"Unerklärlich und sensationell"

Stefan Koubek, der österreichische Teamchef, im Gespräch mit tennisnet über die Erfolge seines Freunds Roger Federer, die Entwicklung von Dominic Thiem und die Option, mit Nicolas Kicker einen zusätzlichen Spieler für seine Mannschaft zu bekommen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 05.08.2017, 14:47 Uhr

Stefan Koubek in Kitzbühel

tennisnet: Herr Koubek. Roger Federer, Ihr Freund und ehemaliger Kollege, mit dem Sie ja auch in der Schweiz oft trainiert haben, hat in diesem Jahr zwei Grand-Slam-Turniere gewonnen. Besteht denn noch Kontakt zu Roger?

Stefan Koubek: Klar, immer wieder. Manchmal schreiben wir uns, manchmal telefonieren wir, heuer habe ich ihn nach langer Zeit mal wieder in Halle getroffen. Es ist einfach unerklärlich und sensationell, was Roger heuer erreicht hat: sieben Turniere gespielt, davon fünf gewonnen, dabei 6.500 Punkte gemacht. Das ist unfassbar.

tennisnet: Wieso läuft es denn so gut im Spiel von Roger Federer?

Koubek: Ich glaube schon, dass Ivan Ljubicic da einen großen Einfluss hat. Roger diskutiert sehr viel mit seinen Trainern, und aus diesen Diskussionen wird dann ein Plan geschmiedet. Es offensichtlich, dass bei der Rückhand mehr Tempo drauf ist. Er geht mehr in den Ball rein, das war sicher eine Sache, an der er gearbeitet hat. Und das ist ja das Beeindruckende an Roger: Egal, wie gut er ist, er versucht nach wie vor, an sich zu arbeiten und noch besser zu werden. Was ja echt schon schwierig ist bei ihm. Aber das macht halt einen Sportler wie Roger aus. Dass er immer an sich arbeitet, immer an sich glaubt. Solange er sich gut fühlt, werden wir ihn auf dem Tennisplatz sehen.

tennisnet: Ihr Topspieler, Dominic Thiem, ist in diesem Jahr nicht in Kitzbühel. Ist die Weiterentwicklung, die Dominic während der letzten Monate genommen hat, diese Konstanz auf höchstem Level, für Sie vorhersehbar gewesen?

Koubek: Ich bewerte die Entwicklung von Dominic als sensationell. Es ist schön, dass wir in Österreich wieder so einen Tennisspieler haben. Nicht nur vom sportlichen, sondern auch vom menschlichen Aspekt her. Dominic ist völlig normal geblieben, ist immer noch lustig drauf und nicht abgehoben. Es ist von Jahr zu Jahr konstanter geworden. Anders geht es auch nicht, dass man in den Top Ten steht. Im letzten Jahr hat er noch ein Monsterprogramm gehabt, deshalb ist die zweite Saisonhälfte nicht so gelaufen, wie er wollte. Ich glaube, dass er daraus gelernt hat, und das die kommenden Monate deshalb anders verlaufen werden.

tennisnet: Dominic Thiem wird im Playoff-Spiel gegen Rumänien in Wels voraussichtlich im österreichischen Team stehen. Er hat hier in Kitzbühel vor zwei Jahren gegen die Niederlande gespielt, dabei aber nicht überzeugt. Was macht den Davis Cup so schwierig?

Koubek: Vom jetzigen Stand her gesehen stimmt das. Vor zwei Jahren ist Dominic noch nicht dort gewesen, wo er jetzt ist. Aber auf einem guten Weg. Er hat ja gleich nach dem Davis Cup zwei Turniere gewonnen. Davis Cup ist einfach etwas anderes: Man spielt für sein Team, man spielt für sein Land. Man ist normalerweise etwas anders angespannt. Auf der einen Seite kann einen das beflügeln, andererseits aber natürlich nervös machen. Und der Dominic ist jetzt in einer Situation, wo er damit gut umgehen kann. Das hat er in Portugal gezeigt. da ist er mit Jetlag gekommen, ist spät angereist, war eigentlich komplett fertig - und hat in drei Tagen 13 Sätze gespielt. Da ist er jeden Tag zum Frühstück gekommen, hat gesagt, ihm gehe es gut. Da hat man schon gesehen, dass er körperlich in einer ganz anderen Verfassung ist.

tennisnet: Dominic Thiem steht am Beginn seiner Davis-Cup-Karriere, jene von Jürgen Melzer neigt sich dem Ende zu. Was hat Jürgen dem Team während der letzten Jahre mitgegeben?

Koubek: Jürgen war Top Ten im Einzel und im Doppel, ist seit einer Ewigkeit dabei, hat immer für Österreich gespielt. Er ist ein Patriot durch und durch. Das kann er mitbringen, das kann er auch weitergeben. Wenn er fit und ready ist, hat man als Davis-Cup-Kapitän also immer einen Mann, den man einsetzen kann, egal wann und wo. Und man weiß, er wird sich den Hintern aufreißen bis zum Ende und versuchen zu gewinnen. Das ist in einem Team natürlich Gold wert. Im Moment hat er leider eine Verletzung. von der er selbst nicht genau weiß, wie lange der Heilungsprozess dauern wird.

tennisnet: Mit Sebastian Ofner gibt es plötzlich eine neue Option.

Koubek: Das ist sehr angenehm. Sebastian drängt sich richtig auf im Team. Er war die letzten Male mit dabei und ist einer, der wirklich die richtige Einstellung mitbringt. Der will Tennis spielen, der tut alles dafür, und zur Zeit erntet er die Lorbeeren.

tennisnet: Die Vorhand von Ofner hat sich während der letzten Monate stark verbessert. Wie ist so etwas aus Ihrer Sicht bei einem eigentlich schon fertigen Spieler möglich?

Koubek: Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das geht. Denn Sebastian trainiert ja in der Südstadt in der Bresnik Academy. Und ich weiß, wie da trainiert wird. Da hat Sebastian in den letzten Jahren sicherlich viele tausend Vorhandbälle gespielt, es geht einfach nur über Wiederholungen. Und mit den richtigen Trainern, die diszipliniert an einer Sache arbeiten. Und die dem Spieler auch erklären, warum etwas gemacht wird. Sebastian nimmt das sehr gut an. Seine Vorhand ist immer noch nicht seine Stärke, aber die hat sich extrem verbessert.

tennisnet: Ist Sebastian Ofner wirklich so ruhig, wie er nach außen hin scheint? Oder brodelt er innerlich, und wir sehen es nur nicht?

Koubek: So, wie ich ihn kenne, ist Sebastian eher der ruhige Typ, der gerne zuhört und nicht selbst viel erzählen muss.

tennisnet: Eine unerwartete Option könnte sich mit Nicolas Kicker auftun, der ja kürzlich einen österreichischen Pass bekommen hat. Und durchaus Interesse an Davis-Cup-Auftritten für Österreich geäußert hat.

Koubek: Ist sehr interessant, weil Kicker ein junger, sehr guter Spieler ist. Nichtsdestotrotz halte ich es aber eher mit den Spielern, die in den letzten Jahren für uns gespielt haben, immer da waren, die bei uns groß geworden sind. Dennoch ist Kicker für die Zukunft eine Option, denn wenn man weiterkommen, in der Weltgruppe eine Runde gewinnen möchte, muss man irgendwann mal auf das Ranking und die Erfolge schauen. Und da drängt sich so ein Spieler natürlich auf. Wir werden sicherlich mit ihm Kontakt aufnehmen, auch um herauszufinden, warum er denn den österreichischen Pass beantragt hat. Und ob er überhaupt für uns spielen möchte. Weil die Argentinier wollen das ja vielleicht auch von ihm.

tennisnet: Gibt es persönliche Erfahrungen?

Koubek: Ich kenne Kicker nicht persönlich, aber er kommt sehr sympathisch rüber. Markus Hipfl hat mir erzählt, dass Kicker nach seiner Niederlage in Hamburg noch einmal Philipp Kohlschreiber gratuliert hat. Solche Spieler sind in einem Team natürlich immer gerne gesehen. Im Moment haben wir ja Sebastian Ofner und Gerald Melzer, der sich auch immer zur Verfügung gestellt hat. Und der Unterschied im Ranking ist nicht so groß. Wenn aber Kicker um die 30 stünde und Dominic in den Top Ten, dann müsste man sich das sicher noch genauer überlegen.

tennisnet: Wie sieht Ihre Philosophie hinsichtlich der Mannschaftsaufstellung aus? Wird auf jeden Fall ein Doppelspieler gegen Rumänien dabei sein?

Koubek: Es ist schon fix, dass ein Doppelspieler dabei sein wird, und das wird aller Voraussicht nach Oliver Marach sein. da die Rumänen ein sehr starkes Doppel haben, kann man nicht alles auf das Doppel setzen. Aber mit Olli als Doppelspezialist, der ja auch ein guter Einzelspieler ist, bestünde eine gute Chance, dass Dominic auch Doppel spielen könnte. Aber da muss man natürlich noch abwarten.

tennisnet: Im großen Bogen noch einmal zurück zur augenblicklichen Situation im Welttennis, wo hinter den beiden Dominatoren der letzten Jahre, Andy Murray und Novak Djokovic, große Fragezeichen stehen. Wie bewerten Sie die Lage?

Koubek: Im Moment drängt sich einfach Roger Federer wieder auf. Ich bin ja nicht nur Freund, sondern auch Fan. Und mir gefällt es einfach, dass er allen Leuten, die ihn abgeschrieben haben, jetzt noch einmal zeigt, was in ihm steckt. Mich würde nichts mehr freuen, als wenn Roger noch einmal die Nummer eins wird. Und vielleicht auch die US Open gewinnt.

von Jens Huiber

Samstag
05.08.2017, 14:47 Uhr