Carlo Tränhardt: „Mit Roger Federer Tennis zu gucken ist ein Welterlebnis“

Carlo Tränhardt war in den 1980er-Jahren einer der weltbesten Hochspringer, seine Bestmarke steht bei 2,42 Metern. Seine ganz große Liebe gilt aber dem Tennissport. Ein sehr entspanntes Gespräch am Rande des ATP-Tour-250-Turniers in München.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 29.04.2022, 07:27 Uhr

Carlo Tränhardt: Seit Jahren integratives Mitglied im Davis-Cup-Betreuerteam des DTB
© Getty Images
Carlo Tränhardt: Seit Jahren integratives Mitglied im Davis-Cup-Betreuerteam des DTB

tennisnet: Herr Tränhardt. Wie war Ihr Eindruck von Philipp Kohlschreiber bei seinem vielleicht letzten Auftritt in München?

Carlo Tränhardt: Logischerweise reitet man mit 39 Jahren in den Sonnenuntergang. Ich habe das Match gegen Daniel Altmaier gesehen und finde, dass Kohli richtig geil gespielt hat. Den ersten Satz muss er gewinnen, da war er besser. Da fehlte ihm die letzte Konsequenz. Und ein bisschen Pech mit Netzrollern ist auch dazugekommen. Aber das gehört dazu. Ich habe es geliebt, ihn spielen zu sehen. Philipp wird die richtige Entscheidung treffen, wann es Zeit ist, aufzuhören.

tennisnet: Philipp Kohlschreiber haben Sie ja persönlich, aber auch in Ihrer Funktion als Teil des Betreuerteams der deutschen Davis-Cup-Mannschaft begleitet. Am Dienstag wurden Deutschland Frankreich, Belgien und Kanada als Gegner zugelost. Wie sehen Sie diese Konstellation - auch in der Annahme, dass Alexander Zverev in Hamburg für Deutschland spielen wird?

Tränhardt: Mit Sascha kannst Du das Ding gewinnen. So einfach ist das. Wir haben voriges Jahr in Innsbruck ohne Sascha, dafür mit einem fantastischen Struffi, einem tollen Doppel, einer großen Mannschafts-Leistung das Halbfinale erreicht. Das Zusammengehörigkeitsgefühl bei uns ist gerade richtig geil. Wenn wir das in den September und dann ins Finale weitertragen können, ist alles möglich. Und Sascha ist immer für zwei Punkte gut. Er war etwa in Rio unglaublich. Nach einer schwierigen Anreise aus Acapulco. Er hat sich sofort in die Mannschaft integriert, alle waren froh, dass er Sascha da war.

Tränhardt zur Davis-Cup-Mannschaft: "Es ist ein tolles Team"

tennisnet: Wie sieht Ihre Aufgabe während der Davis-Cup-Woche aus?

Tränhardt: Die Davis-Cup-Leute sehe ich ja nur wenige Tage. Dann besprechen wir deren physische und mentale Verfassung, was sie in der Vorwoche gemacht haben, etc. Man hat nicht viel Zeit. Es geht in erster Linie darum, die Muskulatur auf den bestmöglichen Status für die Matches zu bringen. Dass sich jeder frisch fühlt, Bock hat, hungrig ist auf den Sieg. Und wir versuchen eben diese Homogenität der Individualisten in einer Mannschaft zu erreichen. Und da bin ich ein kleines Mosaiksteinchen.

tennisnet: Der Eindruck von außen ist, dass sich Alexander Zverev in diesem Team sehr wohl fühlt.

Tränhardt: Ja. Es ist auch ein tolles Team, es sind tolle Menschen dabei. Wir gehen alle respektvoll miteinander um, haben viel Spaß. Die Kunst ist es, das über die Tage hinweg bis ins Wochenende zu tragen. Aber das machen die Spieler ja von sich aus auch sehr gut.

tennisnet: Sie schauen ja auch gerne über die Landesgrenzen. Also: Als Sie die acht Fuß, also 2,40 Meter übersprungen haben, muss das ja irgendwie wie das Erreichen eines Lebensziels gewesen sein. Dominic Thiem hat mit den US Open sein Lebensziel erreicht. Und ist bald danach in ein mentales Loch gefallen. Können Sie das nachvollziehen?

Tränhardt: Ich schätze Dominic ungemein, kenne ihn auch ganz gut. Bei mir war es so: Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich noch höher springen konnte. Und wollte nicht aufhören, ohne mein Potenzial ausgeschöpft zu haben. Ich finde, dass Dominic noch mehr Grand-Slam-Turniere hätte gewinnen können, die Australian Open 2020 etwa. Aber er braucht für sein Spiel sehr viel Kraft. Ich hoffe, er wird wieder komplett gesund und wünsche ihm alles Gute.

"Ich finde Alcaraz geil"

tennisnet: In den letzten Wochen hat Carlos Alcaraz die ATP-Tour ordentlich aufgemischt. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Tränhardt: Ich finde Alcaraz geil. Unfassbar das Match gegen Tsitsipas in Barcelona. Tsitsipas spielt eine Vorhand longline mit 300 km/h - und Alcaraz spielt einen Rückhand longline mit 400 zurück, der gar nicht mehr möglich war. Und er scheint auch ein netter Kerl zu sein, obwohl ich ihn persönlich nicht kenne. Als ihn Tsitsipas abschießen wollte, hat er sich nur an die Nase gegriffen, was in Spanien bedeutet: „Das war jetzt nicht so fein von Dir.“.

tennisnet: Man hört oft, dass das deutsche Schulsystem verhindert, dass Talente wie Alcaraz oder auch Holger Rune sich so prächtig entfalten können. Sehen Sie das auch so? Wie sehen die Parallelen zu Ihrer Sportart, der Leichtathletik aus?

Tränhardt: Bei der Leichtathletik kann man es miteinander vereinbaren. Man braucht etwa keine Spielpartner. Im Tennis ist die Organisation sehr viel komplexer. Und mit unserem Schulsystem sind Umfänge wie in anderen Ländern nicht umsetzbar.

"Bei den Fußballern wünsche ich mir mehr Demut"

tennisnet: Und das Risiko ist hoch. Schließlich können vergleichsweise wenige Tennisspieler auf der Welt wirklich von ihrem Beruf leben.

Tränhardt: Ich war vor ein paar Tagen Teilnehmer an einer TV-Diskussion im Bayerischen Rundfunk. Da habe ich versucht, eine Relation zum Fußball hinzubekommen. Tennisspieler trainieren sehr viel gevifter und detaillierter, finde ich. Im Fußball ist das nicht so. Fußball ist trivialer. Es ist die Masse an Menschen, die dem Fußball dieses immense Einkommen beschert, wo jeder, der einigermaßen geradeaus laufen kann, in der Bundesliga drei, vier Millionen verdient. Dass es bei der Verteilung der Gelder keine Gerechtigkeit gibt, darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber ich würde mir manchmal ein bisschen mehr Demut bei den Fußballern wünschen.

tennisnet: Geben Sie uns zum Abschluss noch einen Spieler, für den Sie bereit sind, am meisten Eintritt zu bezahlen. Egal, ob jung oder alt.

Tränhardt: Ich spiele ja selbst eine einhändige Rückhand. Da finde ich die von Musetti schon sehr geil. Aber für wen ich noch einmal ins Stadion gehen würde: für Roger Federer. Ich habe das Glück gehabt, ihn manchmal beim Training erleben zu dürfen, war mit Peter Gojowczyk ein paar Tage bei ihm in Zürich. Einfach großartig. Mit Roger Federer Tennis im Fernsehen zu gucken, ist ein Welterlebnis. Wie er die Schläge analysiert, wie er Späße macht: ein Humorist par excellence.

tennisnet: Federer schaut sich im TV Tennismatches an?

Tränhardt: Der guckt sich jeden Scheiß an. Der sieht mehr Tennis als wir.

tennisnet: Wie gut läuft es denn bei Ihnen auf dem Tennisplatz?

Tränhardt: Ich durfte hier mal ein ProAm-Doppel mit Stan Wawrinka und Marin Cilic spielen. Ich habe Cilic ein Ass nach außen serviert. Das war ein unglaubliches Gefühl.

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