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Nadals Rendezvous mit der Geschichte

Der Spanier ist in Roland Garros in seinem ureigensten Element und war mal wieder nicht zu besiegen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 09.06.2013, 16:44 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus Paris

Rückwärts zog es ihn hinab in die rote Erde, die sein ureigenstes Tennis-Element ist. Die Erde, in der er 2005 seinen ersten großen Triumph feierte, als Newcomer und Himmelsstürmer zugleich. Und die Erde, in der er nun glückselig seinen wahrscheinlich emotionalsten Grand-Slam-Sieg errang, der unwiderstehliche Comebacker Rafael Nadal. Schlag 17.30 Uhr war es im strömenden Regen von Paris, als der mallorquinische Sand-Mann seine Rückkehr aus Verletzungsqualen und Karrieresorgen fast magisch veredelte – mit einem souveränen 6:3,-6:2,-6:3-French-Open-Finalerfolg über seinen Landsmann David Ferrer und mit dem großartigen achten Titel im Centre-Court-Sandkasten. „Das ist ein ganz spezieller Moment, einer der größten Siege meines Lebens“, sagte Nadal, sichtlich gerührt, mit Tränen in den Augen, „es ist ein Tag, auf den ich nicht einmal hoffte vor ein paar Monaten.“

Es war auch ein Tag, der die Rekordbücher dieses Sports veränderte – denn niemals zuvor hat ein männlicher Profi acht Mal bei einem der vier Majorwettbewerbe gewonnen, auch nicht in Melbourne, Wimbledon oder New York. Da geriet selbst die stolze Preisgeldsumme von 1,5 Millionen Euro in den Hintergrund, was zählte, waren Ruhm, Ehre und Pokal – und die Einmaligkeit des Triumphs. „Mit diesem Sieg hat sich Rafael selbst übertroffen“, sagte sein Onkel und Trainer Toni Nadal. Stoppen konnte Nadals souveränes Rendezvous mit der Geschichte nichts an diesem verregneten Sonntag, nicht der brave Knappe Ferrer, nicht die widrigen Umstände und auch nicht diverse Protestaktionen von Zuschauern. Einer der Fans wurde sogar mit einem bengalischen Feuer von Ordnungskräften abgeführt.

Meister der Bescheidenheit, Weltmeister der Untertreibung

Nadals letzter Triumphzug in der roten Ziegelmehlasche wird ein Ausnahmeprodukt in der Siegesserie des bulligen Fighters bleiben – ein emotionaler Höhepunkt, vergleichbar nur mit dem ersten Erfolgserlebnis im Stade Roland Garros vor nunmehr acht Jahren, damals noch als 19-jähriger Teenager. Denn Nadals Zukunft im Wanderzirkus, seine Perspektive als einer der herausragenden Spieler dieses Sports stand im vergangenen Sommer und Herbst auf unsicheren Füßen – buchstäblich. „Es gab Momente der Verzweiflung. Momente, in denen ich nicht wusste, wie es weitergeht. Und es gab viele Tränen, weil es keine Fortschritte gab, keine Besserung, kein vernünftiges Training“, sagt Nadal, der sich nach dem Wimbledon-Turnier sieben Monate wegen seiner leidigen Sehnenverletzung im Knie in den vorübergehenden Zwangs-Ruhestand versetzt sah. Eher ein Unruhezustand indes für den umtriebigen, hyperaktiven Athleten, der kaum mitansehen konnte, wie seine Kollegen bei den Olympischen Spielen, bei den US Open in New York, bei der Weltmeisterschaft in London oder auch noch einmal bei den Australian Open um die Hauptpreise spielten.

Nadal ist ein Meister der Bescheidenheit und ein Weltmeister der Untertreibung. Doch man kann ihm getrost abnehmen, dass auch er, der zurückhaltendste aller Granden im Tennis, nicht mit einer Rückkehr in dieser Prachtentfaltung gerechnet hatte – damals, im Februar, als er im chilenischen Vina del Mar erstmals nach seiner Leidenszeit wieder auf einem Court stand, in einem der geliebten Sandkästen. „Mein Ziel war nur, fit und gesund zu bleiben. Ich habe gar nicht an Titel gedacht“, sagt der 27-Jährige. Doch sehr bald war er im Sandterrain wieder das Maß aller Dinge, das Zentralgestirn, um den der Rest des Tennis-Systems kreiste – schlicht der Mann, den es zu schlagen galt. Theoretisch jedenfalls, denn nur zwei Niederlagen überhaupt kassierte Nadal seit dem Neuanfang, einmal gleich zu Beginn in Chile. Und später noch in Monte Carlo, dort, wo er acht Mal hintereinander gewonnen hatte, aber dann gegen Djokovic verlor. Der Rest aber war: Nadal, der Dominator. Nadal, der vielbeschriebene, unersättliche Titeljäger. Nadal, eben ganz der Alte.

Vorgezeichnetes Muster in Paris

Eine noch größeren und inzwischen sogar beispiellose Schreckensherrschaft für die Mitbewerber hat Nadal in Paris entfaltet, trotz aller Widrigkeiten, die es in den vergangenen Jahren gab – ob es familiäre Probleme waren, die Verletzungssorgen, die teils verrückten Wetterkapriolen. Nadals Turniertage in Paris verlaufen nach einem fast vorgezeichneten Muster: Ein relativ schleppender Auftakt, sogar Satzverlust gegen Konkurrenz aus der zweiten oder dritten Reihe, dann aber eine unglaubliche Beschleunigung in der zweiten Woche. Und schließlich die erinnerungswürdigen Gigantenduelle, die Dramen auf dem Zielstrich, so wie am Freitag gegen Djokovic, den stärksten aller Herausforderer im Hier und Jetzt. Das Duell mit dem Serben war schon so etwas wie die nächste Einladung ins Tennisparadies, der eigentliche Türöffner für den achten Sieg im neunten Roland-Garros-Jahr. Gerade in diesem Duell sah man ihn auf der Höhe seiner Qualitäten, als Fighter, den selbst ein 2:4-Defizit im fünften Satz nicht vom Erfolg abhalten konnte.

Alle, die einmal im Stadion Roland Garros an der Spitze der Rekordlisten standen und zeitweise das Sandplatztennis prägten, sind von dem überlebensgroßen French-Open-Beherrscher Nadal in den Hintergrund gedrängt worden. Keiner hat im modernen Tennis einem Turnier seine eigene Kraft und seinen Charakter so aufgedrückt wie Nadal, keiner ist so hartnäckig in seiner Ambition, jedes Jahr sein Tennisparadies am Bois de Bologne wieder als Titelheld verlassen zu wollen. Nadal erfüllt sich seine Träume mit schwerer Arbeit und Leidenschaft, es sind keine Übungen der Leichtigkeit, die er da vorturnt. „Terrien“ nennen die Franzosen einen wie ihn, einen Mann, der so auch namentlich mit der Erde verschmilzt. Der Erde, die sein Element ist. Das Element von Rafael Nadal.(Foto: GEPA pictures/ Matthias Hauer)

Hier die Herren-Ergebnisse der French Open.

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Sonntag
09.06.2013, 16:44 Uhr