"Der Weltranglistenstand ist auch Verpflichtung"

Die 18-Jährige spricht im Interview über ihr starkes Jahr 2012, die neue Saison und den Fed Cup.

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 30.12.2012, 19:03 Uhr

Von Christian Albrecht Barschel

Annika Beck war neben Angelique Kerber die deutsche Aufsteigerin im Jahr 2012. Die 18-Jährige ist derzeit die jüngste Spielerin in den Top 100. Beck gewann 2012 die Juniorinnen-Konkurrenz bei den French Open und sechs Turniere auf der ITF-Tour. Ihr starkes Jahr krönte die Bonnerin mit dem Titelgewinn bei den Deutschen Meisterschafen.

Frau Beck, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Hätte es überhaupt einen besseren Jahresabschluss geben können?

Die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen, war natürlich der perfekte Abschluss einer sehr guten Saison!

Welchen Stellenwert hat für Sie der DM-Titel im Vergleich zum French-Open-Sieg bei den Juniorinnen?

Die French-Open-Juniors zu gewinnen, ist ein sehr hoher Sieg, er ist international sichtbar. Das zählt sehr viel. Aber es ist auch sehr ehrenvoll, zur Reihe der deutschen Meisterinnen zu gehören.

Sie haben dieses Jahr zudem sechs ITF-Titel errungen, Ihre ersten Spiele auf der WTA-Tour gewonnen, standen in Wimbledon zum ersten Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers und haben die Top 100 geknackt. Gibt es eine Leistung, auf die Sie ganz besonders stolz sind?

Es gab mehrere sehr schöne Siege: natürlich die French-Open-Juniors, aber auch die Wimbledon-Qualifikation und der Einzug ins Hauptfeld auf dem "heiligen Rasen".

Sie sind derzeit die jüngste Spielerin in den Top 100. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist sehr erfreulich, dass die viele Arbeit sich auszahlt, das intensive Training und die vielen Turniere. Der Weltranglistenstand ist natürlich auch Verpflichtung. Ich weiß, dass ich sehr gut spielen muss, um den Rang zu halten und noch besser spielen muss, um weiter nach oben zu steigen.

In der breiten Öffentlichkeit sind Sie noch nicht allzu sehr bekannt. Erzählen Sie mal, wie und wann Sie zum Tennis gekommen sind.

Zum ersten Mal auf einem Tennisplatz stand ich im Alter von fünf Jahren. Ich machte ein "Schnupper-Sommercamp" bei einem Verein in Bonn. Das Tennisspiel hat mir sofort gefallen. Ich machte in meiner Kindheit noch viele andere Sportarten: Ballett, Leichtathletik, Schwimmen. Mit etwa neun Jahren begann ich mich zu fokussieren. Ich gab das Schwimmen, das Ballett und die Leichtathletik nach und nach auf und konzentrierte mich ab etwa elf Jahren nur noch auf Tennis.

Wo sehen Sie Ihre Stärken auf dem Platz?

Ich bin mental stark, habe schnelle Beine und eine gute Vorhand. Meine Stärke im Match ist sicherlich das Konterspiel.

Auf welchem Bodenbelag spielen Sie am liebsten?

Am liebsten auf schnellen Böden, also auf Hardcourt oder Gras.

Sie sind mit 169 cm die kleinste der deutschen Spielerinnen. Stört Sie das?

Nein, ich habe andere Qualitäten, die das ausgleichen. Körperlänge hilft beim Aufschlag und bringt einen gewissen Reichweitenvorteil, das sind aber nur einige wenige Aspekte des Tennisspiels.

Wer gehört zu Ihrem Trainerteam? Wer begleitet Sie auf Reisen?

Ich trainiere seit gut drei Jahren in der Tennisakademie von Robert Orlik. Er ist mein Chefcoach und legt die Trainingsinhalte fest und er begleitet mich auf die großen Turniere. Daneben gibt es noch weitere Coaches in der Tennisakademie wie Neil McAffer oder Jacek Szygowski, die ebenfalls mit mir arbeiten und mich auf Turniere begleiten. Weiterhin braucht es Konditionstraining, Physiotherapie und einen Mentalcoach. Dafür habe ich gut ausgebildete Spezialisten.

2012 war für Sie die erste volle Saison ohne Schulstress. Inwiefern hat sich es bemerkbar gemacht, dass Sie sich voll und ganz aufs Tennis konzentrieren konnten?

Das war schon deutlich zu spüren. Die Schule hat mich bis zum Abitur, das ich im Jahr 2011 abgelegt habe, schon eingespannt, vor allem im letzten Jahr, als die Abiprüfungen näher rückten. Danach konnte ich regelmäßig auch vormittags trainieren. Der Turnierplan konnte festgelegt werden, ohne auf Klassenarbeiten Rücksicht nehmen zu müssen. Es war schon befreiend und sorgte für eine höhere Konzentration. Dennoch mochte ich die Schule und bin glücklich, den Abschluss zu haben.

Sie haben mit 17 Jahren ein Einser-Abitur gemacht. Wollen Sie wie Andrea Petkovic parallel zur Tenniskarriere auch studieren? Oder liegt der Fokus nur auf der Profikarriere?

Jetzt bin ich 18 und noch jung, ich muss noch nicht gleich mit einem Studium beginnen. Ich möchte mich jetzt ganz auf den Sport konzentrieren. Ein Studium aufzunehmen, bleibt immer eine Option. Beides gleichzeitig geht sicher nicht.

Sie gehören zum Porsche-Talentteam. Wie sieht die Förderung und Unterstützung aus?

Wir sind inzwischen fünf junge Spielerinnen, die zum Porsche-Talentteam gehören. Wir erhalten eine finanzielle Förderung, die wir für das Training und die notwendigen Turnierreisen brauchen. Diese Förderung ist sehr wertvoll! Zudem werden wir von der Bundestrainerin Barbara Rittner persönlich betreut. Es gibt Trainingslehrgänge und Konditionstraining.

Es fällt auf, dass sich die meisten deutschen Damen blendend verstehen. Von Zickenkrieg ist kaum etwas zu spüren. Wie kommt es, dass es so harmonisch abläuft?

Wieso? Ist Zickenkrieg denn der Normalfall? Wir Spielerinnen sehen uns immer wieder auf den Turnieren, und selbst wenn wir gegeneinander antreten, muss es keine Verstimmungen geben. Es gibt immer eine Siegerin und eine Verliererin. Das muss man sportlich sehen.

Mit welcher deutschen Spielerin verstehen Sie sich am besten? Haben Sie eine beste Freundin auf der Tour?

Eine beste Freundin habe ich nicht. Ich verstehe mich mit allen gut. Die Spielerinnen des Fed-Cup-Teams lerne ich zudem erst jetzt näher kennen.

Deutschland spielt im Februar im Fed Cup auswärts in Frankreich. Machen Sie sich Hoffnungen, dass Sie zum Kader gehören?

Fed-Cup-Team - das wäre schön! Nein, das Team steht und ist gut besetzt. Aber ich habe sicher Chancen, später dazu zu stoßen.

Deutschland könnte eine goldene Generation im Damentennis bevorstehen. Ist der Fed-Cup-Titel ein Karriereziel von Ihnen?

Zu einer erfolgreichen Profikarriere gehört es dazu, mit der Nationalmannschaft zu spielen, und es wäre natürlich großartig, den Fed Cup zu gewinnen.

Was haben Sie sich für 2013 und generell für Ihre Karriere zum Ziel gesetzt?

Ich möchte mein Spiel weiterentwickeln und mich 2013 auf der WTA-Tour etablieren. Als Fernziel möchte ich zu den Top-10-Spielerinnen gehören.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne im nächsten Jahr über sich lesen?

"Annika Beck gewinnt ihren ersten WTA-Titel".

Das Bild zeigt das Porsche Talentteam mit Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner.

(Fotos: Jürgen Hasenkopf)

Von links: Dinah Pfizenmaier, Carina Witthöft, Anna-Lena Friedsam, Barbara Rittner, Antonia Lottner, Annika Beck

von Christian Albrecht Barschel

Sonntag
30.12.2012, 19:03 Uhr