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Australian Open: Die Beharrungskraft der außergewöhnlichen Gentlemen

Die viel zitierte Wachablösung im Herrentennis? Muss noch warten. Denn Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic sind nach wie vor die Spieler, die es zu schlagen gilt.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 27.01.2019, 08:41 Uhr

Novak Djokovic, Rafael Nadal, Roger Federer
© Getty Images
Novak Djokovic, Rafael Nadal, Roger Federer

Beim Abgang aus der Rod-Laver-Arena spitzte Roger Federer noch mal die Ohren. Gerade war der Schweizer Maestro nach einem zähen Grand-Slam-Fight gegen den hellenischen Jüngling Stefano Tsitsipas ausgeschieden, da hörte der 37-jährige Großmeister noch ein paar Wortschnipsel vom Centre-Court-Interview des stolzen Gewinners mit John McEnroe.

Ein Wörtchen elektrisierte den 20-maligen Majorgewinner dabei besonders, das Wörtchen „Wachablösung“ aus dem Munde McEnroes. Fast ungefragt kam Federer später bei seinen Medienterminen selbst darauf zu sprechen, der Unterton war durchaus leicht höhnisch: „Seit zehn Jahren höre ich das. Ich glaube nicht, dass man bisher davon sprechen kann – oder?“

Federer, Nadal, Djokovic: Seit über einem Jahrzehnt an der Spitze

Federer selbst hatte zwar nicht die entsprechenden Argumente geliefert, beim ersten Topevent der Saison 2019. Aber seine alten Weggefährten und Rivalen sind ihm gewissermaßen als zuverlässige Kronzeugen zur Seite gesprungen, als Advokaten gegen eine Veränderung der gewohnten Machtbalance. Denn wenn an diesem Sonntag das Endspiel der Offenen Australischen Meisterschaften über die Bühne geht, dann in einer höchst vertrauten Schlachtordnung – mit Novak Djokovic und Rafael Nadal sind nicht nur die Nummer 1 und Nummer 2 der Weltrangliste am Start.

Sondern auch zwei Hauptdarsteller aus jener Klasse der außergewöhnlichen Gentlemen, die seit über einem Jahrzehnt die Szene mit eisernem Griff beherrschen. Nummer 53 des Tennis-Classico zwischen dem Serben und dem Spanier illustriert nur eins: Die Standfestigkeit, das Beharrungsvermögen der ewigen Giganten, dieser Marathonläufer in der Weltspitze. „Hat wirklich jemand geglaubt, diese Burschen würden einfach so weggehen – schon jetzt, schon hier“, sagte der ehemalige Superstar Boris Becker, der beim Turnier am anderen Ende der Welt für Eurosport kommentiert.

Für viele Jahrgänge, die ins Profitennis aufrückten, waren die Big Four oder Big Five, wenn man neben Djokovic, Nadal und Federer noch die jeweils dreimaligen Grand-Slam-Champions Murray und Wawrinka hinzurechnet, äußerst bittere Spielverderber. Ehemals hoffnungsvolle Talente wie der elegante Bulgare Grigor Dimitrov, der wuselige Japaner Kei Nishikori oder der aufschlagstarke Kanadier Milos Raonic werden inzwischen schon als „verlorene Generation“ bezeichnet.

NextGen um Zverev und Tsitsipas ohne reelle Chance

Und nun scheint es so, als müssten sich die Asse der nächsten Abteilung Sturm und Drang auch noch weiter in Geduld üben, jedenfalls hatte keiner der Spieler aus der Altersgruppe Anfang Zwanzig eine reelle Chance in Melbourne. Am weitesten kam Tsitsipas, aber er kam eben nur bis ins Halbfinale – und wurde dort von Nadal abserviert, in drei erbarmungslos klaren Sätzen. Zverev, der 21-jährige ATP-Weltmeister, hatte sich da längst schon verabschiedet aus Melbourne, für Aufregung sorgten spät in der zweiten Woche allenfalls ein paar Turtelbilder, die ihn mit seiner Freundin Olga Sharypova zeigten.

Gerade die großen Turniere sind und bleiben in der Hand der paar Eliteprofis, der Besten der Besten aller Zeiten. Bei den Australian Open teilten sich seit 2006 Djokovic (6), Federer (5), Nadal (1) und Wawrinka (1) den Kuchen auf, bei den French Open Nadal (10), Federer, Djokovic und Wawrinka (jeweils 1). Wimbledon, seit jeher ein Pflaster für die Upper Class, sah in diesem Zeitraum Federer (5), Djokovic (4), Nadal (2) und Murray (2) als Titelhelden. Nur in New York, auf der Zielgeraden der Saison, gab es einige Überraschungsmomente, aber wirklich nur hier: Neben Federer, Nadal und Djokovic (jeweils 3) sowie Murray und Wawrinka (jeweils 1) gewannen auch Marin Cilic und Juan Martin del Potro ein Mal.

Macht Big Five gegen den Rest der Welt: 48:4. Nach den Australian Open wird es 49:4 stehen, entweder mit dem neuen Melbourne-Rekordsieger Djokovic und seinem siebten Titel. Oder mit Nadal als Champion, zehn Jahre nach seinem bisher einzigen Triumph in Melbourne.

von Jörg Allmeroth

Sonntag
27.01.2019, 08:30 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.01.2019, 08:41 Uhr