Denkwürdige Damen-Matches in Melbourne

Wir präsentieren zehn hochklassige Partien, die in der Damenkonkurrenz beim Grand-Slam-Turnier in Melbourne gespielt wurden.

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 06.01.2014, 08:12 Uhr

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Von Christian Albrecht Barschel

Zehn denkwürdige Endspiele bei den Australian Open, darunter fünf bei den Damen, haben wir bereits vorgestellt. Nun präsentieren wir zehn denkwürdige Damen-Matches bei den Australian Open, die vor dem Finale stattgefunden haben.

Helena Sukova - Martina Navratilova 1:6, 6:3, 7:5 - Halbfinale 1984

Martin Navratilova war lange Zeit das Maß aller Dinge im Damentennis. Im Dezember 1984 stand die US-Amerikanerin kurz vor etwas Historischem: dem Erreichen des Kalender-Grand-Slams. Navratilova ging als haushohe Favoritin in die Australian Open, die zu diesem Zeitpunkt noch Ende des Jahres und auf ihrem geliebten Rasen ausgetragen wurden. Im Jahresverlauf hatte sie bei den French Open, in Wimbledon und bei den US Open gewonnen und war seit knapp elf Monaten ungeschlagen. Ihre einzige Saisonniederlage kassierte sie im Januar 1984. Der Titel bei den Australian Open und der damit verbundene Kalender-Grand-Slam schienen nur noch Formsache. Im Halbfinale traf Navratilova mit 74 Siegen in Folge im Gepäck auf ihre ehemalige Landsfrau Helena Sukova aus der Tschechoslowakei. Es nahm zunächst den erwarteten Verlauf. Navratilova gewann den ersten Satz mit 6:1, obwohl fast alle Spiele hart umkämpft waren. Sukova gab sich nicht auf und punktete mit einer einfachen Devise. "Wenn ich einen Punkt verloren hatte, sagte ich einfach zu mir, ‚Versuche es mit dem nächsten und vergesse das'. Ich war nicht nervös, nichts dergleichen", erklärte die damals 19-Jährige nach dem Match. Sukova schnappte sich den zweiten Satz und rang die unbesiegbar scheinende Navratilova im dritten Satz nieder. Im letzten Aufschlagspiel der Tschechoslowakin wurde es dramatisch, als Navratilova drei Matchbälle bei 0:40 und noch zwei weitere Matchbälle abwehren konnte. Der sechste Matchball saß schließlich, und die Siegesserie von Navratilova (die längste Siegesserie im Profitennis) und der Traum vom Kalender-Grand-Slam waren zu Ende. "Es schmerzt, aber ich werde darüber hinwegkommen", sagte Navratilova. Sukova wurde drei Jahre später erneut zur Spielverderberin für Navratilova, als sie in Wimbledon deren Rasenserie mit 69 Siegen in Folge beendete. Zum einem Grand-Slam-Titel reichte es nicht für Sukova. Sie verlor neben dem Finale der Australian Open 1984 drei weitere Grand-Slam-Endspiele und ging als Unvollendete und als eine der besten Spielerinnen ohne Grand-Slam-Titel in die Geschichtsbücher ein.

Monica Seles - Mary Joe Fernandez 6:3, 0:6, 9:7 - Halbfinale 1991

Mary Joe Fernandez und die Australian Open, das hat immer gut gepasst. "Down Under" lief die zierliche US-Amerikanerin immer zur Höchstform auf. Zweimal stand Fernandez in Melbourne im Finale. Eine weitere Finalteilnahme war 1991 möglich, als die damals 19-Jährige im Teenager-Halbfinale kurz vor dem Sieg gegen die damals 17-jährige Monica Seles stand. Nach verlorenem ersten Satz drehte Fernandez auf und hatte bei 6:5-Führung im dritten Satz einen Matchball. Eine Rückhand segelte allerdings ins Netz. "Ich hatte sicherlich die Möglichkeit zum Sieg. Das sind harte Niederlagen. Ich hatte etwas Pech beim Matchball", sagte Fernandez. Seles setzte sich nach 2:38 Stunden mit 9:7 im dritten Satz durch und gewann anschließend auch die Australian Open. "Ich wollte sichergehen, dass ich beim Matchball auf keinen riesengroßen Schlag gehen würde, einfach nur ein guter Schlag. Es war das Gleiche, als Mary Joe Matchball gegen mich hatte. Da hatte ich ziemliches. Glück", sagte Seles.

Chanda Rubin - Arantxa Sanchez Vicario 6:4, 2:6, 16:14 - Viertelfinale 1996

Chanda Rubin wurde geboren, um große Matches zu spielen und um diese dann auch zu gewinnen. So scheint es jedenfalls. Die US-Amerikanerin legte bei den French Open 1995 eine der größten Aufholjagden der Tennisgeschichte hin, als sie gegen Jana Novotna im dritten Satz 0:5, 0:40 zurücklag, insgesamt neun Matchbälle abwehrte und schließlich gewann. Beim Wimbledonturnier 1995 spielte sie mit 3:45 Stunden das längste Damen-Match, das je auf dem heiligen Rasen gespielt wurde. Rubin gewann mit 17:15 im dritten Satz. Und auch im Viertelfinale der Australian Open 1996 beendete die US-Amerikanerin eine dramatische Partie erfolgreich. Die damals 19-Jährige besiegte Arantxa Sanchez Vicario mit 16:14 im dritten Satz. Die 3:33 Stunden Spielzeit bedeuteten damals den Rekord für das längste Damen-Match in Melbourne. Rubin ließ bei 5:4 und 14:13 jeweils zwei Matchbälle ungenutzt. Der fünfte Matchball brachte dann die Entscheidung. "Ich wusste, dass sie mir das Match nicht geben würde. Sie ist eine Kämpferin. Aber ich spürte, dass ich genauso hart wie sie kämpfen konnte. Ich wollte das Match genauso, wie sie es wollte - vielleicht noch mehr. Es war einfach eine Schlacht", sagte Rubin über das Match mit ihrer Doppelpartnerin, mit der sie später sogar den Titel gewann. Im Halbfinale erlebte Rubin dann die andere Seite der Medaille. Sie führte gegen Monica Seles im dritten Satz mit 5:2 und verlor schließlich mit 5:7.

Amanda Coetzer - Steffi Graf 6:2, 7:5 - Achtelfinale 1997

Als uneingeschränkte Grand-Slam-Königin ging Steffi Graf in die Australian Open 1997. Die Deutsche hatte die letzten sechs Grand-Slam-Turniere, an denen sie teilnahm, allesamt gewonnen. Bei den Australian Open 1995 und 1996 fehlte sie wegen Verletzungen. Und auch der Start am Turnier 1997 verlief nicht ohne Wehwehchen. Graf litt an einer Entzündung im Zeh und musste Antibiotika nehmen. Sie erreichte das Achtelfinale und war nun seit 45 Grand-Slam-Matches ungeschlagen. Im Achtelfinale traf Graf auf die nur 1,58 Meter große Südafrikanerin Amanda Coetzer, die wegen ihrer wieselflinken Beine auch "Speedy Gonzales" genannt wurde. Der Glutofen in Melbourne mit 37 Grad im Schatten machte Graf zu schaffen. Sie erlitt einen Hitzschlag und musste mehrmals mit Eispacks behandelt werden. Coetzer, die in der Wüste Südafrikas aufwuchs und zu den fittesten Spielerinnen zählte, kam mit den hohen Temperaturen weitaus besser zurecht. Im zweiten Satz sah es danach aus, als ob Graf auf die Siegerstraße zurückkommen würde. Sie führte schnellt mit 4:0, doch am Ende jubelte Coetzer. "Sie hat wirklich sehr gut gespielt. Ich habe alles versucht, was ich konnte. Ich habe es so hart versucht, wie ich konnte. Ich hatte einfach nicht die Energie bei der Hitze. Aber gebt ihr die Anerkennung. Sie ist mit den Bedingungen sehr gut umgegangen", erklärte Graf. "Wir beide hatten mit der Hitze ein wenig zu tun. Ich habe versucht, nicht darüber nachzudenken, dass sie den Arzt kommen ließ. Sie hat zu dieser Zeit sehr gut gespielt. Ich habe versucht, mich nicht ablenken zu lassen. Ich habe viel Training bei warmem Wetter in Florida gemacht", sagte Coetzer, die 1997 zur Angstgegnerin von Graf wurde. Bei den French Open besiegte sie die Deutsche erneut, und auch bei deren Heimturnier in Berlin mit dem vernichtenden Ergebnis von 6:0, 6:1 - die höchste Niederlage in der Karriere von Graf.

Anna Kournikova - Miho Saeki 1:6, 6:4, 10:8 - 2. Runde 1999

Zugegeben, besonders hochklassig war die Zweitrundenpartie bei den Australian Open 1999 zwischen der Russin Anna Kournikova und der Japanerin Miho Saeki nicht. Dennoch hat es das Match in diese Liste geschafft, weil sich etwas Historisches ereignete. Kournikova stellte einen Rekord an Doppelfehlern auf. Die Russin servierte gegen Saeki unfassbare 31 Doppelfehler und hält bis heute den Rekord in dieser Kategorie - sowohl bei Damen und Herren. Dennoch gewann Kournikova das Match mit 10:8 im dritten Satz. genauso wie in der ersten Runde mit 23 Doppelfehlern und in der dritten Runde mit 14 Doppelfehlern. Nach insgesamt 73 Doppelfehlern war für Kournikova dann im Achtelfinale Schluss.Zwischen Oktober 1998 und dem Ausscheiden bei den Australian Open 1999 kam Kournikova auf 182 Doppelfehler in nur zehn Matches. Die Russin hatte sich die "Yips" eingefangen, eine plötzliche ruckartige Muskelzuckung, die das Aufschlagen erschwerte. "Ich bin wirklich frustriert darüber, weil jeder zuguckt. Im Training fühle ich mich gut. Da serviere ich normal, es gibt keine Anzeichen von Doppelfehlern. Aber wenn ich zum Wettkampf komme, passiert irgendwas. Ich muss darüber hinwegkommen und versuchen, das zu bekämpfen, wie ich es heute geschafft habe", sagte Kournikova nach ihrem Rekordmatch.

Martina Hingis - Serena Williams 6:2, 3:6, 8:6 - Viertelfinale 2001

Angriffslust und Kraft gegen Strategie und Spielwitz: Die Duelle zwischen Serena Williams und Martina Hingis lebten von den Gegensätzen. 13-mal trafen die US-Amerikanerin und die Schweizerin aufeinander. Ihr bestes Match spielten beide wohl im Viertelfinale der Australian Open 2001. Hingis zeigte im ersten Satz, in dem sie ihr gesamtes Repertoire offenlegte, das beste Tennis ihrer Karriere, wie sie später sagte. Doch Williams ließ sich davon nicht einschüchtern, gewann den zweiten Satz und führte im dritten Satz mit 4:1. Der Sieg ging dennoch an Hingis, die "mit viel Herz gewonnen hat", wie Williams nach dem Match beschrieb. "Es war ein tolles Match von uns beiden. Besonders am Ende ging es darum, wer es mehr wollte und wer etwas mehr Glück hatte", bilanzierte Hingis, die den sechsten und letzten Sieg gegen Williams feierte.

Serena Williams - Kim Clijsters 4:6, 6:3, 7:5 - Halbfinale 2003

Die ganze Tenniswelt sprach bei den Australian Open 2003 vom "Serena Slam". Serena Williams konnte mit dem Titel in Melbourne ihren persönlichen Grand Slam erreichen und vier "Major"-Turniere in Folge gewinnen. Im Halbfinale gegen Kim Clijsters scheiterte diese Mission beinahe. Clijsters führte im dritten Satz mit 5:1 und stand kurz vor dem Finaleinzug. Erst recht, als die Belgierin bei 5:2 zwei Matchbälle hatte. Williams wehrte die beiden Matchbälle ab und drehte das Match mit sechs Spielgewinnen in Folge zu ihren Gunsten. "Es war ein unglaublicher Kampf dort draußen. Ich dachte mir, ‚Ich will nicht 6:1 verlieren'. Dann habe ich mir gesagt, ‚Ich will nicht 6:2 verlieren'. Also habe ich weitergekämpft. Die nächste Sache, die ich weiß, ist, dass ich zurück war", sagte Williams nach ihrer Aufholjagd. Die US-Amerikanerin schaffte dann tatsächlich den "Serena Slam", als sie zwei Tage später das Endspiel gegen ihre ältere Schwester Venus in drei Sätzen für sich entschied.

Serena Williams - Maria Sharapova 2:6, 7:5, 8:6 - Halbfinale 2005

Die Matches zwischen Serena Williams und Maria Sharapova waren selten richtige Leckerbissen. Zu groß war meist die Dominanz von Williams. Ihr bestes Match, und ein hochklassiges noch dazu, spielten die beiden im Halbfinale der Australian Open 2005. Während Sharapova mit ihren 17 Jahren trotz ihres Wimbledonsiegs im Jahr zuvor immer noch zu den jungen Hüpfern zählte, war Williams mit ihren 23 Jahren bereits ein erfahrener Hase. Die beiden lieferten sich ein dramatisches Match auf Augenhöhe. Sharapova hatte im dritten Satz bei 5:4-Führung und eigenem Aufschlag dreimal einen Matchball. Williams wehrte alle Matchbälle ab und glich aus. Beim Stand von 6:6 ließ Sharapova drei Breakbälle ungenutzt und wurde kurze Zeit später bestraft. "Ich habe meine Chancen nicht wahrgenommen, als ich es konnte. Das ist das, worum sich dieses Spiel dreht. Wenn du deine Chancen nicht nutzt, verlierst du. Natürlich bin ich traurig, aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Ich bin 17 Jahre alt und stand im Halbfinale der Australian Open. Das ist nichts Negatives. Ich finde, dass Williams eine der besten Kämpferinnen ist", erklärte Sharapova. Dem wollte Williams nicht widersprechen. "Ich bin immer noch die beste Kämpferin dort draußen. Das sind immer die besten Momente, wenn man Matchball gegen sich hat. Ich habe mir gedacht, ‚Okay, Serena, du hast Matchball gegen dich, aber das ist okay, denn du hattest schon mal Matchball gegen dich'. Diesmal war es noch enger, deshalb dachte ich mir, ‚Okay, ich kann das schaffen'. Als der dritte Matchball kam, dachte ich mir, ‚Okay, ich war bislang noch nicht in dieser Lage. Das ist eine neue Erfahrung für mich, aber ich kann weiterkämpfen.'"

Jelena Jankovic - Tamira Paszek 2:6, 6:2, 12:10 - 1. Runde 2008

Bis heute wartet das österreichische Tennis auf den ganz großen Durchbruch von Tamira Paszek. Die Österreicherin stand bereits mit 16 Jahren unter den Top 40. 2007 hatte sie in Wimbledon und bei den US Open das Achtelfinale erreicht. Bei den Australian Open 2008 erwartete man vom neuen Tennisstern im Damentennis einiges. Die 17-jährige Paszek traf in der ersten Runde auf die ehemalige Weltranglisten-Erste Jelena Jankovic. Der Serbin, zu jener Zeit Nummer vier der Welt, wurde von der Österreicherin alles abverlangt. Im dritten Satz erlebten die Zuschauer ein wahres Breakfestival mit 15 Aufschlagverlusten. Die große Schwäche der Österreicherin wurde ersichtlich, nämlich der Aufschlag. Fünfmal servierte Paszek zum Matchgewinn, dreimal hatte sie einem Matchball. Doch Jankovic kam immer wieder zurück ins Match und entschied nach 3:10 Stunden die Partie für sich. "Ich habe einfach versucht, irgendwie positiv zu bleiben. Ich habe einen Weg gefunden zu gewinnen. Es war unglaublich, als ich die Matchbälle gegen mich hatte. Ich war in einige harte Punkte verwickelt und hatte ein paar Mal auch etwas Glück", sagte Jankovic, die im weiteren Turnierverlauf bis ins Halbfinale kam.

Francesca Schiavone - Svetlana Kuznetsova 6:4, 1:6, 16:14 - Achtelfinale 2011

Kein Damen-Match bei den Australian Open hat länger gedauert als dieses. Francesca Schiavone und Svetlana Kuznetsova lieferten sich 2011 eine Hitzeschlacht im Glutofen von Melbourne und spielten das zweilängste Damen-Match in der Geschichte. 4:44 Stunden dauerte der Achtelfinalkrimi zwischen den beiden. Bereits die ersten beiden Sätze hatten trotz der recht klaren Ergebnisse knapp zwei Stunden gedauert. Im dritten Satz wurde es dann hochklassig und dramatisch. Dabei vergab Kuznetsova insgesamt sechs Matchbälle. Die Russin hatte bei 8:7 drei Matchbälle in Folge und konnte keinen verwerten. Beim Stand von 8:8 lag Schiavone dann 40:0 bei Aufschlag von Kuznetsova vorne. Der dritte Breakball ging eigentlich an die Italienerin. Doch da sie das Netz berührte, bevor der Ball das zweite Mal aufsprang, ging der Punkt an die Russin, die das Aufschlagspiel dann noch für sich entschied. Bei 9:8 hatte Kuznetsova wieder drei weitere Matchbälle, die sie allesamt nicht nutzen konnte. Schiavone glich aus und gelang das Break zum 10:9. Doch Kuznetsova gab sich noch nicht geschlagen. Rebreak und 10:10. Wieder breakte Schiavone zum 11:10. Beide nahmen anschließende eine Behandlungspause. Kuznetsova schaffte erneut den Ausgleich zum 11:11. Das Match wollte einfach kein Ende nehmen. 12:12, 13:13, 14:14! Schiavone schaffte ein drittes Break zum 15:14. Die Italienerin ließ anschließend zwei Matchbälle aus, die Kuznetsova bravourös abwehrte. Beim dritten Matchball war es dann aber passiert. Nach einem dreistündigen dritten Satz war diese historische Partie zugunsten von Schiavone entschieden. "Das ist einer der emotionalsten Momente meines Lebens", sagte die Italienerin anschließend.

(Fotos: GEPA pictures)

von Christian Albrecht Barschel

Montag
06.01.2014, 08:12 Uhr