Wilder Ritt ins Glück: Gauff gewinnt mit "viel Liebe" die French Open
In einem denkwürdigen Finale schlägt Coco Gauff die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka und holt zum ersten Mal den French-Open-Titel.
von SID
zuletzt bearbeitet:
07.06.2025, 20:18 Uhr

Coco Gauff hob grinsend den Deckel des wunderbar silbern glitzernden Coupe Suzanne Lenglen hoch und linste neugierig hinein. Doch eine weitere dicke Überraschung hielt dieser ohnehin schon so wilde Tag für die überglückliche French-Open-Siegerin nicht mehr bereit. "Ich weiß nicht, was ich getan habe, dass ich hier so viel Liebe erfahre", rief die 21-Jährige dem Pariser Publikum entgegen, während ihre schwer geschlagene Gegnerin Aryna Sabalenka still in sich hinein weinte.
In einem Auf und Ab der Gefühle setzte sich Gauff im Finale von Roland Garros 6:7 (5:7), 6:2, 6:4 gegen die Weltranglistenerste aus Belarus durch - 2:38 Stunden lang hatte das Match bei insgesamt 15 Breaks und tückischen Böen immer neue und irrwitzige Wendungen parat. Letztlich aber eroberte Gauff drei Jahre nach der bitteren Final-Abfuhr gegen Iga Swiatek die Sandplatz-Krone.
"Es fühlt sich großartig an, es war hart, und ich habe versucht, mir selbst die beste Chance zu geben und um jeden Punkt zu kämpfen. Ich bin einfach froh, einen weiteren Titel in meinem Lebenslauf zu haben", sagte Gauff.
Vor 15.000 Zuschauern auf dem Court Philippe Chatrier, darunter Hollywood-Legende Dustin Hoffman (87) und der scheidende IOC-Präsident Thomas Bach, verwandelte sie ihren zweiten Matchball. Wie schon im US-Open-Finale 2023 drehte Gauff damit das Match gegen die vorher favorisierte und nachher untröstliche Sabalenka.
Sabalenka: “Schreckliches Tennis”
"Es tut gerade so sehr weh", schluchzte die Nummer eins: "Ich habe tolle zwei Wochen hinter mir, und dann spiele ich im Finale unter so schrecklichen Bedingungen so schreckliches Tennis."
Sabalenka verpasste nach einer Unzahl von Fehlern - 70 aus der Kategorie Unforced Error - leichtfertig ihren ersten Paris-Triumph und ihren vierten Major-Titel. Die 27-Jährige hatte im Halbfinale die "Königin von Roland Garros" entthront: Swiatek hatte im Vorjahr zum vierten Mal insgesamt und zum dritten Mal in Serie den Titel gewonnen. Diesmal musste sie die vor allem physische Überlegenheit Sabalenkas anerkennen. Im Finale war aber dann mehr als nur schiere Kraft gefragt, Sabalenka scheiterte auch an ihrer Psyche.
Im Männer-Finale stehen sich am Sonntag (15.00 Uhr/Eurosport) der Weltranglistenerste Jannik Sinner (Italien) und Titelverteidiger Carlos Alcaraz (Spanien) gegenüber. Es ist das erste Mal in Paris seit 1984, dass bei Männern wie Frauen die Nummer eins und zwei der Welt aufeinandertreffen - damals waren es die Legenden McEnroe, Lendl, Navratilova und Evert.
Gauff, die wie in Paris gewohnt in dicker schwarzer Lederjacke auf den Platz kam, wirkte zunächst nicht wirklich warm, verlor ihr zweites Aufschlagspiel zu null und das dritte gleich hinterher. Sabalenka ließ Gauff aber wieder ins Spiel kommen, fabrizierte Fehler in Serie. Die Zuschauer wurden erstmals richtig laut.
Mit dem vierten Spielgewinn in Serie glich Gauff zum 4:4 aus. Auch danach gab es in den Ballwechseln eigentlich nur zwei Optionen: Winner Sabalenka oder Fehler Sabalenka. Zweimal schlug die Weltranglistenerste zum Satzgewinn auf, hatte einen Satzball und musste dennoch in den Tiebreak. Dort vermied sie dann einen maximal unnötigen Rückstand.
Der Satzgewinn gab der Favoritin aber keine Sicherheit, gleich dreimal verlor sie ihren Aufschlag, nach rund zwei Stunden Spielzeit war wieder alles offen. Sabalenka verlor zusehends die Nerven, zeterte, schimpfte, fluchte. Sie schaffte nochmal den 3:3-Ausgleich, flatterte aber sogleich wieder entscheidend - und das war nicht nur dem Wind geschuldet.