tennisnet.comATP › Grand Slam › Wimbledon

Wimbledon: Phänomen Andy Murray - "Der alte Hund lebt noch"

Andy Murray qualifizierte sich nach einer neuerlichen Achterbahnfahrt mit einem Fünfsatzsieg über Oscar Otte für die dritte Runde von Wimbledon - und sorgte somit für die bislang mitreißendste Geschichte des Turniers.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 01.07.2021, 10:32 Uhr

Andy Murray in Wimbledon
© Getty Images
Andy Murray hatte am Mittwoch allen Grund zur Freude

Als Andy Murray am Montagabend auf den Centre Court von Wimbledon schritt, waren genau 1448 lange Tage seit seinem letzten Vortrag auf dem heiligen Tennis-Grün verstrichen. Doch Murray ist auch jetzt, nach endlosen Verletzungsproblemen, ständigen Comebackanläufen und einer Hüftgelenksoperation, immer noch der Alte: Gleich zwei Mal schickte der frühere Champion seine Anhänger in mitreißenden Spätvorstellungen auf eine abenteuerliche Reise zwischen Ekstase und Agonie. Vier verrückten Sätzen gegen den Georgier Nikoloz Basilashvili zum Auftakt folgte ein 230-Minuten-Marathon gegen den Kölner Oscar Otte am Mittwoch über die volle Distanz. 

Und am Ende war es wieder Murray, der triumphierte und über seinen 6:3, 4:6, 4:6, 6:4, 6:2-Sieg selbst nur den Kopf schütteln konnte. „Der alte Hund lebt noch. Irgendwie“, gab der schottische Braveheart zu Protokoll, der von der Nummer 151 der Weltrangliste, von jenem couragierten Außenseiter Otte, bis ans absolute Limit gefordert wurde. „Mach weiter so, dann kommen auch die Ergebnisse“, habe ihm Murray schließlich am Netz zugeraunt, sagte Otte später, „es war eine irreale Erfahrung da draußen. Der Centre Court, das Match gegen mein Idol, die irre Atmosphäre. Jetzt brauche ich erst mal ein paar Tage piano, um das alles zu verarbeiten.“ Einen bravourösen Sieg von Murray sah die „Daily Mail“, aber auch einen „bravourösen Gegner“, der gezeigt habe, „was ein Mann jenseits der Top 100 leisten kann.“

Murray in Runde drei gegen Shapovalov

Murray, inzwischen 34 Jahre alt, ist bisher das Phänomen im Theater der Träume. Wimbledon ist zurück mit begeisterten Fans, aber zurück ist auch er: Der nationale Tennis-Held, der zweimalige Champion, der Mann, der auch eine olympische Goldmedaille auf diesem Centre Court gewonnen hat. „Viele reden ständig davon, dass dies mein letztes Turnier, meine letzten Matches sind. Aber ich habe noch verdammt viel Spaß da draußen“, sagt Murray, „ich kann immer noch auf dem höchsten Level spielen. Ich habe zwei sehr gute Kollegen geschlagen bisher.“ Sein nächster Gegner ist der junge Kanadier Denis Shapovalov, die Nummer zwölf in der Hierarchie des Wanderzirkus.

Was für eine Geschichte war dies gleich beim Grand Slam-Comeback in London SW 19, ein Jahr, nachdem Wimbledon zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg pandemiebedingt ausgefallen war. „Den Jubel der Fans hat man bis ins Herz von London gehört“, hatte der „Daily Express“ bereits nach dem turbulenten Turnierbeginn um und mit Murray festegehalten – nach dem Match gegen Basilashvilli, in dem Murray 2:0-Sätze und 5:0 geführt hatte, ehe er Satz drei verlor und sich zum Erfolg in vier Akten durchkämpfte. Selbstverständlich war ja nichts an diesen Siegen: Denn hartnäckig hatte Murray, wegen seiner beiden Wimbledon-Triumphe und zweier Olympiasiege schon in den Adelsstand erhoben, in den letzten Jahren massive Rückschläge und Enttäuschungen bei seinen Rückkehr-Anstrengungen erlebt, er hatte sich selbst schon einmal mehr oder weniger vom Tennis verabschiedet Anfang 2019, ließ sich dann aber in einer komplizierten Operation ein künstliches Hüftgelenk einsetzen – und kämpfte um seinen Wiedereinstieg. 

Murray geht den harten Weg

„Die Zeit war oft frustrierend, oft zum Verzweifeln. Ich fühlte mich manchmal, als würde ich gegen eine Mauer laufen“, sagt Murray, aktuell die Nummer 118 der Weltrangliste, „aber ich bin keiner, der so leicht aufgibt.“ Was im übrigen auch schon für frühere Karriereabschnitte galt: So hatte Sir Andy seine ersten vier Grand Slam-Finals allesamt verloren, ehe er insgesamt drei Major-Pokal einsammelte und auch die Nummer 1 der Weltrangliste im November 2016 eroberte. „Er ist immer den harten Weg gegangen. Niemand hat ihm irgendwas geschenkt“, sagt Beobachter Boris Becker.

Das traditionsreiche Turnier in Wimbledon könnt ihr mit dem Sky Ticket streamen. Sichert euch jetzt das Angebot schon ab 9,99€ pro Monat.

Auch in dieser Saison hatte Murray kaum und wenig erfolgreich gespielt, bevor er am Montag den mythenumrankten Centre Court betrat – den Schauplatz seiner größten Momente. Beide Auftritte wurden dann zum großen Drama, Verlängerung unter den Flutlichtstrahlern eingeschlossen. „Es war, als wollte das Schicksal alle Augen auf Murray lenken“, befand der frühere britische Weltklassespieler Greg Rusedski. 

Murrays Geschichte ist noch längst nicht vorüber. Nicht bei diesem Turnier, bei diesem Wimbledon. Und auch nicht darüberhinaus.

Hier das Einzel-Tableau in Wimbledon

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Murray Andy
Shapovalov Denis

von Jörg Allmeroth

Donnerstag
01.07.2021, 11:55 Uhr
zuletzt bearbeitet: 01.07.2021, 10:32 Uhr

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Murray Andy
Shapovalov Denis