Wie man Rafael Nadal schlagen kann – Jürgen Melzer hatte es vorgemacht
... und das damals mit einer ungemein beeindruckenden Demonstration seines Könnens in Shanghai 2010.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
14.02.2016, 15:04 Uhr

Dieser Coup hat am Samstag am Abend ganz Tennis-Österreich in Verzückung und Erstaunen versetzt: Mit seinem 6:4, 4:6, 7:6 (4) über Rafael Nadal im Halbfinale von Buenos Aires, nach der Abwehr eines Matchballs, hat Dominic Thiem den bis dato größten Sieg in seiner Karriere verzeichnet . Den unumstritten besten Sandplatz-Spieler aller Zeiten auf seinem liebsten Belag zu schlagen - das kann nicht jeder von sich behaupten und hat vor ihm noch kein Österreicher geschafft. Wohl aber auf Hartplatz.
Melzers Erfolgsrezept: Vollste Attacke
Sogar Duelle der besten rot-weiß-roten Akteure mit dem "Matador" genießen Seltenheitswert. Vor Thiem, der Nadal bei den French Open 2014 in der zweiten Runde noch klar mit 2:6, 2:6, 3:6 unterlegen gewesen war , sind gerade zwei von diesen dem Spanier überhaupt je im Einzel gegenübergestanden. Zum einen: Werner Eschauer . Der Hollensteiner war gegen Nadal in der Monte-Carlo-Qualifikation 2003 (2:6, 2:6), als dieser erst 16 Jahre alt war, ebenso chancenlos wie in der zweiten Wimbledon-Runde 2007 (2:6, 4:6, 1:6). Jürgen Melzer brachte es hingegen auf vier Duelle mit "Rafa" - und war in einem erfolgreich, im vermutlich letzten der beiden.
Melzer hatte in den drei vorangegangenen Vergleichen mit Nadal im Olympia-Viertelfinale in Peking 2008 (0:6, 4:6), in Madrid 2009 (3:6, 1:6) bzw. im French-Open-Halbfinale 2010 (2:6, 3:6, 6:7 (6)) keinen Satz gewonnen. Als sie am 14. Oktober 2010 neuerlich aufeinandertrafen, hatte Nadal in dieser Spielzeit bei den letzten drei Grand-Slam-Turnieren triumphiert und war die unangefochtene Nummer eins in der Welt. Die Vorzeichen waren also klar, Melzer jedoch zeigte vor, wie man dem "Stier von Manacor" beizukommen vermag. Sein - zumindest in der blanken Theorie - simples Rezept lautete: vollste Attacke. Und es ging voll und ganz auf.
Aus allen Rohren geschossen - und getroffen
Es war eine absolut beeindruckende Demonstration seines riesigen Könnens, die der Deutsch-Wagramer an diesem Tag ablieferte. Der derzeit ja verletzungsbedingt außer Gefecht gesetzte 34-Jährige schoss aus allen Rohren, vor allem mit seiner Vorhand landete er etliche knallharte Wirkungstreffer, ließ aber auch das von ihm bekannte Ballgefühl zu keiner Zeit vermissen. So glückte ihm letztendlich, in der klar besten Saison seiner Laufbahn, mit einem hochverdienten 6:1, 3:6, 6:3 der zweite Sieg eines Österreichers über einen amtierenden Weltranglisten-Ersten nach Thomas Muster s 7:5, 6:3 über Pete Sampras (USA) im Indian-Wells-Achtelfinale 1998.
Auch als es im Finish hart auf hart ging, behielt Melzer damals die Ruhe. Schon bei einer 5:2-Führung im dritten Satz vergab er mehrere Matchbälle und hatte den Erfolg auf dem Schläger gehabt, dachte kurzzeitig sogar, das Match gewonnen zu haben. Befürchtungen, im nächsten Game könnte die Strafe in Form eines Aufschlagverlustes auf den Fuß folgen, bewahrheiteten sich allerdings nicht: Trocken servierte der damalige Schützling von Joakim Nyström , vor den Augen seiner Ex-Freundin Mirna Jukic, zu null aus. Wie viel ihm dieser Erfolg bedeutete, war ihm deutlich anzumerken. Seht euch hier die überaus spannende Schlussphase im Video an.
Hier die Stellungnahmen von Melzer und Nadal nach der Partie.
Schlechtes Omen für Thiems Finalmatch?
Melzer brachte dieses Karriere-Highlight kein Glück. Im Viertelfinale unterlag er damals dem Argentinier Juan Monaco , den er in der Vorwoche davor in Tokio noch erstmals besiegt hatte, mit 7:6 (6), 5:7, 2:6. Ob es Thiem nach einem derartigen Coup besser ergeht, das wird sich am Sonntagabend (18:00 Uhr MEZ, live auf ORF SPORT+) zeigen. Gegner im Titelkampf ist der Spanier Nicolas Almagro . Eine kleine Parallele zu Melzer: Thiem hat Almagro ebenfalls beim letzten Turnierstart in Runde zwei der Australian Open in Melbourne bezwungen. Hoffentlich kein schlechtes Omen...
