Alexander Zverevs Machtdemonstration vor den US Open - Der Goldjunge siegt weiter
Nach seiner Machtdemonstration in Cincinnati geht Alexander Zverev als erster Herausforderer von Novak Djokovic in die US Open.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
23.08.2021, 12:52 Uhr

Auf den Tennisplätzen des Wanderzirkus ist Alexander Zverev sr. nicht nur für sein grimmiges Pokergesicht in der Hitze des Kampfes bekannt. Wann immer der Trainervater eine Siegerehrung seines Sohnes Alexander miterlebt, übermannen den 61-jährigen ehemaligen Spitzenspieler schwerstens die Gefühle, der Patriarch des Familienunternehmens ist sehr am Wasser gebaut in diesen Momenten. Auch am Sonntagnachmittag konnte der Papa die Freudentränen nicht zurückhalten, als der nächste Coup seines jüngsten Kindes perfekt war – der erste Masters-Titel in Cincinnati nach einem souveränen 6:2, 6:3-Finaldurchmarsch gegen den Moskowiter Andrey Rublev, der fünfte Masters-Sieg überhaupt, das nächste dicke Ausrufezeichen nach dem Gewinn der olympischen Goldmedaille in diesem spektakulären Sommer. „Bitte hör´ auf zu weinen“, rief Alexander jr. schließlich Alexander sr. während der Zeremonien mit einem dezenten Lächeln zu, „Herrgott noch mal.“
Eine Woche vor den US Open, dem traditionell letzten Grand Slam-Turnier des Profitennis, hat sich Zverev machtvoll in die Position des zweiten großen Siegkandidaten aufgeschwungen – neben Ranglisten-Spitzenreiter Novak Djokovic, der im Big Apple dem Traum vom echten Grand Slam nachjagt, dem Triumph bei allen vier Majors in einem Kalenderjahr. Als Zverev am vergangenen Mittwoch zu seinem Auftaktspiel beim Masters-Spektakel in Cincinnati antrat, hatte er noch eine seltsame Statistik mit auf den Platz geschleppt. Sieben Mal war er in den vergangenen Jahren gleich in der Auftaktrunde ausgeschieden, 2020 verlor er im Startmatch noch gegen den schottischen Rekonvaleszenten Andy Murray, damals auf Platz 134 eingestuft. Nun überwand er nicht nur den Fluch des frühen Scheiterns und ging gleich als lächelnder, selbstbewusster Champion aus den Ausscheidungsspielen hervor. Im Finale brauchte er ganze 59 machtvolle Minuten, um sich den Pokal zu sichern. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, so in die US Open zu gehen“, befand Zverev, der mit fünf Masters-Titeln nun bereits mit 24 Jahren auf Augenhöhe mit Boris Becker stand.
Zverevs Sieglauf wies eine verblüffende, geradezu paradoxe Ähnlichkeit mit der Goldmedaillengeschichte von Tokio auf. Bei den Olympischen Spielen hatte der gebürtige Hamburger eine verloren geglaubte Partie im Halbfinale gegen Djokovic gedreht und dann das Endspiel ohne Mühe gegen den Russen Karen Khachanov gewonnen. In Cincinnati bog Zverev das dramatische Halbfinalmatch gegen Rivale Stefanos Tsitsipas nach 1:4-Defizit im dritten Satz und einer schweren Magenverstimmung noch wie ein Entfesselungskünstler um, ehe er das Finale geradezu spielerisch leicht gegen seinen Jugendfreund Rublev dominierte. Mit der kleinen Serie von elf gewonnenen Spielen reiste Zverev jetzt nach New York – an einen Schauplatz, an dem er im Vorjahr auf fast traumatische Weise noch seinen ersten Grand Slam-Titel verspielt hatte. Nach einer 2:0-Satzführung und auch einem 5:3-Vorsprung im fünften Akt verlor Zverev das Pokalduell gegen Österreichs Ass Dominic Thiem.
Viel Prominenz wird bei den Offenen Amerikanischen Meisterschaften des Jahres 2021 fehlen, der verletzte Titelverteidiger Thiem gehört dazu. Auch zwei der prägenden Tennis-Figuren der beiden letzten Jahrzehnte sind nicht am Start. Maestro Roger Federer und Matador Rafael Nadal - der Schweizer am Knie verletzt, der Spanier am Fuß. Zverev als formstärkster Spieler der letzten Wochen ist nun der natürliche und gewichtigste Herausforderer von Djokovic, der Mann, den es neben der Nummer eins erst mal zu schlagen gilt. Als neue Nummer vier der Weltrangliste könnte Zverev frühestens im Halbfinale, eventuell aber auch erst im Endspiel auf Djokovic treffen. „So weit vorausblicken, das lohnt sich überhaupt nicht“, meinte Zverev nach seinem Sieg in Cincinnati, dort, wo der Deutsche erstmals seit Wimbledon wieder vor einer größeren Anzahl Zuschauer auftreten konnte. Und wo er seinen Bruder und Manager Mischa schließlich auch nicht vergaß in den Feiermomenten nach dem Sieg: „Glückwunsch zum Geburtstag“, rief er dem in Deutschland weilenden Bruder via TV zu, „das wollen wir mal nicht vergessen".