Norbert Peick - "Die beste Werbung der letzten 15 Jahre"

Norbert Peick begleitet den Tennissport seit Jahrzehnten als Offizieller - und das auf allen Ebenen, von Jugend-Turnieren bis zum Davis Cup. Im Interview mit tennisnet blickt Peick auf späte Highlights des Jahres 2017 zurück.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 27.12.2017, 13:52 Uhr

Norbert Peick hat im Tennissport schon fast alles gesehen

tennisnet: Herr Peick. Sie waren in diesem Jahr Oberschiedsrichter beim Laver Cup in Prag. Wie ist es dazu gekommen?

Norbert Peick: Ich bin im Mai gefragt worden, ob ich Zeit hätte. Und war ein wenig überrascht, weil ich gar nicht so auf dem Plan hatte, was der Laver Cup eigentlich ist. Ich musste also noch einmal nachfragen, worum es eigentlich geht. Und ich wurde ja vom Australischen Tennisverband gefragt, also nicht etwa vom Tschechischen.

tennisnet: Gab es Unterschiede zu Ihrer regulären Tätigkeit als Oberschiedsrichter? Schließlich ist es beim Laver Cup nicht um Weltranglisten-Punkte gegangen.

Peick: Wir wussten grundsätzlich ja alle nicht, was uns erwartet. Nachdem die Veranstaltergruppe eine andere war als sonst, wurde der Laver Cup auch mit sehr kritischen Augen beobachtet. Insofern war das ein Ansporn für uns alle, noch professioneller zu sein als sonst. Von unserer Seite sollte alles passen, von Spielerseite auch. Vor Beginn hat ja jeder gesagt das wird ein Schaukampf - und am Ende ist daraus die beste Werbung für den Tennissport geworden, die wir in den letzten 15 Jahren hatten. Die Stimmung, die Spieler - wir haben Sachen gesehen, die es im Tennis vielleicht nie wieder geben wird. Wie etwa das Doppel Federer und Nadal. Einen Federer, der einen Zverev coacht. Ein Nadal, der den Thiem Tipps gibt, diesen Team-Spirit, der da erzeugt wurde, so etwas kennen wir im Tennis ja nur beim Davis Cup. Länderübegreifend schon gar nicht. Beim Coaching haben wir Schiedsrichter natürlich Ausnahmen machen müssen, aber das hat sich ja auch erst einfach so ergeben. Dennoch: auch für die Umpires hat das Leistungsprinzip gegolten. Und ich selbst war auch platt danach.

tennisnet: Auch weil die beiden Kapitäne die Legenden Björn Borg und John McEnroe waren?

Peick: Das ist natürlich schon etwas Besonderes. ich bin direkt vom Davis Cup aus Kanada nach Prag gekommen, am Dienstagnachmittag, mit ordentlich Jet-Lag. Und bin eine Stunde später in einer Besprechung mit Borg und McEnroe. Ich kenne die beiden auch, war als Jugendlicher immer bekennender McEnroe-Fan, auch weil er Linkshänder ist. Aber die Zusammenarbeit war von Anfang an gut, vor allem auch mit den Vize-Kapitänen Patrick McEnroe und Thomas Enqvist. Die wissen ja auch, wie wir ticken. Vor allem bei den Nominierungen war es ja auch anders als gewohnt. Das eine Team musste vorlegen, das andere durfte darauf reagieren. Das hat es natürlich spannend gemacht.

tennisnet: Sie müssen damals Denis Shapovalov mit im Flugzeug aus Kanada gehabt haben. Wie schätzen Sie das Potenzial des Kanadiers ein?

Peick: Ich darf über Spieler ja nichts sagen. Aber ich finde es grundsätzlich gut, wenn eine Generation nachkommt, die ein bisschen anders ist. Shapovalov ist ein sehr netter Kerl, beim Davis Cup lernt man die Spieler ja auch eher kennen. Und der war ganz happy, weil wir waren da im alten Stadion der Edmonton Oilers. Und die Kanadier hatten die alte Umkleide der Oilers, und Shapovalov den Schrank von Wayne Gretzky. Besser geht es nicht für einen kleinen Kanadier. Und für die ganze junge Truppe bringt es natürlich extrem viel, in so einem Team zu sein.

tennisnet: Ein anderer junger Spieler in Prag war Frances Tiafoe ...

Peick: Und auch der hat sich gut vorgestellt. Es geht ja nicht nur darum, was die Spieler auf dem Platz machen, sondern auch das Rundherum. Tiafoe hat am Freitag vorsichtig begonnen, so wie das ganze World Team. Aber irgendwann hat dann keiner mehr sitzen können. So viel zum Thema Schaukampf. Deshalb glaube ich auch, dass es gut war, anstelle einen dritten Satzes das Match-Tiebreak zu spielen.

tennisnet: Bei den NextGen-Finals in Mailand wurden darüber hinaus mehrere Dinge ausprobiert. Wie stehen Sie diesen Änderungen gegenüber?

Peick: Die Abschaffung des Netzaufschlages haben wir vor einigen Jahren auf der ATP-Challenger-Tour ja schon einmal versucht. Mein Eindruck war nicht, dass es damit große Probleme gab. Außer vielleicht, dass ein Schiedsrichter aus der Macht der Gewohnheit heraus 'Netz, erster Aufschlag´ gesagt hat. Dann ist diese Idee, warum auch immer, wieder verschwunden. Das NextGen-Masters war eine gute Gelegenheit, bestimmte Dinge auf einem höheren Niveau zu probieren. Kürzere Sätze wurde auf ITF-Ebene auch schon versucht, aber es muss ja den Leuten ganz oben passen, das heißt auf der ATP-Tour. Die müssen daran glauben.

tennisnet: Dann würde eine Umsetzung wohl schneller erfolgen.

Peick: Es gibt Dinge, die könnte wir schon seit zehn Jahren machen, wie eben die No-Let-Regel. Das wäre für niemanden ein Problem, außer für die deutsche Firma, die die Netzsensoren herstellt.

tennisnet: Vor allem auf den Nachwuchsebenen würde die No-Let-Regel ja Konfliktpotenzial verringern.

Peick: Man hätte damit das Hauptstreitthema beseitigt. Weil dann stellt sich bei Tennis-Europe-Turnieren die Frage nicht mehr, wer 'Netz´ rufen darf. Ich sage dann immer, dass das Netz in der Mitte ist, es dürfen also beide rufen. So: Dann haut der Rückschläger den Return rein und der Aufschläger sagt, der Ball hat das Netz berührt. So etwas könnte man abschaffen. Ich finde es einfach grundsätzlich gut, wenn man versucht, unseren Sport zu verbessern. Die Frage ist nur, wie der Entscheidungsprozess aussieht. Aber da sind wir Officials ohnehin nicht involviert.

tennisnet: Wie schätzen Sie grundsätzlich die Fairness und das Verhalten der SpielerInnen in Nachwuchsbereich ein?

Peick: Das Verhalten ist deutlich besser geworden über die letzten Jahre. Das hängt zusammen mit der Zusammenstellung der Felder aber vor allem auch damit, wie die Offiziellen arbeiten: Wenn man kein Match hat, das ohne vorherige Ansprache beginnt, wenn immer jemand in der Nähe ist, um einzugreifen - dann ist ein besseres Ergebnis garantiert, als wenn man den Spielern drei Bälle in die Hand drückt, und die dann nach einer Stunde mit dem Resultat zurückkommen. Die Kinder sollen das Gefühl haben: Es passt jemand auf, wenn etwas ist, dann muss ich nicht warten.

tennisnet: Wie sieht es mit den Eltern aus? Muss man die erziehen?

Peick: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt immer eine Bandbreite. Ich finde nicht, dass es im Tennis schlimmer wird. Hier und da muss man halt eine elternfreie Zone einrichten. Die Masse ist aber ganz vernünftig. Dass sich einzelne Eltern ab und zu leichter erregen, ist klar. Wenn man die aber am nächsten Tag sieht, dann sehen die meisten aber ein, dass sie im Unrecht waren. Und damit ist ja auch schon einiges gewonnen.

von Jens Huiber

Mittwoch
27.12.2017, 13:52 Uhr