Das bittere Ende der Tennis-WM – Roger Federers Verzicht aufs Finale

„Ich bin todunglücklich“: Die ATP World Tour Finals erleben durch die Absage von Roger Federer nicht den erhofften Abschluss.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 16.11.2014, 19:56 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus London

Spät am Samstagabend war er noch am größten WM-Spiel dieses Jahres beteiligt. Mit unerschütterlicher Moral und riesigem Kampfgeist machte Roger Federer da das schier Unmögliche doch noch möglich, ein wahrer Houdini-Akt war der4:6,-7:5,-7:6-(6)-Halbfinal-Siegbei den ATP World Tour Finals in London über seinen LandsmannStan Wawrinka– mit imponierenden Aufholjagden gleich mehrfach und mit vier abgewehrten Matchbällen.

18,5 Stunden später allerdings war klar, dass dieses nervenzehrende Duell der beiden Schweizer Freunde und Weggefährten nicht etwa das Vorspiel zu etwas noch Größerem bei diesem Championat war – sondern schon das Ende, ein Pyrrhussieg. Statt sich dem Weltranglisten-ErstenNovak Djokoviczum Showdown um den WM-Pokal stellen zu können, trat Federer um 17:30 Uhr Ortszeit zerknirscht vor die erwartungsfreudigen Zuschauer in der O2-Arena und verkündete seinenRückzug aus dem Endspiel. „Ich bin nicht fit genug, um ein Match gegen Novak spielen zu können“, sagte der 33-jährige, „es tut mir so leid für Sie alle, für die Tennisfans hier in London.“ Es gab milden Applaus für Federer, der danach noch Dutzende Autogrammwünsche erfüllte – und dann durch jenes Tor den Hallenpalast verließ, aus dem die Gladiatoren gewöhnlich zum Duell eingelassen werden.

Federer: „Es wäre einfach sinnlos gewesen“

Nichts war also mehr Roger – und alles vorbei für ihn, den Mann, der in den letzten Monaten gemeinsam mit dem kampflos zum Sieger erklärten Djokovic dem Geschehen im Welttennis den prägenden Stempel aufgedrückt hatte. „Ich bin todunglücklich. Das ist schon ein harter Schlag für mich“, sagte er. Spät in der Partie gegen Wawrinka habe er sich am Rücken verletzt und nicht regenerieren können, so Federer, „es wäre einfach sinnlos gewesen. In meinem Alter kann ich keine Risiken eingehen.“ Damit erlebte eine ohnehin schon schwache Weltmeisterschaft, die meist nur Schlagzeilen wegen der eintönigen und einseitigen Spiele geliefert hatte, auf dem Zielstrich einen negativen Höhepunkt, mit dem ersten Finale, das ohne einen einzigen Punkt auf dem Centre Court entschieden wurde. „So zu gewinnen, ist überhaupt nicht schön. Ich weiß, dass Roger sich das nicht einfach gemacht hat“, sagte Djokovic später bei einer schmucklosen Siegerzeremonie.

Bitter waren die unerfreulichen Ereignisse vor allem für Wawrinka, den Verlierer der dramatischen Halbfinal-Partie des Samstags. Zum ersten Mal war derAustralian-Open-Championdicht an einem großen Sieg über sein Idol dran gewesen, speziell bei einer 4:2- und 30:0-Führung im dritten, entscheidenden Akt. Anderntags, nach Federers Verzicht, schien es dann, als verlöre Wawrinka das Spiel gleich noch einmal, und zwar noch grausamer. „Federer und Wawrinka kommen mir vor wie zwei Formel-1-Fahrer, die in einer der letzten Kurven kollidierten und einem lachenden Dritten Platz machten“, sagte bei der BBC der ehemalige ProfiAndrew Castle.

Wilander: „Ohne den Davis Cup hätte Roger es sicher probiert“

Federers Verzicht war allerdings auch nicht zu trennen vom Davis-Cup-Finale am kommenden Wochenende, bei dem er, Wawrinka und die Schweizer Mannschaft erstmals die hässlichste Salatschüssel der Welt im französischen Lille gewinnen können. Kaum auszudenken, welche Reaktionen Federer bei einem Start im WM-Finale, aber dann einem Rückzug für den Nationenwettbewerb heraufbeschworen hätte. „Ohne den Davis Cup hätte Roger es sicher probiert“, sagteMats Wilander, der frühere Weltranglisten-Erste aus Schweden. Viel Zeit, um wieder fit zu werden, bleibt Federer allerdings nicht, schon am Freitag stehen in Nordfrankreich auf Sand die ersten Einzel an. Federer, das war bisher jedenfalls die Idealvorstellung im Schweizer Team, könnte an zwei, wenn nicht gar drei Davis-Cup-Tagen als Punktlieferant im Einsatz sein.

Ganz tennisfrei blieb der Finalabend in der O2-Arena übrigens nicht. Der längst ausgeschiedene LokalmatadorAndy Murrayspielt zunächst einen Trainingssatz gegen  Djokovic, danach treten Murray,John McEnroe,Pat CashundTim Henmannoch zu einem Showdoppel an. Nicht alle Fans besänftigte das: An den Informationsständen der O2-Arena gab es teils lautstarke Proteste, kein Wunder bei Preisen von 150 bis 600 Euro für das Endspiel. Die ATP gab bekannt, sie werde in den nächsten Tagen ein Entschädigungsmodell vorlegen.

Hier die Ergebnisse aus London.

Hier der Spielplan.

von tennisnet.com

Sonntag
16.11.2014, 19:56 Uhr