Basilashvili-Coach Jan de Witt - „Für die Topspieler kaum zu schaffen“

Jan de Witt, Coach von Nikoloz Basilashvili, im tennisnet-Interview über die Verlegung der French Open, Trainingsmöglichkeiten mit seinem Spieler und seine Erfahrungen beim ATP Cup.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 18.03.2020, 13:38 Uhr

Jan de Witt muss im Moment - wie alle Tennis-Coaches - improvisieren
© Jürgen Hasenkopf
Jan de Witt muss im Moment - wie alle Tennis-Coaches - improvisieren

tennisnet: Herr de Witt. Am Dienstag hat der französische Tennisverband die Verlegung der French Open in den September 2020 bekanntgegeben. Ihre erste Reaktion?

Jan de Witt: Die ist wie die von vielen anderen auch: sehr überrascht. Wenn man zuhause ist, bekommt man ja auch nicht so viel mit. Dennoch hätte ich erwartet, dass da erheblich mehr an Abstimmung stattfindet. Ich habe am Abend vor der Entscheidung noch mit meinem Spieler telefoniert - und der wusste auch nichts. Ich finde, hier hätte unbedingt mehr Kommunikation stattfinden müssen. Wir können jetzt nicht dazu übergehen, dass jeder einfach das macht, was für ihn individuell am besten ist. Wir haben ja einen über Jahre gewachsenen Kalender. Diesen in dieser Art und Weise durcheinander zu wirbeln, ist sicherlich keine gute Idee.

tennisnet: Die Veranstalter des Laver Cup haben sofort geäußert, dass sie ihren Termin nicht abgeben werden. Wer wird diese Machtprobe gewinnen?

De Witt: Keine Ahnung. Ich kann nur mein Verwundern darüber ausdrücken, wie diese Entscheidung gefallen ist. Ich kann verstehen, dass die Franzosen in einer schwierigen Situation sind. Aber so, wie sie es gemacht haben, sollten wir das in unserer Sportart nicht tun. Ich bin sehr gespannt, wie jetzt die Spieler reagieren, weil letztlich sind sie die entscheidenden Akteure für ein Event. Selbst die French Open können das vergessen - wenn nämlich die Spieler sagen, wir stehen zu unseren Vereinbarungen mit der ATP und mit den anderen Turnieren. Es gibt das Problem, dass man innerhalb von fünf Wochen zwei Slams durchspielen müsste, was körperlich für die Topspieler kaum zu schaffen ist. Wir haben häufig erlebt, wie schwierig das ist, den Kalender auch nur für eine Woche zu bewegen. Es würde mich nicht wundern, wenn das noch weitere Proteste nach sich zieht.

tennisnet: Die Informationspolitik des Französischen Tennisverbandes ist also suboptimal gewesen. Wie sieht es in diesen Tagen bei der ATP aus?

De Witt: Wir bekommen von der ATP nicht so viele aktuelle Informationen. Man telefoniert mit Leuten, die man ganz gut kennt, und versucht sich schlau zu machen. Ich war ja persönlich nicht in den USA, dort gab es aber noch die Möglichkeit, mit der ATP zu sprechen. Nur: Die Leute, die da waren und unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren sind, die sind auch nicht schlauer als ich. Ich glaube, die ATP weiß selber nicht so richtig, wie es weitergeht.

De Witt - "Die Fußballer setzen sich einfach in den Bus"

tennisnet: Sie sind bekanntermaßen in mehreren Disziplinen aktiv, unter anderem auch im Fußball mit Ihrem Engagement bei Werder Bremen. Lassen sich Vergleiche ziehen?

De Witt: Im Vergleich zum Fußball haben wir einen großen Vorteil und einen großen Nachteil. Wenn die Situation sich irgendwann mal wieder bessert, haben die Fußballer den Vorteil, dass sie sich einfach in den Bus setzen können, also die 20 Leute plus der Staff, der wirklich notwendig ist. Dann fahren sie in die nächste Stadt und spielen dort, wahrscheinlich ohne Zuschauer. Der große Nachteil ist allerdings, dass es beim Fußball sehr viel Körperkontakt gibt. Und damit die Chance einer Übertragung sehr viel höher ist als bei uns Tennisspielern.

tennisnet: Also Vorteil Tennis?

De Witt: Vom rein Sportlichen her kann Tennis viel früher wieder gespielt werden als alle Teamsportarten. Kein Körperkontakt ist im Tennis relativ einfach zu gewährleisten. Tennis ist natürlich auch eine perfekte Fernseh-Sportart - die ganze Welt hockt zuhause und würde gerne etwas gucken, es gibt aber nix. Da werden sich die Verantwortlichen sicherlich Gedanken machen. Unser großer Nachteil ist aber die Reiserei. Unsere Spieler kommen aus der ganzen Welt. Wenn Reisen nicht durchgeführt werden können, funktioniert das von mir gezeichnete Bild natürlich nicht.

tennisnet: Wie sieht denn im Moment Ihre Arbeit mit Nikoloz Basilashvili aus?

De Witt: Mit meinem Spieler kann ich derzeit nicht arbeiten. Der war mit unserem Fitnesscoach in den USA und ist dann nach Hause geflogen. Niko ist jetzt in Georgien. Aber selbst wenn ich eine Tennishalle hätte, könnte er gar nicht hierher kommen, weil die EU zu ist. Wir sind allerdings davon ausgegangen, dass die Pause länger als sechs Wochen dauern wird. Und unser Plan war und ist, dass wir eine zweite Saisonvorbereitung machen, weil wir im Dezember nach Nikos Ellbogen-Operation keine Zeit hatten, unseren Plan hundertprozentig durchzuziehen. Wir haben ihn wettkampffit bekommen, aber auch nicht mehr als das. Jetzt wäre die Idee, dass er noch einmal vier Wochen lang Reha und Fitness macht, um anschließend vollkommen fit und belastbar zu sein, dass, wenn abzusehen ist, dass wir wieder spielen, wir uns voll auf´s Tennis konzentrieren.

tennisnet: Daran anknüpfend vielleicht noch: Sie waren als Coach von Nikoloz Basilashvili auch Teil des georgischen Betreuerteams. Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?

De Witt: Ich war total begeistert. Ich fand das Event super, die Idee auch, die Umsetzung. Es war großartig organisiert. Ich habe selbst Fußball und Volleyball gespielt, komme also aus Teamsportarten, und wie das beim ATP Cup organisiert war mit diesen Teambänken, das fand ich großartig. Die Kommunikation mit den Spielern und mit den Fans fand ich klasse. Und wir haben dieses Highlight gehabt, dass wir gegen Nadal in der Night Session in Perth angefangen haben. Und dann sitzt man auf dem Platz und darf endlich auch offiziell coachen. Die Einflussmöglichkeiten waren deutlich größer und besser. Die einzige Kritik, die ich nachvollziehen kann, war, dass die Teams so ungleich stark waren. Wir hatten ja ein sogenanntes Ein-Mann-Team am Start. Mit einem Spieler, der auf 20 steht. Und der nächste erst auf 500. Trotzdem hat dieser Spieler dann einen Punkt geholt. Und unser Doppel auch. Mit zwei Jungs, die so gut wie keine ATP-Punkte haben. Und dennoch super Tennis spielen können. Für die Spieler und auch für das Land Georgien war das eine großartige Sache, auf dieser Bühne dabei zu sein.

von Jens Huiber

Mittwoch
18.03.2020, 14:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 18.03.2020, 13:38 Uhr