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Australian Open: "Greek Wunderkind" Stefanos Tsitsipas erreicht Halbfinale

Der 20-Jährige besiegte den Spanier Roberto Bautista Agut (Nr. 22) mit 7:5, 4:6. 6:4, 7:6 (2) und erreichte als erster Grieche überhaupt das Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers.

Dort trifft er am Donnerstag entweder auf Rafael Nadal (Spanien/Nr. 2) oder den ungesetzten Frances Tiafoe (USA).  

von Ulrike Weinrich aus Melbourne
zuletzt bearbeitet: 22.01.2019, 09:19 Uhr

Stefanos Tsitsipas bei den Australian Open
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Stefanos Tsitsipas bei den Australian Open

Nach 3:15 Stunden verwandelte der Weltranglisten-15. Tsitsipas seinen zweiten Matchball, lies sich auf den Rücken fallen - und hält die NextGen beim "Happy Slam" im Rennen.

"Ich lebe meinen Traum, aber alles ist wahr und passiert gerade. Es ist toll", sagte er im On-Court-Interview. In seiner Box jubelten unter anderem seine kleine Schwester Elisavet und sein Bruder Petros. Tsitsipas ist der jüngste Spieler seit Novak Djokovic 2007 (US Open), der die Vorschlussrunde eines Majors erreichte.

Zwei Tage nach seinem formidablen Viersatztriumph über Titelverteidiger Roger Federer kassierte das "Greek Wunderkind", wie ihn die Tageszeitung "The Age" nennt, gleich zu Beginn ein Break. Erstaunlich: Was Bautista Agut nach wenigen Minuten gelang, war dem "Maestro" an Sonntag in 3:45 Stunden nicht ein einziges Mal geglückt. 

Doch Tsitsipas schlug zurück, ging beim 5:4 erstmals in Führung und holte sich kurz darauf nach 49 Minuten den ersten Durchgang.  

Auch diesmal wieder hatte sich weit vor Spielbeginn eine hellenische Armada in blau-weiß vor der Rod Laver Arena versammelt, die ihren "Stef" mit Sprechchören feierten. In Melbourne befindet sich die größte hellenische Community außerhalb Griechenlands.

Die meisten der lautstarken Fans ließen sich im Garden Square vor der riesigen Leinwand nieder, weil sie keine Eintrittskarten besaßen. Selbst zwei australische Polizisten ließen sich vom Tsitsipas-Fieber anstecken und wedelten kurz mit einer Griechenland-Flagge.

Mouratoglou hält große Stücke auf "Stef"

Nach dem geglückten Start zeigte in der Players-Box Patrick Mouratoglou, der Chefcoach von Serena Williams, die Faust. In der Akademie des Franzosen, Sohn eines griechischen Millionärs, trainiert Tsitispas und gehört dort in Nizza zum sogenannten "Team M", einer kleinen Gruppe von Profis, die im Welttennis besondere Erwartungen schürt und deshalb beim Trainer-Guru besondere Privilegien genießt. 

Und Mouratoglou machte jüngst keinen Hehl daraus, dass für Tsitsipas der Gewinn eines Major-Titels das Ziel sein muss. "Unser Aufgabe ist es, jeden Spieler an sein Maximum zu führen. Wenn sie kein Grand-Slam-Turnier gewinnen, dann haben wir aus meiner Sicht unseren Job nicht komplett richtig erledigt. Das stellt nicht zufrieden", meinte der 48-Jährige.

Eine Nahtoderfahrung hat Tsitsipas geprägt

Tsitsipas erzählte in diesen Tagen auch, wie ihn ein besonderes Erlebnis in der Jugend entscheidend geprägt habe. Am Rande eines  Future Turniers in Heraklion wurde er als 14-Jähriger beim Schwimmen im Meer von seinem Vater Apostolos vor dem Ertrinken gerettet.

"Ich habe dieses Gefühl des Sterbens gespürt", meinte Tsitsipas, für den diese Nahtoderfahrung tiefgreifende Folgen hatte: "Damals hat sich alles verändert: Meine Perspektive zu allem, die Einstellung zum Leben generell." Was zur Folge hatte, dass er auch auf dem Court "keinerlei Furcht" mehr hatte. Eine gute Voraussetzung.  

Bautista Agut, die Nummer 24 im ATP-Ranking, gelang auch im zweiten Satz ein frühes Break, das er diesmal bis zum Ende transportieren konnte. Tsitsipas wirkte in dieser Phase müde. Und seine Fans mussten schon befürchten, dass ihn seine vier Partien zuvor (16 Sätze) zu viel Kraft gekostet hatten.

Stefanos Opa holte in Melbourne olympisches Gold

Doch der Rechtshänder mit den wilden Locken und dem "100-Watt-Lachen" (Herald Sun) überstand diese physisch kritische Phase. Auch im dritten Durchgang verlor "Stef" sein Service zwar früh, aber wie bereits in der Partie gegen Federer hielt er an seinem Matchplan fest und setzte auf eigene Winner anstatt auf die Fehler seines Gegners. Dies wurde mit der 2:1-Satzführung belohnt.

Das Selbstvertrauen nahm er mit in die entscheidende Phase. Nachdem er beim Stand von 6:5 und Aufschlag "RBA" einen Matchball vergeben hatte, erspielte sich Tsitsipas im Tiebreak eine 3:0-Führung - und stand wenig später als Sieger fest.

Kuriosum am Rande: Sein Großvater Sergei Salnikov hatte in MELBOURNE (!)  1956 mit der russischen Fußball-Nationalmannschaft olympisches Gold gewonnen. Gibt es ein besseres Omen für den neuen griechischen "Tennis-Gott"? 

von Ulrike Weinrich aus Melbourne

Dienstag
22.01.2019, 06:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 22.01.2019, 09:19 Uhr