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French Open: Alexander Zverev trauert Tiefschlaf-Start nach Halbfinal-Aus hinterher

Den Start verschlafen und am Ende das Momentum nicht ausgenutzt: Alexander Zverev war nach seinem Aus im Halbfinale der French Open schwer enttäuscht.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 12.06.2021, 06:27 Uhr

An das erste Spiel des fünften Satzes wird Alexander Zverev vermutlich noch länger denken. Das Spiel, das ihn wahrscheinlich den Sprung ins French Open-Endspiel kostete - an einem Tag der Achterbahn-Turbulenzen, in einem Drama der irren Drehungen und Wendungen auf dem Roten Platz von Paris. Erst sah Zverev wie der sichere Verlierer im Halbfinalduell mit seinem Generationskollegen Stefanos Tsitsipas aus, dann, nach einem spektakulär wettgemachten 0:2-Satzrückstand wie der potenzielle, mutmaßliche Gewinner. Aber dann kam dieses erste Spiel im fünften Satz, Zverev führte 40:0, hatte drei Breakbälle zu einer 1:0-Führung gegen einen angezählten Gegner. Die Chancen kamen, aber dann gingen sie allesamt auch wieder. 

Zverev: "Wenn du so beginnst, wird es extrem schwer"

Und die verpassten Möglichkeiten leiteten den letzten Umschwung des Roland-Garros-Krimis ein. Zverev lief Tsitsipas hinterher, er verlor seinen Aufschlag zum 1:3, und als nach drei Stunden und 40 Minuten abgerechnet war auf dem Centre Court, war nicht nur Zverevs bittere 3:6, 3:6, 6:4, 6:4, 3:6-Niederlage in den Sand gezeichnet, sondern auch seine dunkle Grand-Slam-Serie gegen kapitale Tennisgegner fortgeschrieben.

Zverevs zehnte Major-Partie gegen einen Top Ten-Rivalen endete so wie alle zuvor – mit einer Niederlage, mit Enttäuschung und Grimm. Der Hamburger trauerte vor allem seinem Tiefschlaf-Start hinterher: „Wenn du ein solches Matches so beginnst, dann wird es extrem schwer. Dann ist es eben die eigene Schuld, wenn du verlierst.“ Es sei eine Mischung aus Nervosität und Anspannung gewesen: „Die ersten beiden Sätze waren schlicht Scheiße.“ 

Für Zverev war es zugleich das erste Scheitern in einem French-Open-Match über fünf Sätze, zuvor hatte er alle Marathonduelle gewonnen, allerdings gegen nicht so namhafte und spielstarke Mitbewerber wie Tsitsipas. Der Grieche hatte nun die Herkulesaufgabe vor sich, einen der beiden Tennisgiganten vom Stockel zu stoßen – entweder Sandplatz-König Rafael Nadal, den 13-malige Turniergewinner, oder den einsamen Weltranglisten-Spitzenreiter Novak Djokovic. „Mein Traum als Kind war es immer, in Roland Garros zu spielen. Jetzt stehe ich im Endspiel. Es ist unfassbar“, sagte der zu Tränen gerührte Tsitsipas noch auf dem Centre Court in einem Blitzinterview.

Boris Becker: "Viel Nervosität"

Zverev hätte als erster Deutscher seit Michael Stich 1996 ins Pariser Pokalmatch einziehen können. Viel fehlte nicht daran, aber Tsitsipas war letztlich der verdiente Gewinner in einer Partie, die erst spät auf Touren kam, eigentlich erst so richtig in den Aufregungen des fünften Satzes – mit zwei erschöpften, aber leidenschaftlich fightenden Gladiatoren, die noch einmal alles für den Sieg gaben.

Zverev wie Tsitsipas hatten da bereits einige glanzvolle Momente, aber auch herbe Rückschläge hinter sich. Der Deutsche hatte den Auftakt des wichtigsten Spiels dieser Saison komplett verschlafen, in den beiden Eröffnungssätzen wirkte er matt, planlos und zuweilen konfus. Tsitsipas verlor nach der klaren Führung seinerseits die Kontrolle, wirkte fahrig und blass gegen den plötzlich auflebenden Zverev. „Beide spielen nicht zugleich auf höchstem Niveau. Da steckt viel Nervosität in der Partie“, befand TV-Experte Boris Becker.

Tsitsipas packt im fünften Satz zu

Warum Tsitsipas in diesem Jahr der Spieler mit den meisten Siegen und der stärksten Bilanz in der Spezialdisziplin Sand (noch vor Nadal), zeigte der 22-jährige in dem Moment, in dem man ihn gerade abzuschreiben begann. Tsitsipas wehrte die drei Breakbälle zu Beginn des fünften Satzes nicht mit Glück oder Zufälligkeiten ab, sondern mit zupackender Attitüde, mit viel Selbstbewusstsein und Mumm. Und anschließend nutzte er selbst die ersten Gelegenheiten, um Zverev wirksam zu attackieren, ihm die Regiegewalt zu entreißen. Auch vier vergebene Matchbälle bei einer 5:2-Führung, die Zverev teils herausragend abwehrte, brachten Tsitsipas nicht aus dem Gleichgewicht.

Beim letzten Aufschlagspiel zum 6:3 gab sich der Grieche keine Blöße und stellte seinen bisher größten Erfolg sicher – den Einzug ins erste Grand-Slam-Finale der Karriere. Tsitsipas ist nun der jüngste Grand-Slam-Finalist seit Andy Murray 2011 bei den Australian Open. Doch die schönste und gleichermaßen schwerste Aufgabe wartet noch auf den Weltranglisten-Fünften, der Auftritt im Endspiel gegen Nadal oder Djokovic. „Ich werde versuchen, das vielleicht Unmögliche möglich zu machen“, sagte Tsitsipas. Ein Wiedersehen mit Zverev kann es im übrigen schon nächste Woche geben: Dann starten beide Spieler beim ATP-Turnier in Halle.

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von Jörg Allmeroth

Samstag
12.06.2021, 09:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 12.06.2021, 06:27 Uhr

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