Mit zwei Schlägen zum Punktgewinn
Mit ihrer Aufschlag-Vorhand-Strategie bekommt Kerber schnelle Punkte in engen Situationen. Wir erklären, worauf es dabei ankommt und wie man sich dagegen wehrt.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
03.05.2013, 12:16 Uhr

Von Stefan Leyh
Nicht immer müssen die Punkte im Tennis in hart umkämpften Rallys erarbeitet werden. Manchmal genügen bereits zwei Schläge, um die Gegnerin oder den Gegner auszumänovrieren. Ein Paradebeispiel für solche Zwei-Schlag-Kombinationen ist Angelique Kerber. Die Weltranglisten-Sechste versteht es, ihre Gegnerinnen mit ihrem Slice-Aufschlag von der Vorteilsseite zunächst aus dem Feld zu treiben, um sie anschließend mit ihrer starken Vorhand-Longline laufen zu lassen. Worauf kommt es bei dieser Strategie hauptsächlich an? Und welche Optionen haben die Gegnerinnen, um einen schnellen Punktgewinn der Deutschen zu vereiteln?
Der Schlüssel für Kerbers Erfolg mit ihrer Zwei-Schlag-Strategie liegt in der Platzierung ihres Aufschlags. Ist das Service zu kurz, kann ihre Gegnerin sie mit einem Longline-Return verletzen. Gut platziert ist dies hingegen äußerst unwahrscheinlich. Der Treffpunkt der Return-Spielerin liegt dann außerhalb des Doppelkorridors. Der Ball bewegt sich während der Schlagbewegung weiterhin von ihr weg, sodass die kluge Entscheidung nur lauten kann, cross-court zu returnieren.
Der zweite wichtige Punkt für das Verständnis von Kerbers Strategie betrifft die Herangehensweise an die nun folgende Vorhand. Die Deutsche nimmt den Ball im Aufsteigen, was an dem oft tiefen Treffpunkt im Bereich der Hüfte zu erkennen ist. Daneben sind ihre Knie deutlich sichtbar gebeugt. Anstatt also den Ball zusätzlich zu beschleunigen, nimmt sie das Tempo des Returns einfach mit. Ihr Augenmerk liegt hauptsächlich darauf, den Ball in den offenen Court umzulenken.
Es spielt keine Rolle, dass diese Taktik vorhersehbar ist. Kerbers Gegnerinnen wissen, dass sie häufig dazu greift, sie bringen sich sogar schon vor dem Punkt dafür in Position, indem sie etwas weiter links auf den Aufschlag warten. Solange die Deutsche ihr Service lang und mit genügend Slice spielt, sind sie immer zu einem schwierigen Return gezwungen. Die folgende Grafik verdeutlicht, welche Optionen es für Kerbers Gegnerinnen gibt. Wir wollen sie uns eine nach der anderen anschauen.
Die erste Möglichkeit bestünde darin, den Return longline zu spielen. Dies ist eine riskante Strategie, nicht nur hinsichtlich der Schwierigkeit des Schlags, sondern auch in Bezug auf die Platzabdeckung. Gelingt es der Return-Spielerin nicht, den Punkt mit einem Return-Winner zu beenden, ist sie für den nächsten Schlag außer Position. Kerber könnte den Punkt mit einer Rückhand cross-court sofort für sich entscheiden. Deshalb werden kluge Spielerinnen nur dann longline returnieren, wenn Kerbers Aufschlag etwas kürzer oder mittiger ausfällt. Das ist in der Regel eher beim zweiten Service der Fall.
Etwas sicherer wäre schon die zweite Möglichkeit. Hier erhöht die Return-Spielerin ihre Fehlertoleranz, indem sie etwas weiter von der Seitenlinie wegbleibt. Auch die Distanz, die sie nach dem Schlag zum Abdecken des Platzes zurücklegen muss, ist im Vergleich zur ersten Variante etwas geringer. Der Charme dieser Variante besteht aber vor allem darin, dass Kerber eine Rückhand spielen muss, sofern der Return nicht allzu kurz ausfällt. Mit der Rückhand fällt es ihr möglicherweise schwerer, die Ecke auf der anderen Seite des Platzes akkurat anzuspielen.
Die dritte Möglichkeit ist zweifelsfrei die sicherste. Möchte Kerbers Gegnerin das Risiko eines Returnfehlers minimieren, sollte sie cross-court spielen. Der Fokus muss in diesem Fall aber darauf liegen, den Ball früh zu nehmen und ihn lang zu platzieren. Nur dann gerät Kerber in Zeit- und Raumnot, unter der es für sie erheblich schwerer wird, den Longline-Schlag abzurufen. Im Falle eines zu kurzen Balles hat die Deutsche genügend Zeit, sich zum Ziel auszurichten und den Schlag durchzuführen.
Schließlich gibt es noch die Option, einen Winkel zu spielen, sodass sich der Ball nach dem Aufprallen schnell aus dem Platz hinaus bewegt. Begünstigend für diesen Return ist die Position von Kerbers Gegnerin. Da der Aufschlag sie weit nach außen getrieben hat, hat sich der Platz für einen Winkel geöffnet. Die Distanz, welche die Return-Spielerin nach dem Schlag für eine optimale Platzabdeckung zurücklegen muss, ist bei dieser Lösung am geringsten. Allerdings könnte Kerber in der Folge mit einem ebenso guten Winkel kontern und ihre Gegnerin damit auf dem falschen Fuß erwischen.
Fazit:
Es gilt also abzuwägen, welcher Return der richtige ist. Die Risikobereitschaft der Return-Spielerin und die Qualität ihrer Beinarbeit sind die beiden wesentlichsten Faktoren, die ihre Entscheidung beeinflussen sollten. Umgekehrt lässt sich schlussfolgern, dass es lohnend sein kann, an einem guten Slice-Aufschlag und einer sichereren Vorhand longline zu arbeiten. Für Linkshänder wie Angelique Kerber bewährt sich diese Kombination auf der Vorteilsseite, Rechtshänder können von der Einstandseite ihren Nutzen daraus ziehen.(Foto: Porsche Tennis Grand Prix)
