Die denkwürdigsten Disqualifikationen im Herrentennis

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 27.09.2017, 10:53 Uhr

Von Christian Albrecht Barschel

Dass ein Tennismatch mit einer Disqualifikation endet, ist nie gewünscht, und doch kommt es gelegentlich vor, dass nicht der letzte Punkt über den Ausgang eines Matches entscheidet, sondern eine unschöne oder skurrile Szene. tennisnet.com präsentiert neun denkwürdige Disqualifikationen im Herrentennis.

John McEnroe vergisst Regeländerung

Die bekannteste Disqualifikation im Herrentennis ist sicherlich die von John McEnroe bei den Australian Open 1990 in seinem Achtelfinale gegen Mikael Pernfors . "Big Mac" bewegte sich stets am Rande einer Disqualifikation. In Melbourne passierte es dann erstmals, als ihm eine Regeländerung zum Verhängnis wurde, die zu Jahresbeginn in Kraft getreten war. Die Schritte für die Disqualifikation wurden von vier auf drei reduziert. Somit konnte ein Spieler nach drei Verwarnungen wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert werden. McEnroe hatte die neue Regel nicht im Kopf und stand nach der Bekanntgabe der Disqualifikation ungläubig und wortlos auf dem Platz. Nachdem McEnroe seine zweite Verwarnung kassiert und damit einen Punktabzug kassiert hatte, rief er nach Oberschiedsrichter Ken Farrar, der kurz darauf mit dem Turnierschiedsrichter Peter Bellenger den Platz betrat. Farrar erklärte McEnroe, dass die Entscheidung mit dem Strafpunkt bestehen bleibe. Nach einer kurzen Diskussion rief Schiedsrichter Gerry Armstrong zum Weiterspielen auf. Während McEnroe in Richtung Grundlinie ging, ließ er eine Schimpftirade los. "F... deine Mutter", rief der US-Amerikaner in Richtung Farrar. Farrar hörte die Beleidigung, drehte um in Richtung Schiedsrichterstuhl und gab Armstrong die Anweisung, McEnroe zu disqualifizieren. "Code violation, verbal abuse. Default, Mr. McEnroe. Game, set and match, Pernfors", sagte Armstrong in sein Mikrofon und verkündete die Disqualifikation von McEnroe. Die Zuschauer des Matches quittierten die Disqualifikation mit Buhrufen und schrien minutenlang: "Wir wollen McEnroe." Der US-Amerikaner war der erste Spieler in der Turniergeschichte der Australian Open und der zweite Spieler in der Grand-Slam-Geschichte, der wegen Fehlverhaltens disqualifiziert wurde. 1963 wurde der Spanier Willie Alvarez bei den French Open wegen schlechten Benehmens disqualifiziert.

Carsten Arriens - Der Rekordhalter

Carsten Arriens war in seiner Zeit als deutscher Davis-Cup-Kapitän für sein ruhiges und besonnenes Gemüt bekannt. Als Profi konnte Arriens aber auch ganz anders. Mit vier Disqualifikationen ist der Deutsche Rekordhalter auf der ATP-Tour. Seine bekannteste Disqualifikation passierte in der ersten Runde bei den French Open 1995 im Duell gegen den Neuseeländer Brett Steven. Nachdem Arriens den Satzausgleich kassiert hatte, warf er seinen Schläger ins Netz und bekam dafür eine Verwarnung. Direkt im Anschluss warf er seinen Schläger in Richtung Stuhl und traf dabei den Linienrichter am Knöchel. Schiedsrichter Andreas Egli rief daraufhin den Oberschiedsrichter, der ebenfalls zum Schluss kam, dass Ariens disqualifiziert werden sollte.

Tim Henman trifft Ballmädchen am Kopf

Das Wimbledonturnier 1995 sorgte gleich doppelt für Negativschlagzeilen - und das binnen weniger Stunden. Tim Henman, weltbekannt als "Gentleman" im Tennis wurde in der ersten Runde in der Doppelkonkurrenz disqualifiziert. Der Brite, damals 20 Jahre alt, spielte an der Seite von Landsmann Jeremy Bates gegen das Duo Henrik Holm (Schweden) und Jeff Tarango (USA). Im vierten Satz im Tiebreak bei einer 2:1-Satzführung für die Briten geriet Henman in Rage und feuerte nach einem Punktverlust den Ball weg - und traf damit unglücklich das Ballmädchen Caroline Hall am Kopf, die daraufhin in Tränen ausbrach. Henman wurde wegen dieser Szene nach einigen Diskussionen wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert. "Es war ein Unfall, aber ich bin verantwortlich für meine Aktionen", sagte Henman auf der Pressekonferenz. Einen Tag später gab es ein Wiedersehen zwischen Henman und dem Ballmädchen. Der Brite bat die 16-Jährige auf dem Platz mit einem Blumenstrauß um Entschuldigung und gab ihr ein Versöhnungsküsschen. Damit ist die Geschichte aber noch nicht auserzählt. Tarango meinte, dass die Geschwindigkeit des Balles das Ballmädchen hätte töten können. "Ich stimme dem nicht zu. Wenn sie nicht da gewesen wäre, bin ich mir sicher, dass ich nicht mal eine Verwarnung wegen Ballwegschlagens bekommen hätte", meinte Henman auf die Anschuldigung seines Gegners. Zwei Tage später rückte Tarango selbst in den Mittelpunkt, in einem Match, wo kurioserweise Caroline Hall als Ballmädchen im Einsatz war.

Bestechungsvorwürfe von Jeff Tarango

In der Regel geht es in Wimbledon ziemlich vornehm zu. Die Spieler halten sich mit Ausrastern und Wutausbrüchen zurück. Nicht so Jeff Tarango, der beim Wimbledonturnier 1995 das Gesprächsthema Nummer eins war. Der US-Amerikaner disqualifizierte sich in der dritten Runde gegen den Deutschen Alexander Mronz selbst, indem er wütend den Platz verließ - ein Novum in der Grand-Slam-Geschichte. Was war passiert? Tarango schlug bei 6:7,-1:2-Rückstand ein Ass. Doch Schiedsrichter Bruno Rebeuh ließ den Ballwechsel aufgrund eines Aus-Rufs des Linienrichters wiederholen. Die wütenden Proteste des US-Amerikaners halfen nicht weiter. Als es wieder weitergehen sollte, rief Tarango nach Beschwerden aus dem Publikum über Spielverzögerung ein "Haltet den Mund" den Zuschauern zu. Rebeuh verwarnte daraufhin Tarango, der nun vollends seine Fassung verlor. Der US-Amerikaner verlangte nach dem Oberschiedsrichter, um seine Beschwerde loszulassen. Als dieser die Entscheidung nicht rückgängig machte und Tarangos Forderung nach einem Austausch des Schiedsrichters zurückwies, beschuldigte Tarango Rebeuh als "korruptesten Offiziellen im Spiel". Tarango kassierte die zweite Verwarnung und einen Punktverlust, der gleichzeitig der Spielgewinn für Mronz war. Das war dann alles zu viel für den US-Amerikaner, der seine Tasche packte, wutentbrannt den Platz verließ und sich damit selbst disqualifizierte. Anschließend ging die Geschichte aber noch weiter, als Tarangos Frau Benedicte Rebeuh auf dem Weg in die Katakomben zwei Ohrfeigen verpasste. "Der Typ hat eine Lektion verdient. Er kann alles machen, was er will, weil er auf dem Stuhl sitzt. Die Spieler haben keine Chance, sich zu verteidigen", rechtfertige Benedicte Tarango ihre Ohrfeigen auf der Pressekonferenz. Tarango wiederholte dort ebenfalls seine Bestechungsvorwürfe gegenüber Rebeuh. Der US-Amerikaner wurde von der ITF zunächst zu einer Strafe von 63.000 US-Dollar und einem zweijährigen Ausschluss bei Grand-Slam-Turnieren verurteilt. Kurz darauf verringerte die ITF das Strafgeld auf 20.000 US-Dollar und Tarango wurde nur für das Wimbledonturnier 1996 ausgeschlossen. Der US-Amerikaner lernte aus diesem Vorfall und blieb bis zu seinem Karriereende 2003 ohne größere Ausraster.

Andre Agassi soll Schiedsrichterin beleidigt haben

Ausraster von Andre Agassi kamen doch eher selten vor. Der US-Amerikaner gehört allerdings auch zu der Liste von Spielern, die disqualifiziert wurden. Im August 1996 wenige Tage nach einem seiner größten Triumphe, der Gewinn der Goldmedaille bei Olympia in Atlanta, wurde Agassi in seinem Auftaktmatch beim Turnier in Indianapolis disqualifiziert. Was war passiert? Agassi hatte gegen Daniel Nestor den ersten Satz mit 6:1 gewonnen. Als er im zweiten Satz nach einem sehr langen Aufschlagspiel mit 2:3 in Rückstand geriet, schlug er einen Ball aus Frust in die Zuschauerränge und bekam deswegen von Schiedsrichter Dana Loconto eine Verwarnung. Agassi diskutiere daraufhin mit Loconto und ließ mehrmals ein "F... dich, Dana" über seine Lippen kommen. Oberschiedsrichter Mark Darby kam schließlich auf den Platz. "Wenn du das gesagt hast, was Dana gerade erzählt hat, dann ist das Match zu Ende", sagte Darby in Richtung Agassi, der sich keiner Schuld bewusst war: "Ich habe kein Wort gesagt." Darby glaubte dem US-Amerikaner allerdings nicht und instruierte den Schiedsrichter, Agassi sofort zu disqualifizieren. Das Publikum quittierte das abrupte Matchende mit Buhrufen und warf Wasserflaschen auf den Platz. Agassi gab auf der Pressenkonferenz zu, die nicht jugendfreien Worte gesagt zu haben, betonte aber auch, dass er nur einen Strafpunkt verdient gehabt hätte und wütete gegen Oberschiedsrichter Darby.

Xavier Malisse verliert völlig die Beherrschung

Xavier Malisse führte im Jahr 2005 beim ATP-Turnier in Miami gegen David Ferrer mit 6:3, 5:5 und stand kurz davor, in die dritte Runde einzuziehen. Doch statt eines möglichen Sieges wurde der Belgier disqualifiziert. Malisse war mit den Entscheidungen einer Linienrichterin nicht einverstanden und soll mit dem Ball nach ihr geworfen und sie beleidigt haben. Die Linienrichterin meldete das Verhalten von Malisse dem Schiedsrichter. Daraufhin drehte der für sein temperamentvolles Gemüt bekannte Belgier durch, trat auf Stuhl und Bande ein und zertrümmerte seinen Schläger . "Wie könnt ihr mir das antun? Ich bin so angepisst, weil ich überhaupt nichts gesagt habe", schrie Malisse seine Verärgerung heraus. Der Belgier wurde schließlich disqualifiziert und später für vier Wochen wegen "schlimmen Benehmens" gesperrt. Außerdem musste Malisse sein Preisgeld von 13.290 US-Dollar zurückgeben und eine Strafe von 7.705 US-Dollar zahlen. Einige Zuschauer waren bei diesem Vorfall eher auf der Seite von Malisse. "Du bist kacke, Schiedsrichter. Verschwinde vom Platz", hießen einige Schimpftiraden auf den Schiedsrichter.

Stefan Koubek geht Daniel Köllerer an die Gurgel

Ein Amateurvideo dokumentierte den Ablauf eines Zwischenfalls, der in Österreich für gewaltiges Aufsehen sorgte. Stefan Koubek ging 2010 bei einem Bundesliga-Spiel in Gleisdorf Landsmann Daniel Köllerer an die Gurgel und wurde daraufhin disqualifiziert. Laut Aussage von Koubek soll Köllerer ihn mit "Wichser" beschimpft haben. Beim Abgang vom Platz wird der streitbare Köllerer von den Zuschauern ausgebuht, Koubek hingegen wird mit Applaus verabschiedet. Ein Jahr später wurde Köllerer wegen mutmaßlicher Wettmanipulation lebenslänglich gesperrt. Es war übrigens nicht die einzige Disqualifikation in der Karriere von Koubek. Bei den French Open 2000 wurde er in der zweiten Runde gegen Attila Savolt kurz vor dem drohenden Matchverlust disqualifiziert, weil er mit einem Schlägerwurf einen Balljungen getroffen hatte. Beim Turnier in Metz im Jahr 2007 wurde Koubek im Match gegen Sebastien Grosjean bei 4:2-Führung im dritten Satz disqualifiziert, weil er angeblich den Oberschiedsrichter beleidigt haben soll.

David Nalbandian tritt Linienrichter blutig

Mit einem Skandal endete das 2012er-Finale beim Traditionsturnier im Londoner Queen's Club. David Nalbandian wurde im Endspiel des Rasenklassikers gegen Marin Cilic beim Stand von 7:6 (3), 3:4 disqualifiziert. Der Argentinier hatte nach einem verschlagenen Ball, der den Aufschlagverlust bedeutete, aus Frust mit Wucht gegen die Holzumrandung um den Linienrichterstuhl getreten. Die Folge: Das Holz zersplitterte, sodass der Linienrichter am linken Schienbein getroffen wurde und eine blutende Wunde davontrug. Der Oberschiedsrichter hatte keine andere Möglichkeit, als Nalbandian zu disqualifizieren. Das Publikum quittierte die Entscheidung mit Buhrufen. Nalbandian zeigte anschließend nur wenig Reue. "Ich habe einen Fehler gemacht, aber jeder macht mal einen Fehler, und ich denke nicht, dass das Match so hätte zu Ende gehen müssen. Die ATP macht auch viele Fehler im Umgang mit den Spielern - und nichts passiert."

Darian King mit unglücklichem Schlägerwurf

Darian King hat es bislang nicht durch seine Leistungen als Tennisspieler in die Schlagzeilen geschafft. Der Mann von der Karibikinsel Barbados wurde im Oktober 2014 beim ATP-Challenger in Charlottesville nach einem unglücklichen Schlägerwurf disqualifiziert. King hatte nach einem Punktverlust seinen Schläger wutentbrannt gegen die Plane geworfen. Das Racket prallte dabei so unglücklich ab, dass es die Linienrichterin traf. King wurde deswegen disqualifiziert, auch weil die Reaktion der Linienrichterin ein wenig übertrieben wirkte. Die Dame griff sich ans Knie, obwohl der Schläger den Rücken berührte. King bat anschließend alle Verantwortlichen öffentlich um Entschuldigung und versicherte, dass der Schlägerwurf ein unglücklicher Unfall war. Der 23-Jährige sorgte vor kurzem erneut für Aufsehen, als er beim ITF-Future-Turnier in Calabasas sein Match aus heiterem Himmel abbrach, nachdem er mit Entscheidungen des Schiedsrichters unzufrieden war .

von Christian Albrecht Barschel

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27.09.2017, 10:53 Uhr