Alexander Zverev und David Ferrer - Ein seltsames Pärchen

Alexander Zverev hat die Tennisgemeinde während der Corona-Zeit stets unterhalten. Die jüngsten beiden Volten des besten deutschen Tennisspielers: die Absage für die Schaukämpfe in Berlin und die angestrebte Kooperation mit David Ferrer.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 09.07.2020, 11:30 Uhr

Ein Paar mit Zukunft? David Ferrer und Alexander Zverev
© GEPA Pictures
Ein Paar mit Zukunft? David Ferrer und Alexander Zverev

Es ist ein erstaunliches Pärchen, das sich dieser Tage in Monte Carlo für einen beruflichen Probelauf zusammengefunden hat. Da wäre Alexander Zverev (23), der gerade vielgescholtene Tennis-Weltklassespieler. Ein junger Mann, der bekannt ist für sein großes Talent, aber auch für seine Launenhaftigkeit und Labilität. Für Disziplinprobleme, für Berg- und Talfahrten in einer schwankungsreichen Karriere. Und, aktuell, für heftige Ausrutscher in der Corona-Krise. Und dann wäre da David Ferrer (38), ein jüngst in den Ruhestand getretener Vagabund des Wanderzirkus. Einer, der für fast alles steht, wofür Zverev nicht steht. Für konsequente Hingabe an seinen Sport, für bemerkenswerte Stetigkeit über viele Jahre auf der Tennistour, für respektvolles Verhalten gegenüber jedem in seinem Arbeitsumfeld. Der ehemalige Weltranglisten-Dritte: Ein Traditionalist, ein Vertreter der alten Schule.

An diesem Wochenende sollte Zverev eigentlich bei einem Schauturnier in Berlin aufkreuzen, er wäre neben dem Österreicher Dominic Thiem in der Hauptrolle gewesen bei dem prominent besetzten Wettbewerb, der teilweise im Steffi-Graf-Stadion am Hundekehlesee ausgetragen wird. Am Mittwoch teilte er den Veranstaltern dann jedoch mit, er wolle vorerst an keinem „organisierten Event“ teilnehmen, sich stattdessen auf die zweiwöchige Arbeit mit seinem Teilzeit-Partner Ferrer konzentrieren und müsse deshalb absagen. Zverevs Gastspiel wäre aus eigenem Verschulden, nach all den Skandalen und Eskapaden rund um Partys bei der Adria-Tour und später in seiner Wahlheimat Monaco, ohnehin eher zum Spießrutenlaufen geworden. 

Kyrgios konstatiert "idiotisches Verhalten"

Nach seiner sportlichen Form oder Personalien in seinem Team wäre er wohl kaum gefragt worden, eher schon nach der Verantwortungslosigkeit, die auch sein Tun und Handeln zuletzt prägte. Zverev war gerade noch einmal mitten in einer Feiergesellschaft am Mittelmeer gesehen worden – was kein schöner Anblick war für jemanden, der hoch und heilig versichert hatte, er werde sich nach dem Party-Desaster bei Djokovics Spaßevent in eine selbstauferlegte Quarantäne zurückziehen. Selbst Australiens Oberflegel Nick Kyrgios konnte Zverev plötzlich aus gutem Grund die Leviten lesen und über „idiotisches Verhalten“ herziehen.

Djokovic, der gescheiterte Gastgeber, war in der spielfreien Zeit der Pandemie zweifellos der größte Verlierer. Wie und ob er sich von dem Desaster erholen wird, wie Fans auf die Rückkehr des Serben in den Tennisbetrieb irgendwann reagieren, bleibt abzuwarten. Zverev, der junge Deutsche, wird es allerdings ähnlich schwer haben. Er hatte schon vor der großen Gesundheitskrise genügend mit Imageproblemen zu kämpfen, auch und gerade in Deutschland. Die Pause für die sonst ewig rollende Tennis-Maschinerie kam für ihn freilich zur Unzeit, inzwischen hat man schon fast wieder vergessen, dass der 23-jährige Hamburger im Januar seinen größten Karriere-Erfolg erlebte. Bei den Australian Open in Melbourne scheiterte Zverev erst im Halbfinale knapp am Kumpel Thiem, nach 1:1-Satzgleichstand verlor er die Durchgänge 3 und 4 jeweils im Tie-Break. Die meiste Zeit im Stillstand der Tour verbrachte Zverev danach in Florida, er trainierte dort mit seinem angestammten Serviceteam.

Neue Inhalte zur Person Zverev

Dass Zverev in den Irrungen und Wirrungen der Corona-Ära zuletzt so schlecht oder gar nicht beraten war, zählte zu den bitteren Überraschungen der Krise. Immerhin ist Zverev Klient der Agentur Team 8, die einst von Roger Federer und seinem Manager Tony Godsick gegründet worden war. Auch mit Godsicks Hilfe sollte Zverev zu mehr Stabilität und Souveränität finden und störungsfrei an seinem Tennis-Aufschwung arbeiten. Nun aber haben sich erst einmal die eher selbstsüchtigen Bilder von Zverev, und nicht nur von ihm, bei den ersten Tennis-Lockerungsübungen ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Der Deutsche, seit frühester Juniorenzeit als kommende Nummer 1 der Branche gehandelt, steht wieder unter äußerst kritischer Beobachtung – auf und neben dem Centre Court.

Das Projekt einer Arbeitspartnerschaft mit Ferrer, dem spanischen Laufwunder vergangener Tage, wirkt beinahe wie ein Versuch, jetzt neue Inhalte zur Person Zverev zu schaffen. Schon einmal hatte es Zverev ja mit einem aus der spanischen Tennis-Armada probiert, vom Frühling 2017 bis zum Saisonbeginn 2018 war Juan Carlos Ferrero an der Seite des Hamburgers. Aber es paßte nur wenig zusammen in dieser Liasion, Zverev klagte später, der frühere Weltranglisten-Erste Ferrero habe einen „ruhigen, blancierten Kerl“ aus ihm machen wollen: „Der aber war ich nie. Und werde ich nie sein.“ Ferrero warf Zverev seinerseits vor, stets unpünktlich und überhaupt respektlos gewesen zu sein. „Hochwertiges Training“ sei nie möglich gewesen, stets habe es Ablenkungen gegeben, „Social Media, Anrufe, Freunde, die auftauchten.“ Jüngere Spieler wie Zverev hätten ein Mentalitätsproblem: „Viel Geld zu verdienen, wenn man jung ist, kann einen schwindelig machen.“

Und nun also Ferrer, der Marathon-Mann, der in jedem Match buchstäblich bis zum Umfallen kämpfte. Dass der wackere Fighter mehr Einfluss auf Zverevs Spiel und Verhalten  gewinnen könnte als Ferrero oder auch Großmeister Ivan Lendl, erscheint wenig plausibel. Zwei Wochen wollen Zverev und Ferrer testen, ob die gemeinsame Zukunft etwas Gewinnbringendes verheißen könnte. Vielleicht bleibt das Ganze aber auch nur ein kleines Ablenkungsmanöver nach dem großen, sportfremden Schlagzeilengewitter dieses Corona-Sommers. 

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Donnerstag
09.07.2020, 14:00 Uhr
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