauspicken und diesen über vier Wochen in deinen Trainingsspielen trainieren. Mit der Zeit wirst du merken, dass du eine neue Gewohnheit vor deinem Aufschlag gewonnen hast. Durch diese neue Gewohnheit hast du mehr Ruhe gewonnen. Durch die Ruhe, hast du einen besseren Aufschlag "freigeschaltet".
Alles klar, wir schauen uns die vier Schritte nun an.
1) Visualisieren
Malst du dir nach den ersten verkorksten drei Aufschlagspielen bereits aus, was wohl deine Kumpels und Bekannten anschließend über deine Performance denken könnten?
Perfekt. Denn dann bringst du alles mit, um mit dem Werkzeug der Visualisierung zu arbeiten ;-). Eine effektive Methode ist das bildliche, verdammt detaillierte Vorstellen deines nächsten Aufschlages. Stell dir das wie einen Film vor, indem du der Regisseur bist. Du legst exakt die Schritte fest, die als nächstes passieren werden.
Hier ein Beispiel, wie ein Film vor deinem Aufschlag aussehen kann:
"Der Ball liegt zum Aufwurf locker in der Hand. Beim Ballwurf lasse ich die Kugel so spät wie möglich los. Der Arm bleibt lange oben, damit ich ideal in die Bogenspannung komme. Der Schlagarm geht in den Rücken und trifft den Ball am höchsten Punkt - perfekt mittig auf der Bespannung, versteht sich. Der Aufschlag fliegt präzise auf die Rückhand des Gegners. Knapp fünf Zentimeter vor der T-Linie schlägt der Ball ein!".
Dieser Film ist nur ein Beispiel, damit du ein Gefühl für die Sache bekommst. Kreiere deine eigenen Filme, erschaffe deine eigenen Bilder, die zu deinem Spielertyp passen.
2) Ball tippen
Es ist unmöglich, bei diesem Thema nicht auf Novak Djokovic zu sprechen zu kommen. Hat er früher die Kugel 30-mal aufgetippt, weil er überlegen musste, wohin er wie servieren will? Natürlich nicht. Der Djoker ist ein Gauner, der es faustdick hinter der Bespannung hat. Er wollte das Match entschleunigen, Kontrolle demonstrieren und sich gedanklich sammeln.
Es war seine Methode, um sich vor Big-Points beim Aufschlag zu konzentrieren. Bevor du dich konzentrieren kannst, brauchst du Ruhe. Durch diese Ruhe, entsteht die Chance auf Konzentration. Du kannst diese Methode einfach klauen, so wie der Djoker das mit dem Tempo der gegnerischen Schläge macht ;-). Ein kleiner Hinweis: Alexander Zverev nutzt ebenfalls diese Tipp-Methode vor dem Aufschlag, indem er die Kugel bewusst direkt auf der Grundlinie auftippt.
3) Atmen
Atemtechniken- und Übungen werden beim Tennis leider noch voll unterschätzt. Es scheint zu simpel, zu einleuchtend. Ähnlich, wie wenn man den Ball nur noch ins offene Feld reinschieben muss, wir aber noch einen einzigartigen kurz-cross daraus zaubern wollen.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Atemtechniken den Geist und die Gedanken beruhigen. Sie sind also perfekt geeignet, um diese vor dem Aufschlag zu implementieren, oder nicht?! Eine der simpelsten Übungen funktioniert wie folgt:
Du atmest durch deine Nase ein, hältst den Atem für zwei Sekunden, und atmest dann langsam sechs Sekunden durch den Mund wieder aus. Zweimal in Folge angewandt, hast du auf simple Weise einen Moment der Ruhe vor deinem Aufschlag entwickelt. Es gibt noch zahlreiche andere Übungen. Probiere es mit der eben vorgestellten Übung. Man kann sie sich leicht merken und ihre Umsetzung ist ebenfalls keine große Wissenschaft.
4) Saiten richten
Erinnerst du dich noch an Maria Sharapova? Ich war nicht ihr größter Fan, da mir das Bumm-Bumm-Tennis schon immer zu bieder war. Sie war aber mental eine geschickte Spielerin, das muss man ihr lassen.
Sie drehte sich gern mit dem Rücken zur Gegnerin und richtete ihre Saiten. Dabei tänzelte sie noch zusätzlich, wenn sie so richtig On-Fire war. Maria machte dies oft bei ihrem Return. Aber wenn wir kurz ein Stück um die Ecke denken, dann ist diese Methode auch vor deinem Aufschlag sinnvoll und zielführend.
Du kannst dir beide Bälle in die Hosentasche stecken, dich mit dem Rücken zum Gegner drehen und zehn- bis fünfzehn Sekunden deine Saiten richten. Selbst wenn es nichts zu richten gibt. Der Effekt ist auch hier wieder der so wichtige Moment der Ruhe, um dich gedanklich sammeln zu können.
Warum ist es wichtig für dein Spiel, dass du mit voller Konzentration servierst?
Auch für dich als Clubspieler ist der Aufschlag ungemein wichtig. In manchen Spielen kann er matchentscheidend sein. Du magst nicht mit durchschnittlich 200 km/h servieren, aber dein erster Aufschlag ist ein kleiner Maßstab für das gesamte Selbstvertrauen, dass du im Match gewinnen kannst. Je mehr erste Aufschläge du triffst, desto besser fühlst du dich.
Ein konzentriert servierter Aufschlag kann dich zu mehr Spielgewinnen bei eigenem Aufschlag führen. Im Clubspieler-Bereich gibt es in jedem Match viele Breaks. Wenn du es also schaffst, mit einem konzentrierten Aufschlag mehr eigene Aufschlagspiele nach hause zu servieren, dann erhöhen sich deine Chancen auf den Sieg.
Und, da machen wir uns nichts vor: Es ist ein geiles Gefühl, wenn man mit einem richtigen Brett durch die Mitte direkt zum Punkt kommt. Es spart Kondition, Konzentration und Nerven.
Fazit: Was haben wir gelernt?
Wir haben gelernt, dass ein Moment der Ruhe vor unserem ersten und zweiten Aufschlag entscheidend ist. Die Hektik ist unser größter Gegner, um konstant und präzise servieren zu können. Du hast erfahren, dass es vier Optionen gibt, diese Ruhe vor einem Aufschlag zu gewinnen. Aber, und das ist wichtig: Setze nicht alle vier Schritte um, sondern nur einen.
Du kannst dir jetzt einen dieser Schritte für dein Spiel picken. Setze den Schritt im Trainingsspielchen vor jedem Aufschlag um. Wichtig für echte, langfristige Konzentration ist aber, dass du diesen einen Schritt über Wochen trainierst. Neue Gewohnheiten entstehen mit der Zeit.
Gib dir diese Zeit und deine Quote beim Aufschlag wird dich belohnen.