Alexander Zverev – Russland-Hoch nach dem Sommerloch

Mächtige Schläge, gute Nehmerqualitäten: Alexander Zverev gewann in St. Petersburg seinen ersten ATP-Titel.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 26.09.2016, 09:31 Uhr

NEW YORK, NY - AUGUST 30: Alexander Zverev of Germany reacts after defeating Daniel Brands of Germany during his first round Men's Singles match on Day Two of the 2016 US Open at the USTA Billie Jean King National Tennis Center on August 30, 2016 in...

Der Riese mit dem harten Punch ist eigentlich immer ein Thema. Selbst wennAlexander Zverevnicht Tennis spielt, so wie am Davis-Cup-Wochenende in Berlin, an dem er sich eine sportliche Auszeit nahm. Mehr aber noch, wenn er Tennis spielt – erfolgreicher immer mehr in diesem Jahr seines Aufstiegs in die erweiterte Weltklasse.So erfolgreich sogar, dass ihm schon im Teenageralter, also unter 20, nun sein erster Turniersieg gelungen ist.Zverev, überall auf der Welt und nicht nur zu Hause in Deutschland, als Versprechen für die Zukunft gehandelt, ist längst ein Mann geworden, der schon in der Gegenwart Großes, sehr Großes leisten kann. Nicht immer, aber immer öfters. Und dann auch gegen harte, sehr starke Gegnerschaft.

„Ich bin überwältigt“, sagte der Hamburger, als ihm sein erstes formvollendetes Meisterstück beim Turnier in St. Petersburg gelungen war. Und zu dieser Überwältigung hatte Zverev auch allen Grund, denn bei aller Klasse und bei allem Potenzial, über das er verfügt, ist nichts Selbstverständliches daran, auf der Zielgeraden eines Turniers zwei langjährige, ausgebuffte Top-Ten-Spieler und Grand-Slam-Champions zu schlagen. ErstTomas Berdych, den Tschechen, im Halbfinale, einen alten Angstgegner. Und dann auch nochStan Wawrinka, den soeben zum Tennis-König von New York gekürten Schweizer, der vor der 2:6, 6:3, 5:7-Niederlage gegen Zverev nicht weniger als zehn kleinere und größere und sehr große Endspiele gewonnen hatte.

Großes Comeback im Entscheidungssatz

Bei diesem Triumphzug in der alten Heimat der Familie, so etwas wie ein Russland-Hoch nach dem Sommerloch, zeigte Zverev gleich mehrere Qualitäten, die ungewöhnlich sind für einen Spieler seines Alters, für einen im brutalen Tourgeschäft immer noch lernenden Newcomer: Er bewies Nehmerqualitäten rund um seinen Auftritt, schließlich war Zverev wegen seines Fernbleibens beim Relegations-Länderspiel gegen Polen deutlich kritisiert worden, zuletzt sogar von Profi-Weggefährten. Und er offenbarte eine Unverdrossenheit und Nervenstärke in entscheidenden Momenten, die ihn auch abhebt von Altersgenossen aus der sogenannten Next-Generation-Gruppe, im Endspiel steckte er sogar noch einen im Grunde demoralisierenden 0:3-Rückstand im dritten Satz gegen Wawrinka weg. „Er wird noch viel mehr gewinnen - sehr bald“, sagte Wawrinka über den zwölf Jahre jüngeren Hamburger.

Wie ungewöhnlich Zverevs frühe Erfolge in einer Tennis-Szene geworden sind, in der sich die Karriere-Horizonte in den letzten Jahren massiv verschoben haben und in der es inzwischen weit mehr Ü30-Spieler als U20-Spieler gibt, beweist schon der Blick auf die Statistik:Der letzte jugendliche Senkrechtstarter, der auf einem der Centre Courts den Pokal in die Höhe stemmte, war vor mehr als acht Jahren Marin Cilic im US-amerikanischen New Haven.Jener Cilic, immerhin, gewann später in seiner Karriere auch einen Grand-Slam-Titel, 2014 bei den US Open in New York.

Der Siegeshunger wächst

Solche großkalibrigen Erfolge werden auch Zverev von allen namhaften Experten der Branche und von den Mitspielern im globalen Wanderzirkus zugetraut. Zverev hat schon jetzt das, was im Fachjargon „Big Game“ genannt wird, das große, mächtige Spiel. Harte, unbarmherzige Schläge, mit denen aus jedem Winkel des Platzes Punkte erzielt werden können. Allerdings hat Zverev in dieser Saison auch schon einiges Lehrgeld bezahlen müssen, mit seinem Turnierprogramm im ersten Halbjahr überforderte er sich sowohl körperlich wie mental. Zurück blieben eigene, unerfüllte Erwartungen, Enttäuschungen bei Fans und Turnierveranstaltern wie in Hamburg und schwere Kommunikationsmängel rund um die Absagen für das Olympiaturnier und den Davis Cup in Berlin. Zverev hatte diese Pausen möglicherweise wirklich nötig, in jedem Fall aber hätten er und sein Management das alles besser und nachvollziehbarer erklären müssen. Denn auch eins ist klar: Es ist ungut, wenn Zverev, der Mann für die Weltbühne, sich daheim in zu viele Probleme und Konflikte verstrickt.

Wozu er, erholt und fit, in der Lage ist, hat er in St. Petersburg eindrucksvoll demonstriert. Mit den 250 Siegpunkten für den Premierentitel rückte er in der Weltrangliste wieder auf Platz 24 vor, egalisierte damit sein Allzeithoch. Mit einer starken Herbstoffensive könnte der 19-Jährige noch erstmals unter die Top 20 vorstoßen und sich damit eine vortreffliche Ausgangslage für die Saison 2017 schaffen – vor allem bessere Plätze in den Setzlisten, dann auch gleich schon bei den Australian Open in Melbourne Mitte Januar. Was er jetzt so plane für die nächste Zeit, was die nächsten Ziele seien, wurde Zverev in St. Petersburg gefragt. Seine Antwort kam trocken: „Noch ein Turnier gewinnen.“

von tennisnet.com

Montag
26.09.2016, 09:31 Uhr