Die taktischen Feinheiten im Spiel von Alexander Zverev

Was das Spiel des Youngsters besonders macht. Und was der Return von Andy Murray damit zu tun hat.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 09.03.2016, 10:15 Uhr

Alexander Zverev - Davis Cup

Würde man ein Match von Alexander Zverev in einem 30-Sekunden-Schnelldurchlauf abspielen, so würde man ihn in dieser kurzen Zeit an fast jeder Ecke des Platzes zumindest einmal sehen. Der Youngster ist trotz seiner Größe von 1,98 Meter wendig, beweglich und flexibel. Der 18-Jährige gehört mit dem US-Amerikaner Taylor Harry Fritz zu den jüngsten Spielern in den Top 100. Was Alexander Zverev dahin gebracht hat und welche taktischen Finessen sein Spiel besonders machen, werden wir jetzt herausfinden.

Die Position an der Grundlinie

Bereits während seines Sieges bei den Australian Open 2014, als Zverev den Juniorenwettbewerb gewann, zeigte sich eine seiner größten Stärken. Der Deutsche schafft es in den Ballwechseln immer wieder, hervorragend zwischen Offensive und Defensive zu pendeln - auch wenn er hier manchmal noch aus der Balance gerät. Wenn Zverev weit hinter die Grundlinie gedrängt wird, findet er schnell seine Komfortzone. Spielt er einige Bälle tief aus der Defensive, schafft er es nicht selten, mit einer schnellen Rückhand-Cross sich wieder in eine offensivere Position im Ballwechsel zu bringen. Es ist erstaunlich, dass ein solch hochgewachsener Spieler diese Fähigkeiten besitzt.

Zverev fühlt sich nah an der Grundlinie, sowie auch bis zu drei Meter dahinter, sichtlich wohl. Diese Qualität war es auch, welche die grandiosen Ballwechsel in seinem Match gegen Andy Murray , in diesem Jahr bei den Australian Open, ermöglichte. Auch wenn das Ergebnis auf dem Papier eine eindeutige Sprache sprach. Das Match, da war man sich einig, war hochklassig.

Der Mut, nach vorn zu gehen

Der Untergrund spielt keine Rolle. Auch auf Sand sucht Alexander Zverev immer mal wieder den Weg ans Netz. Sein gesamtes Netzspiel besitzt Potenzial - doch bringen Netzangriffe bereits jetzt Flexibilität in sein Spiel. Statisch? Vorhersehbar? Simpel? Diese Begriffe treffen in keinster Weise auf die taktischen Möglichkeiten des Deutschen zu.

Der Übergang aus der Defensive in die Offensive dient auch hier erneut als Fundament. Zverev versucht immer wieder, Situationen im Match zu erkennen, in welchen er seinen Schlägen nachgehen kann. In manchen Momenten noch etwas zögerlich. Doch ist hier ein klarer Plan, eine Idee erkennbar. Dass dies aufgrund seiner Größe Sinn ergibt, steht außer Frage. Die Winkel werden für den Gegner kleiner, je schneller Zverev seinem Schlag folgen kann. Der erste Volley erhält bei diesem Spielzug das Prädikat "Besonders wertvoll". In diesem Bereich ist "Sascha" noch nicht zwingend genug. Der Gegner bekommt noch zu oft die Möglichkeit, sich nach dem ersten Volley von Zverev wieder in eine gute Position zu bringen.

Ein Return im Stile von Andy Murray

Der Gegner schaut zu Alexander Zverev rüber. Tippt den Ball einige Male auf. Die Aufschlagbewegung beginnt. Dies ist zeitgleich der Startschuss für Zverev, sich in die bestmögliche Position für den Return zu bringen. Sobald der Gegner den Ball hochwirft, verlagert der Deutsche sein Körpergewicht nach vorn. Der Oberkörper neigt sich dazu leicht nach vorn. Befindet sich der Gegner in der Bogenspannung beim Aufschlag, setzt Zverev das linke Bein einen Schritt nach vorn. Geht sein Gegenüber von der Bogenspannung in den Schlag über, bewegt sich der Deutsche parallel dazu weiter nach vorn, um durch einen breitbeinigen Splitstep optimal zum Return zu stehen. Während der Aufschlagbewegung des Gegners verschiebt der Deutsche seine Position um bis zu 1,5 Meter nach vorn.

Dabei unterscheidet Zverev den ersten und zweiten Aufschlag seines Gegners. Spielt er gegen einen starken Aufschläger wie Tomas Berdych , steht er beim ersten Aufschlag relativ weit hinter der Grundlinie, bevor seine Return-Routine beginnt. Besitzt er das Vorhaben, den zweiten Aufschlag seines Gegners aggressiv anzugehen, versetzt er seine Ausgangsposition für seine Routine beim Return einige Schritte nach vorn. Auf die gleiche Art und Weise returniert der Schotte Andy Murray. Einer der besten Returnspieler der Welt.

Tempowechsel

An einem schwülen Sommertag ziehen sich am Abend die Wolken zusammen. Es wird düster. Erste Blitze erleuchten den pechschwarzen Himmel. Ohne dass man darauf vorbereitet ist, knallt es urplötzlich so laut, dass einem nichts anderes mehr übrig bleibt, als sich zu erschrecken. Alexander Zverev kann aus dem Nichts dem Ballwechsel ein völlig neues, hohes Tempo geben. Einen bestimmten Grundschlag kann man nicht hervorheben. Im Gegenteil. Es ist sogar seine Rückhand, mit welcher er den Gegner noch aggressiver in die Defensive drängen kann. Er kann den Ball auf fast alle erdenklichen Weisen spielen. Schnell mit wenig Spin. Langsam mit viel Spin. Kurz-Cross. Schnell die Linie entlang. Spielt Zverev zunächst drei Schläge mit viel Spin, halbhoch mit einer guten Länge, besitzt er die Fähigkeit, den nächsten Ball im Aufsteigen auf Hüfthöhe förmlich zu schießen. Ohne Spin. Und völlig humorlos. Noch kann er, gerade gegen die Topspieler, nicht jedes Tempo mitgehen. Ab und an fehlen ihm noch ein paar Schritte. Eine letzte, ideale Hüft- und Schulterdrehung beim Schlag. Doch sollte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Zverev auch in diesen Bereichen aufgeholt hat.

Der Deutsche entwickelt immer mehr ein höchst flexibles Spiel, welches es verbietet, ihn in eine Kategorie zu drängen. Alexander Zverev ist weder ein Hardhitter noch ein Spieler, der seine Gegner in Grund und Boden läuft. Es verbietet sich, ebenso, ihn als reines Aufschlagmonster zu betiteln. "Sascha" lässt sich nicht auf einen einzelnen Baustein seines Spiels reduzieren. Er personifiziert mit seinem Tennis die nächste Tennisgeneration.

Eine Analyse von Marco Kühn ( tennis-insider.de ).

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09.03.2016, 10:15 Uhr