Gerald Melzer exklusiv – „Wo ich jetzt im Ranking stehe, ist noch nicht die Grenze“

Gerald Melzer nach seinem Halbfinal-Aus beim ATP-Event in München im exklusiven tennisnet.com-Interview.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 03.05.2015, 16:17 Uhr

Im Februar hatte er in Quito (Ecuador) seinen bis dato einzigen Hauptfeld-Sieg auf der ATP-Tour verzeichnet– bis München. Bei dem ATP-World-Tour-250-Sandplatzturnier in Bayern stürmte Gerald Melzer nach drei gemeisterten Qualifikationsrunden – zunächst glücklichmit einem Freilosundeinem Aufgabe-Sieg– ins Viertelfinale, um dort auch seinen LandsmannDominic Thiemzubezwingen. Erst im Halbfinale war für den Niederösterreicher gegen den deutschen LokalmatadorPhilipp Kohlschreibermit 6:2, 1:6, 4:6 Endstation. tennisnet.com sprach mit dem 24-Jährigen über den bisher mit Abstand größten Erfolg in seiner Karriere als Einzelsportler. Hier das exklusive Interview, direkt nach dem Spiel.

Gerald, wie geht es dir in den ersten Minuten nach dem knappen Aus? Überwiegt da die Enttäuschung oder die Freude über dein starkes Abschneiden hier?

Jetzt, 20 bis 30 Minuten danach, überwiegt schon wieder die Freude, dass es eine gute Woche war. Aber es ist halt natürlich trotzdem bitter, dass ich ihm bei 4:5 so ein Geschenk gebe und das Turnier mit so einem billigen Game beende.

Du warst vorher natürlich auch noch nie in so einer Situation – erstes ATP-Halbfinale, Aufschlag gegen den Matchverlust. Hast du da auch einfach den Druck und die Nerven zu spüren bekommen?

Sicher. Okay, um ganz ehrlich zu sein: Ich war eh ein bisschen glücklich, dass es überhaupt noch 4:5 gestanden ist, weil ich ja bei jedem Aufschlaggame gekämpft habe und eh schon Breakbälle abgewehrt habe und dann teils noch glücklich mein Service gehalten habe. Das Game bei 4:4 war ein bisschen schade, bei 4:5 waren’s dann einfach vier leichte Fehler. Das darf nicht passieren, auf dem Level wird das bestraft.

Wenn dir aber wer vor dieser Woche ein Halbfinale in München angekündigt hätte,…

… hätte ich unterschrieben. Das hätte ich unterschrieben, ja.(grinst)

Was nimmst du von hier – außer 22.800 Euro Preisgeld vor Steuern und 102 Punkten – für dich mit?

Sicher eine Menge Erfahrung. Und auch einfach das Wissen, dass ich mit den Spielern hier mitspielen kann, sodass ich mir selber mehr zutraue, als ich es mir das in der Vergangenheit vielleicht zugetraut habe. Okay, ich habe zuerst ein Freilos gehabt, im Achtelfinale hatPablo Andujaraufgegeben, aber bis 4:1 hat er relativ normal gespielt und ich habe echt gut gespielt und auch heute Dominic geschlagen, der auf 44 in der Welt steht. Und gegen Kohlschreiber habe ich im ersten Satz richtig gut gespielt und jetzt halt bitter im dritten Satz verloren. Aber ich nehme auf jeden Fall viel Selbstvertrauen und Erfahrung mit, und das Wissen, dass dort, wo ich jetzt im Ranking stehe, noch nicht die Grenze ist.

Der größte Beweis, dass dein kurioser Weg im Hauptbewerb nicht nur Glück war, ist – neben den drei gemeisterten Qualifikationsrunden – sicherlich der Sieg gegen Dominic gewesen, oder?

Auf alle Fälle. Das freut mich jetzt persönlich auch, damit es nicht nur heißt, „Der ist durch Freilos und Aufgabe ins Semifinale gekommen“. Sondern ich habe auch einen richtig guten Sandplatzspieler geschlagen, der davorFabio Fogninimit 6:3, 6:0 geschlagen hat. Also so ist es nicht. Und ich habe mich auch gegen Kohlschreiber jetzt ganz okay verkauft.

Hat am Ende auch ein bisschen die Kraft gefehlt? Durch den Regen am Freitag musstest du ja zwei Matches auf einem für dich noch nicht gänzlich gewohnten Niveau bestreiten.

Es war vor allem das erste Match mental einfach sehr anstrengend, weil ich es halt nicht ganz gewohnt bin, auf so einem Niveau zu spielen, besonders nicht zwei Matches an einem Tag auf diesem Niveau. Aber ich glaube, es war für mich selbst auch gut, dass ich diese Situation mal gehabt habe und damit von Match zu Match besser umgehen kann. Gegen Kohlschreiber ist mir dann in der Tat das Service ein bisschen weggefallen, weil der Arm schon ein bisschen langsam geworden ist und die Beine ein bisschen schwer geworden sind. Ich habe im dritten Satz dann nochmal alles versucht und gegeben, hat eben dann am Ende nicht gereicht.

Wie viel gibt dir vor allem der Sieg gegen Dominic? Ihr versteht euch zwar gut, hinter den Kulissen dürfte aufgrund all der Davis-Cup-Diskussionen rund um ihn aber doch besonders viel Prestige mitgeschwungen und Brisanz geherrscht haben, oder?

Natürlich ist das so. Das haben wir beide, schätze ich mal, mitbekommen. Ich glaube, dass er vor dem Match in der schwierigeren Situation als ich war. Aber mehr braucht man dazu nicht sagen.

Wie geht es für dich weiter?

Ich fliege am Montag nach Rom. Ich hoffe mal, dass ich einen Dienstag-Start bekomme. Ich spiele dann dort den Challenger, und am Wochenende bin ich dann in der Qualifikation des Challengers in Heilbronn drinnen. Sollte ich kein Special Exempt oder sonst etwas erhalten, werde ich die Qualifikation auch spielen. Und danach ist eh schon die Qualifikation bei den French Open in Paris.

Hat dein Erfolg hier Auswirkungen auf deinen weiteren Turnierplan? Wirst du dich öfter in die ATP-Qualifikationen wagen?

Nein, absolut keine. Es war sowieso von vornherein klar, dass das auch Markus(Hipfl, sein Trainer; Anmerkung)wollte, dass ich mehr auf einem höheren Niveau spiele und mich dem Level dort mehr und mehr anpasse. Von dem her hätte ich so oder so auch viele ATP-Qualis gespielt. Klar werde ich viele Challenger spielen, aber ich werde es auf alle Fälle auch weiter auf der ATP-Tour versuchen.

Ein Thema noch. Du trägst seit rund um den Jahreswechsel herum auf dem Platz eine Sportbrille. Wegen einer Sehschwäche oder nur als modisches Accessoire?

Ich habe eh schon länger gewusst, dass ich nicht gut sehe – also nicht gestochen scharf. Ich wollte aber auch einfach keine Brille haben. Ich habe 0,75 Dioptrien und ich habe aber eine Hornhautverkrümmung, Astigmatismus, und deshalb funktioniert es mit der Brille besser.

Hast du dich daran leicht gewöhnen können?

Absolut. Ich habe von Anfang an viel besser gesehen, viel weniger Rahmenbälle gehabt, von dem her ist es gut. Das einzige, was halt scheiße ist: Wenn es so kalt wie jetzt ist, dann läuft die Brille die ganze Zeit an.

Wenn du dadurch wirklich so viel weniger Rahmenbälle hast, muss es jetzt mit dir also eigentlich steil bergauf gehen.

Ich sehe den Ball wirklich besser. Also von dem her: ja.(lacht)

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

von tennisnet.com

Sonntag
03.05.2015, 16:17 Uhr