Am Ziel seiner Träume - Daniil Medvedev wird die Nummer eins

Am kommenden Montag wird Daniil Medvedev Novak Djokovic an Position eins der ATP-Weltrangliste ablösen. Der Russe hat damit fast alle Ziele in seiner Tenniskarriere erreicht.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 26.02.2022, 09:02 Uhr

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Daniil Medvedev bei den US Open 2021
© Getty Images
Daniil Medvedev bei den US Open 2021

Es hätte ein schöner und makelloser Tag sein können für Daniil Medvedev. Der Tag, an dem die Dominanz der Großen Vier im Tennis erst einmal beendet war. Der Tag, an dem sicher war, dass er selbst die Nummer eins-Position in der Weltrangliste in Kürze übernehmen würde.

Doch freuen konnte sich Medvedev, der 26-jährige Moskowiter, am Donnerstagabend im mexikanischen Acapulco nicht - ausdruckslos und fast verstört blickte er in die Kameras, als er zu seinen widersprüchlichen Gefühlen und zum russischen Einmarsch in die Ukraine sagte: „Hier in Mexiko aufzuwachen und die Nachrichten zu sehen, das war nicht einfach.“ Als sportlicher Weltreisender sehe er sich immer auch als Botschafter des Friedens, so Medvedev, „und da ist es nicht leicht, diese Neuigkeiten zu sehen und zu hören. Das ist ein Augenblick, wo Tennis nicht so wichtig ist.“ 

Medvedevs überschatteter Sprung an die Spitze der Weltrangliste, der von der Achtelfinal-Niederlage Novak Djokovics (34) in Dubai begünstigt wurde und nun am kommenden Montag in Kraft tritt, ist dennoch eine Zäsur für das Spitzentennis. Denn zum ersten Mal seit dem Jahr 2004 steht ein Akteur auf dem Gipfelplatz, der nicht Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic oder Andy Murray heißt. Medvedev gilt vielen in der Branche dabei als Überraschungsmann, Spieler wie Alexander Zverev oder Stefanos Tsitsipas wurden lange Zeit eher als potentielle Nummer eins-Kandidaten gehandelt.

Doch anders als Medvedev fehlte beispielsweise Zverev jene mentale Stabilität und sportliche Konstanz, um schon in jüngeren Jahren die ganz großen Ambitionen zu verwirklichen. Fast symptomatisch wirkte es, dass Zverev beim Turnier in Acapulco wegen eines katastrophalen Black-Outs disqualifiziert wurde – und Konkurrent Medvedev nun bei jenem Wettbewerb als sportlicher Frontmann aufschien.

Nadal könnte um die Nummer eins mitmischen

Ob Medvedev sich längere Zeit an der Spitze halten kann, wird sich zeigen. Am wahrscheinlichsten dürfte ein Ringen mit dem jetzt abgelösten Djokovic um Platz eins sein, auch Nadal, der Australian-Open-Champion, könnte noch eine Rolle in dieser Auseinandersetzung auf den Centre Courts spielen. Federers Karriereperspektive im hohen Profialter erscheint gegenwärtig ungewiss. Ob er nach seinen beiden Knieoperationen überhaupt noch einmal auf die großen Bühnen zurückkehren wird, bleibt zweifelhaft. 2022 könnte so oder so seine letzte Saison sein. Murray ist als Bewerber um große Titel oder gar Platz 1 in der Rangliste schon vor längerem ausgeschieden, er kämpft sich nach mehreren Operationen und dem Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks eher mühsam durch die Spielserien.

Medvedev war einem größeren Publikum erstmals 2019 bei den US Open aufgefallen, als er sich bis ins Finale des schillerndsten aller Grand-Slam-Turniere vorspielte. Zwei Jahre später schaffte er dort in New York auch seinen bis dato spektakulärsten Triumph – mit dem Endspielsieg über Novak Djokovic, der damit auch seinen Traum vom Titelgewinn bei allen vier Majors in einem Kalenderjahr nicht verwirklichen konnte. Djokovic, in Dubai am Donnerstag gegen den krassen Außenseiter Jiri Vesely (Tschechien) im Achtelfinale ausgeschieden, war nun auch der erste Gratulant für den acht Jahre jüngeren Rivalen: „Keine Frage, er hat sich das verdient.“ Medvedev ist nach Yevgeny Kafelnikov und Marat Safin der dritte russische Spieler auf dem Spitzenplatz.

Die Nummer eins zu werden, sei „von Kindheit an“ sein ganz großes Ziel gewesen, sagte Medvedev später in Acapulco an diesem denkwürdigen, letztlich freudlosen Tag, „ich hätte mir andere Umstände für diesen Moment gewünscht. Es war schwer, überhaupt heute ein Match zu bestreiten.“ Und dann erinnerte Medvedev noch daran, wie selbstverständlich das Zusammenleben auf der globalen Tennistour sei – fernab von Krieg, Leid und Trauer. Letzte Woche habe sein Freund Andrey Rublev noch in Marseille mit seinem ukrainischen Freund Denis Molchanov das Doppelturnier gewonnen: „Und das war großartig, weil die Menschen zusammenhalten müssen.“

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von Jörg Allmeroth

Samstag
26.02.2022, 12:27 Uhr
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