"Serbien wäre der Jackpot!"

Alex Antonitsch mit einer Vorschau auf die Auslosung der Davis Cup-Weltgruppe 2011 - vom "Jackpot" bis zur "Mission impossible" ist alles möglich.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.09.2010, 11:15 Uhr

"Israel war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in der Weltgruppe 2011 erwarten könnte", sagt tennisnet.com-Herausgeber Alex Antonitsch, "das Publikum war zwar heftig, aber man darf nicht vergessen: keine mysteriösen Fußfehler gegen unser Team, keine krassen Linienrichter-Fehlentscheidungen. Und das ist anderswo an der Tagesordnung."

Mittwoch Vormittag wird in Brüssel die Davis-Cup-Weltgruppe 2011 ausgelost – in der renommierte Tennis-Nationen wie Brasilien, Australien, Schweiz, Italien, Südafrika oder Großbritannien fehlen. Österreich trifft als ungesetzte Nation auf eine der acht gesetzten – was die Ausgangsposition klar macht. Antonitsch: "Sollte nichts Unvorhergesehenes passieren, sind wir gegen keinen der acht Gegner Favorit."

Die erste Runde der Weltgruppe 2011 findet Anfang März statt – am Ende des südamerikanischen Sandplatz-Swing, mitten in der US-Hartplatz-Serie vor den Highlights in Indian Wells und Key Biscayne, nach der kurzen dreiwöchigen Frühjahrs-Hallentournee mit Zagreb, Rotterdam und Marseille.

Hier Alex Antonitschs Analyse der acht möglichen Gegner – "aus heutiger Sicht natürlich", betont Antonitsch. "Das Match findet in einem halben Jahr statt, da kann viel passieren – im Idealfall haben wir dann mit Jürgen Melzer einen Top Ten-Spieler im Einzel und Doppel, mit Oli Marach und Julian Knowle zwei weitere im Doppel und mit Martin Fischer und Andi Haider-Maurer zwei Junge, die sich in den Top 100 festgesetzt haben."

Spanien (auswärts)
letztes Duell 1995 (4:1-Sieg in Wien)
Chancen für Österreich: 10 %
1995 haben wir gegen Spanien zuhause in Wien im Dusika-Stadion auf Hardcourt gewonnen … mit Schaller, Antonitsch und Muster im Team. Tom hat die Einzel gegen Bruguera und Emilio Sanchez gewonnen – und wieso sie im Doppel damals mit Bruguera/Sanchez gekommen sind, weiß ich bis heute noch nicht; ich hab den heutigen Manager von Rafa Nadal im Dead Rubber geschlagen. Spanien auswärts 2011 ... dazu muss man nicht viel sagen. Acht Spieler in den Top 50, die wären gut genug für drei Weltgruppen-Teams. Ein Jürgen Melzer in Sternstunden-Form mit zwei Punkten im Einzel – auswärts auf Sand gegen Nadal plus einen Spieler vom Schlag eines Verdasco, Ferrer, Almagro, Montanes, Lopez, Ferrero, Robredo – und einem im Doppel ... ein österreichischer Sieg wäre eine Welt-Sensation.

Argentinien (auswärts)
letztes Duell 2007 (1:4-Niederlage in Linz)
Chancen für Österreich: 20 %
Eine ganz unangenehme Aufgabe gegen den Semifinalisten dieses Jahres, in jeder Hinsicht. Eine sehr weite Reise, es erwartet uns ein südamerikanisches Publikum, südamerikanische Linienrichter und ein Team mit enormer Leistungsdichte. Sollten del Potro und Nalbandian Anfang März in Top-Form sein, ist das eines der stärksten Teams, auf die man im Davis Cup treffen kann. Aber wenn die beiden ausfallen, sieht's ganz anders aus: Gegen Leute vom Schlag eines Monaco, Chela, Schwank oder Zeballos sehe ich Jürgen mit mindestens ausgeglichenen Chancen – auch auswärts.

Kroatien (auswärts)
letztes Duell 2006 (2:3-Niederlage in Graz)
Chancen für Österreich: 30 %
Vom Publikum her natürlich besonders heftig. Aber vom Sportlichen her könnte man dort schon hinschnuppern: Jürgen hat ja schon bewiesen, dass er Cilic schlagen kann, wie sehr Ljubicic 2011 noch mit voller Power auf der Tour unterwegs ist, ist derzeit noch nicht absehbar. Karlovic dauerverletzt, Ancic mit großen Problemen, und vor einem Dodig, einem Skugor, einem Veic muss sich ein Jürgen Melzer nicht fürchten. Wir wären Außenseiter und hätten gegen ein fittes Team mit Cilic/Ljubicic/Karlovic wohl auch keine Chance in einer pfeilschnellen Halle. Aber wenn die Kroaten Personalprobleme bekommen, ist viel drin.

USA (auswärts)
letztes Duell 2008 (1:4-Niederlage in Wien)
Chancen für Österreich: 30 %
Die "Krise des US-Herrentennis" ist natürlich nur aus US-Sicht eine Krise. Dass kurze Zeit kein Amerikaner in den Top Ten stand, löste eine nationale Tennis-Depression aus. Dass kein Ami im Viertelfinale der US Open stand, war schlimm. Für US-Verhältnisse haben die Amerikaner derzeit keinen Spitzenspieler. Dennoch: Roddick, Fish, Querrey, Isner, das sind vier Leute in den oder knapp an den Top 20, dazu kommt mit den Bryan-Brüdern das beste Doppel der Tennisgeschichte – obwohl die Bryans zuletzt in Kolumbien gar nicht gespielt haben. Ich sage: Jürgen hat es drauf, beide Einzel zu gewinnen. Der Rest ist Hoffen. Die Amerikaner werden 2011 von einem neuen Kapitän angeführt: Patrick McEnroe ist zurück getreten, sein Nachfolger wird wahrscheinlich Jim Courier oder Todd Martin heißen.

Frankreich (daheim)
letztes Duell 2000 (0:5-Niederlage in Rennes)
Chancen für Österreich: 35 %
Why not? Die Franzosen haben natürlich dank ihrer enormen Leistungsdichte an der Spitze für alle Bedingungen Top-Spieler. Von einem Monfils über einen Tsonga, einen Llodra, einen Gasquet, Benneteau, Simon, Chardy … aber keiner von diesen Spielern ist außer Reichweite von Jürgen. Vor allem mit einem gut ausgenützten Heimvorteil wären wir nur relativ knapper Außenseiter.

Russland (daheim)
letztes Duell 1984 (2:3-Niederlage in Jurmala)
Chancen für Österreich: 40 %
Wer in Israel verliert, ist für Österreich nicht unschlagbar – logisch, oder? Wenn Davydenko bis März seine Top-Form wiedergefunden hat, dann könnten die Russen mit zwei Top Ten-Spielern kommen – logisch, dass wir da krasser Außenseiter wären. Aber sobald einer der beiden ausfällt, wird's deutlich einfacher: Gabashvili, Andreev, Kunitsyn rücken dann nach. Sehr starke Leute, aber gegen Jürgen zumal in Österreich alle klare Außenseiter. Und an eiunem guten Tag natürlich in Reichweite unseres zweiten Einzel-Spielers!

Tschechien (daheim)
letztes Duell 1991 (1:4-Niederlage in Prag)
Chancen für Österreich: 55%
Aus meiner Sicht das beste Los, das wir kriegen können – obwohl sie mit Berdych einen Wimbledon-Finalisten im Team haben, obwohl sie heuer erst im Semifinale verloren haben. Aber gegen die Tschechen käme mit Sicherheit dem zweiten Mann große Bedeutung zu: Wie sehr ist Stepanek 2011 noch ein Thema? Und dahinter kommen Hajek, Rosol … das sind Leute, gegen die ein Martin Fischer oder ein Andi Haider-Maurer daheim sogar als leichte Favoriten ins Match gehen.

Serbien (Heimrecht durch Losentscheid)
Unser letztes Duell gegen Jugoslawien fand 1963 statt, auswärts – aber da nur Länderkämpfe ab 1970 herangezogen werden, wird das Heimrecht durch Los entschieden. Und da wird das Los entscheiden, ob uns ein Davis-Cup-Trip vom Heftigsten erwartet oder der – aus meiner Sicht – wirtschaftliche Jackpot für den Verband.

Serbien auswärts? 10 %
Djokovic, Tipsarevic, Troicki, Zimonjic auswärts ist angesichts der derzeitigen serbischen Davis-Cup-Euphorie – 20.000 Zuschauer täglich im Semifinale am vergangenen Wochenende! – eine unglaubliche Mission. Man nehme Österreichs Tennis-Begeisterung 1990 und multipliziere sie mit serbischem Nationalstolz und der Emotionalität eines sportbegeisterten Fans vom Balkan … und dazu würden uns dort wahrscheinlich die fanatischsten Linienrichter der Davis-Cup-Welt erwarten.

Serbien daheim? 30 %
Ein Heimspiel gegen Serbien würde gar nicht soviel mehr Heimvorteil bringen, meine ich – ausgenommen Austragungsort, Linienrichter, Bälle und Bodenbelag. Vom Publikum her erinnere man sich nur an Novak Djokovic' Auftritt in der Wiener Stadthalle, das war damals fast ein Heim-Turnier für ihn. Jürgen müsste Djokovic und den in jedem Fall starken zweiten Serben schlagen – und irgendwie müssten wir einen dritten Punkt machen … schwer, sehr schwer. Aber Serbien zuhause – da müsste man schauen, ob nicht wirklich die Wiener Stadthalle zu bekommen wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre Serbien zuhause für den Verband das Jackpot-Los. Da würde die Kasse klingeln wie gegen keinen anderen Gegner.

(Foto: GEPA pictures / Matthias Hauer, Collage: tennisnet.com)

von tennisnet.com

Dienstag
21.09.2010, 11:15 Uhr