Rafael Nadal und seine technische Evolution in den letzten 10 Jahren
Eine Reise durch die letzten zehn Jahre zeigt, wie sehr Rafael Nadal an seiner Tennis-Technik gefeilt hat.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
06.11.2015, 07:45 Uhr

Rafael Nadal ist einer der mental stärksten Spieler, die die Tenniswelt je gesehen hat. Eine Aussage, die man besser noch unterstreichen sollte. Was aber aufgrund seines enormen Kampfgeistes hin und wieder aus den Köpfen verschwindet, ist die Tatsache, dass sich kaum ein anderer der Top-Spieler technisch so stark verändert und verbessert hat wie der Spanier. Betrachtet man den Nadal von 2005 und den von 2015, so sehen manche seiner Schläge aus, als würden sie von zwei verschiedenen Spielern gespielt werden. Wo manche Top-Spieler nur Nuancen verändern, oder wie man so schön sagt optimieren, hat „Rafa“ beispielsweise seinen Aufschlag fast komplett umgestellt. Was wahrscheinlich einer der Gründe ist, warum er sich von einem reinen Sandplatz-Spieler zu einem echten Allrounder und später sogar Wimbledon-Sieger mausern konnte.
Der Aufschlag
Nadal steht als Linkshänder mit dem rechten Fuß vorn, den linken Fuß zieht er während seiner Aufschlagbewegung nach. Dies war 2005 noch anders. Damals servierte er wieRoger Federeroder auch Pete Sampras noch ohne das Nachziehen des hinteren Fußes. Jeder Tennisspieler, der schon mal versucht hat, zwischen diesen beiden Varianten zu wechseln, weiß, wie schwierig dies ist. Das komplette Timing beim Aufschlag wird durchgeschüttelt. Es bleibt fast nicht aus, dass man auch andere Bereiche der Aufschlagbewegung umstellt und dementsprechend anpasst. Nadal hat auch dies getan. Der jüngere Nadal nahm den Schläger direkt in den Rücken. Ohne Umwege erreichte er die Position, um direkt aus dem Rücken den Ball am idealen Punkt zum Aufschlag zu treffen. Eine gute Variante, um mit viel Kick zu servieren.
Doch reicht diese kurze und direkte Bewegung aus, um ordentlich Tempo in den Aufschlag zu bekommen? Nein, im Falle von Nadal war dies ein Problem, das behoben werden musste. Und so entwickelte sich mit der Zeit, Stück für Stück, eine fast komplett neue Aufschlagbewegung. Schaut man ein wenig genauer hin, ist diese ein wenig an den Aufschlag des SchottenAndy Murrayangelehnt. Eine auf Nadal zugeschnittene Kopie kann man sagen. Nun führt er den Schläger weiter nach hinten, verlagert dazu das Gewicht auf den hinteren Fuß. Auf diese Weise kann er eine wesentlich effizientere Bogenspannung für den anschließend folgenden Bewegungsablauf aufbauen. Mehr Schwung durch eine aufwendiger gestaltete Ausholbewegung. Dadurch erhält Nadal nicht nur mehr Tempo im Aufschlag. Er erhält auch mehr Optionen für andere Aufschlagsvariationen, wie seinen gefürchteten Slice nach außen. Eine echte Evolution.
Die Vorhand
Was will man großartig an einer Vorhand verändern, mit der man ein Spiel von Anfang bis Ende komplett dominieren kann? Ein wenig. Man kann ein wenig verändern. Man kann solch eine Vorhand anpassen. Und zwar für schnellere Beläge. Nadal hat im Laufe der Jahre den Schwung und die Power aus seiner Hüfte heraus verbessert. Dazu hat er seine Ausholbewegung minimal angepasst, indem er den Schläger schneller weniger aufwendig nach hinten nimmt. Dies gibt ihm eine bessere Ausgangsposition, um aus der Hüfte noch mehr Tempo und Spin spielen zu können. Der Topspin ist die große Stärke des Spaniers. In diesem Falle hat er seine große Stärke noch weiter verbessern können. Die eigenen Stärken noch besser machen – ein Gütesiegel der absoluten Ausnahmespieler.
Von Beginn seiner Karriere an sein Markenzeichen: der Ausschwung über den Kopf. Wo in vielen Tennisvereinen gelehrt wird, den Ausschwung der Vorhand über der Schulter zu beenden, stellt Nadal diese These im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf. Und diesen kleinen technischen Stempel hat er sich beibehalten. Nur ist der Schwung, mit welchem er seine Vorhand spielt, um einiges größer als noch 2005.
Die Rückhand
Vielleicht die interessanteste Entwicklung, wenn man sich die Technik von Nadal anschaut. Deswegen interessant, weil man gut sehen kann, welch große Wirkungen kleine Umstellungen haben können. Dass er einen mittlerweile wirklich passablen Slice in sein Spiel integrieren konnte, ist die eine Sache. Die andere Sache ist, dass er durch ein einfaches Zurücknehmen des Schlägers eine effektivere Rückhand entwickeln konnte. Auch diese kleine Umstellung wird vermutlich der Anpassung an schnellere Beläge gedient haben. Durch kürzere Ausholbewegungen hat er so mehr Zeit, sich auf den Schlag vorzubereiten. Und die Möglichkeit, den Ball früher zu treffen.
Auch bei der Rückhand hat Nadal das Zusammenspiel aus Schulter und Hüfte ähnlich wie bei seiner Vorhand optimiert und auf ein neues Level gebracht. Bereits 2005 war seine Rückhand ein grandioser Konterschlag. Heutzutage ist Nadal dazu in der Lage, mit seiner Rückhand Punkte zu diktieren und aggressiv von der Grundlinie zu spielen. Problemlos konnte man ihm 2005 noch ein zu passives Spiel nachsagen. Was zu großen Teilen wahrscheinlich seiner Rückhand geschuldet war. Diesen Vorwurf konnte er mit seiner technischen Entwicklung, welche schlicht und ergreifend grandios ist, ebenso problemlos wegradieren.
Eine Analyse von Marco Kühn (tennis-insider.de)
