Starker Dominic Thiem unterliegt trotz Satzführung Novak Djokovic

Beim Debüt beim Masters in London gewinnt Österreichs Jungstar gegen den "Djoker" erstmals einen Satz, aber nicht das Match.

von Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet: 13.11.2016, 00:00 Uhr

Dominic Thiem

Es war bis auf den zweiten Satz ein durchaus beeindruckender Premierenauftritt, den Dominic Thiem bei den ATP World Tour Finals in London hingelegt hat. Für den ersten Sieg im ersten Match hat es allerdings nicht gereicht: Der 23-Jährige hat am späten Sonntagnachmittag seine Auftaktpartie in der Gruppe Ivan Lendl, der Papierform nach erwartungsgemäß, verloren. Der achtgereihte Niederösterreicher (ATP 9) unterlag dem zweitgesetzten Serben Novak Djokovic (ATP 2), dem Champion der letzten vier Ausgaben, nach 2:02-stündigem Kampf mit 7:6 (10), 0:6, 2:6. Während der Favorit hiermit einen ersten Schritt in Richtung des Halbfinales machte, steht Thiem bereits mächtig unter Zugzwang, will er noch unter die letzten Vier einziehen, der Satzgewinn könnte sich allerdings noch als wertvoll erweisen. Am kommenden Dienstag wird Djokovic nunmehr gegen den Gewinner des Sonntag-Abendspiels zwischen dem kanadischen Aufschlagriesen Milos Raonic (ATP 4) und dem französischen Showman Gael Monfils (ATP 6) einlaufen, nämlich Ersterem, Thiem gegen Monfils.

Hochdramatisches Tiebreak an Thiem

"Ich bin hier, um es zu genießen", hatte Djokovic im Vorfeld betont - dies war zunächst mehr Thiem anzumerken, der sich bei seinem Masters-Debüt zumindest nach außen hin so gar nicht nervös zeigte, vorm Einschlagen mit Stuhlschiedsrichter Carlos Bernardes locker scherzte und von Beginn weg voll dagegenhielt. Djokovic hatte in seinen Aufschlaggames meist bedeutend weniger Mühe, gewann bis zum Tiebreak vier Punkte mehr, kam jedoch bloß bei 2:1 zu einem Breakball, den Thiem abwehrte. Die massive Gegenwehr des ganz krassen Außenseiters tat es den Zusehern in der randvollen O2-Arena an - besonders die Punktgewinne des Österreichers wurden lautstark beklatscht und bejubelt. Mit einer starken Aufschlagleistung, seiner zunächst auch bestens funktionierenden Rückhand und mehr als ebenbürtigem Grundlinien-Spiel nahm der Lichtenwörther im Finish gar zusehends das Heft in die Hand, kam bei 5:5 seinerseits zum einzigen Breakball des ersten Satzes, den er mit einem Rahmenball aus der Rallye heraus aber ebenfalls vergab. So musste die Kurzentscheidung her.

Hatte Thiem bis zu dieser bei vier Assen, keinem einzigen Doppelfehler und tollen 75 Prozent ersten Aufschlägen im Feld gehalten, so leistete er sich ausgerechnet jetzt fast verhängnisvolle Aussetzer beim Service, beim Stande von 6:3 schlug er plötzlich zwei Doppelfehler, musste in einem ungemein dramatischen und intensiven Tiebreak bei 8:9 auch einen Satzball abwehren. Bei eigenem Satzball konnte er sich auf seinen Aufschlag auch weiterhin nicht verlassen. Erst beim insgesamt siebten (!) versenkte er seine Vorhand inside-in an Djokovic vorbei. Während Thiem erleichtert lächelnd seine Faust ballte, ließ der "Djoker" seiner Frustration freien Lauf, mächtig Dampf ab - und schlug einen Ball aufkommend in die Richtung seiner Box mit Boris Becker und Marian Vajda . Doch so sehr es dem Publikum klar gefiel, dass ein junges, bei den ATP World Tour Finals neues Gesicht einen Arrivierten, zwölffachen Grand-Slam-Champion und bis vor kurzem zudem Weltranglisten-Leader dermaßen ärgerte: In dieser Tonart sollte es nicht weitergehen, vielmehr ganz im Gegenteil.

Eine kleine offene Türe reicht dem "Djoker"

Djokovic hatte sich bereits nach drei Spielen bei 2:1 ein Medical Timeout genehmigt und sich am rechten Daumen behandeln lassen müssen, strahlte im ersten Abschnitt weiter keineswegs jene Souveränität aus, welche ihn in der ersten Saisonhälfte einmal mehr alles abräumen hatte lassen. Doch der 29-Jährige bewies auch einmal mehr, aus welchem Holz er geschnitzt ist und wie schwierig es ist, das von Thiem vorgelegte Tempo gegen ihn über die gesamte Distanz zu halten. Ein lediglich kleines Energieloch des Österreichers, der im Tiebreak eine Menge Kraft gelassen hatte und mit einigen vermeidbaren Fehlern mehr nachhalf, nützte Djokovic sogleich aus, steigerte sich nun merklich, gewann die ersten drei Games zu 30 und zog sein konstantes, fehlerarmes Spiel allmählich beinhart durch. Mit Doppelbreak gegen sich war für Thiem dann nichts mehr zu holen. Im dritten Durchgang fand er wieder besser hinein, ließ fallweise seinen Glanz aus dem ersten Satz wieder durchblicken, Djokovic präsentierte sich jedoch kompakter, schlug bei den zwei Breakchancen sofort zum 2:1 und 5:2 zu und ließ nichts mehr zu.

"Ich denke, es war ein gutes Match mit einem großartigen ersten Durchgang", sagte Thiem im Interview auf dem Platz, "nach dem ersten Satz habe ich ein bisschen an Energie verloren, die es eben braucht, um gegen Novak eng und gut zu spielen. Aber alles in allem war's heute eine unglaubliche Erfahrung, vor dieser Wahnsinns-Bühne und vor diesem fantastischen Publikum - ich freue mich aufs zweite Match." Thiem bekräftigte, dass "dies eines der besten Events im Herrentennis" sei, "es ist für mich eine unglaubliche Ehre, hier zu spielen und mindestens drei Partien zu haben. Natürlich bin ich jetzt ein bisschen müde und leer, aber ich kann es gar nicht erwarten, mein nächstes Match zu spielen."

von Manuel Wachta

Sonntag
13.11.2016, 00:00 Uhr