Gustavo Kuerten mahnt Brasilien zu mehr Tempo
Gustavo Kuerten, dreifacher French-Open-Champion, fürchtet um eine verpasste Gelegenheit für das brasilianische Tennis.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
27.02.2015, 12:30 Uhr

Wenn Gustavo Kuerten durch die USA reist, dann findet sein wachsames Auge vor allem eines: Tennis-Anlagen, auf denen sich Talente unter besten Bedingungen entwickeln können – selbst wenn die vorbildliche Infrastruktur dem amerikanischen Herrentennis über die letzten Jahre keine großen Erfolgsgeschichten geliefert hat. In seinem Heimatland Brasilien hingegen sucht der dreimalige Gewinner der French Open vergeblich auch nach nur einer Akademie, die er als zukunftsträchtig erachtet. Seiner Frustration machte Kuerten vor ein paar Tagen in einem ausführlichen Interview mit der „Sports Illustrated“ Luft.
Der Annahme, dass es dem Volkssport Fußball wesentlich besser als dem traditionell eher wenig beachteten Tennis ginge, wollte Gustavo Kuerten keinen übermäßig großen Glauben schenken: „Mit Ausnahme der neuen Stadien für die WM sind die Fußball-Anlagen auch nicht so toll.“ Den Grund dafür sieht die mittlerweile 38-jährige Ex-Nummer-eins vor allem in einem Mangel an Privatinitiative: „Was sich in Brasilien geändert hat, ist unsere große Abhängigkeit von der Regierung. Mit all der Bürokratie dauern Dinge, die in einem Jahr erledigt sein könnten, zehn.“
Vorbilder gesucht
Den nahenden Olympischen Spielen in Rio de Janeiro sieht Kuerten freudvoll und dennoch auch skeptisch entgegen: „Wir haben diese fantastischen Möglichkeiten mit der Fußball-Weltmeisterschaft und bald den Olympischen Spielen – es ist eine goldene Zeit für Investitionen in den Sport. Diese wird nicht ewig andauern.“ Umso wichtiger wäre es für die brasilianische Jugend, dass sie „mehrere Optionen für ihr Leben habe.“ Denn oft, so Kuerten, würden Kinder die erste Gelegenheit ergreifen, die ihnen Abwechslung vom Alltag verspricht. Tennis sei dabei so gut wie nie in der Verlosung.
Zu seiner besten Zeit sei dies anders gewesen, wenn auch nur von kurzer Dauer. „Von 1997 bis 2004 haben die Leute überall den kleinen statt den großen Ball genommen“, sagte Kuerten mit Bezug auf dem über allem schwebenden Fußball. „In allen Wohngegenden, in armen Gemeinden, überall. Danach ist, würde ich sagen, das Mittelalter gekommen. Fünf dunkle Jahre. Eine Menge Zweifel.“ Diese zu beseitigen ist Gustavo Kuerten angetreten. Vor Jahren. (Text: jehu)
Das gesamte Interview mit Gustavo Kuertengibt es hier.
