tennisnet.comWTA › Grand Slam › Wimbledon

Wimbledon: „Eingelullt“ – warum eine Harmony Tan jeder von uns kennt

Harmony Tan (WTA-Nr. 115) steht überraschend im Achtelfinale des Wimbledon-Turniers 2022. Ihr Tennis entnervt die Gegnerinnen, als Hobbyspieler weiß man, warum.

von Florian Goosmann in Wimbledon
zuletzt bearbeitet: 02.07.2022, 20:33 Uhr

Harmony Tan
© Getty Images
Harmony Tan

Katie Boulter war nicht wirklich zu beneiden. Am Donnerstag hatte die Britin für große Schlagzeilen gesorgt mit ihrem Sieg über Vorjahresfinalistin Karolina Pliskova, die Tageszeitungen hatten Boulter gestern freilich groß platziert. Und die Hoffnung auf mehr – sie war natürlich da. Eine dritte Runde in Wimbledon gegen Harmony Tan? Also bitte!/

Jaja, die Französin hatte Serena Williams zum Auftakt besiegt, eine ungute Serena Williams allerdings, nach einem Jahr ohne Match. Aber nun, auf dem feinen Court 2 im All England Club, da sollte das Boulter-Märchen doch bitte weitergehen.

Nach wenigen Minuten war klar: Es wird nicht weitergehen, offiziell wurde es nach knapp einer Stunde. 6:1, 6:1 lautete das Ergebnis für Tan, und es war tatsächlich so klar wie es klang. Tan machte 53 Punkte, Boulter nur 24, sie fabrizierte indes 21 Fehler ohne Not.

Und so sehr man sich als Hobbyspieler oft nur staunend dem hingibt, was die Profis so präsentieren, konnte man sich diesmal wunderbar hineinversetzen. In Katie Boulter. Denn eine Gegnerin wie Harmony Tan hatten wir doch alle schon mal.

Harmony Tan: "Eine Person hat an mich geglaubt..."

Tans Bälle haben teils Minusgeschwindigkeit, so wirkt es, die doddelt sie teils völlig unorthodox rüber, mal hoch und lang, mal mit einem seitlich angeschnittenen Vorhand-Slice, gar nicht mal mit zu viel Biss (keine Federer-Dimensionen), halt einfach nur auf Höhe der T-Linie.

Boulter fiel auf alles rein. Den langen, so langsamen Bällen versuchte sie, mit Winnern beizukommen – wer Tennis spielt weiß, wie schwierig es ist, auf einen langen Ball ohne Tempo ordentlich Dampf draufzugeben. Und wie man dennoch dazu verführt wird. Traf Boulter mal, schaufelte Tan einfach zurück.

Im Gegensatz zum manchem Clubspieler hat Tan freilich mehr drauf als „nur“ zu doddeln. Spielte Boulter mal gediegen mit, zog Tan sauber drauf. Ebenso, wenn die Britin sich ans Netz wagte (sie gewann dort nur 5 von 17 Punkten).

„Als ich jünger war, hat man mir gesagt, dass ich kein richtig gute Spielerin sein könne mit diesem Spiel“, sagt Tan. „Aber eine Person hat an mich geglaubt: Nathalie Tauziat. Wir haben an meinem Spiel gearbeitet. Es hat funktioniert.“

Drama, Baby? Nix für Harmony

Tans Tennis, es passt auch zu ihrer Persönlichkeit. Zwischen den Ballwechseln trottet die 24-Jährige so gemächlich von links nach rechts, dass selbst Juan Martin del Potro neidisch würde; irgendwann im ersten Satz deutete mit dem Zeigefinger am Mund in Richtung ihrer Box, als ob sie sagen wollte: ruhig bleiben, Leute, läuft doch.

Nach dem Sieg über Serena Williams stand Tan allerdings noch mal unfreiwillig im Blickpunkt: Eigentlich war sie mit Tamara Korpatsch zum Doppel verabredet, Tan aber sagte kurzfristig verletzt ab, Korpatsch tat ihren Unmut über die sozialen Medien kund.

Am Tag drauf, so Tan, habe sich Korpatsch entschuldigt (Tan laboriert an Problemen am Oberschenkel und spielt mit Schmerzmitteln), auf ihren Post habe sie absichtlich nicht geantwortet, erklärte sie. Der Grund ist klar: „Ich mag kein Drama.“

von Florian Goosmann in Wimbledon

Samstag
02.07.2022, 20:11 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.07.2022, 20:33 Uhr