"Ich setze auf Kommunikation"
Der ÖTV-Sportdirektor und -Davis-Cup-Kapitän in spe im zweiten Teil des Interviews mit tennisnet.com.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
03.11.2011, 15:43 Uhr

Letzten Freitag ist Clemens Trimmel im Novomatic Forum im 1. Wiener Gemeindebezirk als neuer Sportdirektor und Davis-Cup-Kapitän vorgestellt worden. Bis Mitte November geht der 33-Jährige noch seinem Job als Sport-Produktmanager beim österreichischen Wettanbieter bwin nach, ab dem 1. Jänner 2012 übernimmt er die beiden Ämter von Gilbert Schaller. Der Wiener, selbst zwei Mal im Davis Cup im Einsatz gewesen, blickt seiner neuen Tätigkeit mit sehr viel Begeisterung und Tatendrang entgegen. Was er sich vorgenommen hat, erzählte er tennisnet.com im Interview.Hier geht es zum ersten Teil des Gesprächs.Und hier der zweite Teil des Gesprächs, der sich mehr um die Arbeit im nationalen Leistungszentrum Südstadt und die Agenden als Davis-Cup-Kapitän dreht.
Clemens, Zweck der Südstadt war es stets, Spieler in die Weltspitze zu bringen. Eben das ist aber in der Vergangenheit nicht wirklich gelungen. Ist ein solches Verbands-Leistungszentrum, das den ÖTV Jahr für Jahr Unmengen an Geld kostet, überhaupt noch zeitgemäß? Wenn ja, worin siehst du die Notwendigkeit?
Ich bin klar für ein solches Verbands-Leistungszentrum. Eben weil es eine der Aufgaben des Verbands sein sollte, ein geeignetes Umfeld für die nachkommenden, jungen Spieler zu bieten und die größten Talente zwischen 14 und 18 Jahren und darüber hinaus dann auch hier zu konzentrieren. Wenn ein künftiges Davis-Cup-Team mal aus Südstadt-Spielern bestehen sollte, dann ist das okay, wenn nicht aber natürlich auch gut. Fest steht für mich nur: Die Südstadt ist eigentlich eine perfekte Umgebung für Leistungssport, hat auch eine gute Lage, von der Infrastruktur her gibt es in Österreich wenig Vergleichbares. Das sollte man also auch nützen. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Südstadt wieder so angesehen zu machen, wie sie es schon mal war.
Wieso ist sie das derzeit nicht?
Ich will nicht über Bestehendes lästern, aber früher war’s noch eine Ehre, in die Südstadt zu kommen. Jetzt hab ich das Gefühl, das ist nicht mehr so stark der Fall. Da gilt es anzusetzen. Ziel muss es sein, die besten Leute und Internationalität reinzubringen, im Trainerbereich, als auch im medizinischen und mentalen Bereich. Erfolg kann man nicht garantieren, aber wir werden alles dafür versuchen. Zuerst gilt es mal, die entsprechenden Strukturen aufzubauen.
Was aber eben eine Kostensache ist, oder?
Ja, natürlich. Soweit die Mittel dafür vorhanden sind, wollen wir das durchziehen. Klar sind die finanziellen Ressourcen beschränkt, und gerade bei den Förderungen wird man deshalb niemals alle glücklich machen können.
Wie stehst du diesbezüglich privaten Initiativen gegenüber?
Gegen die hab ich rein gar nichts. Ich will eine gesunde Rivalität und Konkurrenzkampf, aber nur auf sportlicher Ebene, das muss das Ziel sein. Man muss sich hier auch mit jenen Leuten an einen Tisch setzen, die wichtig sind, über die Jahre hinweg immer da waren und was für den heimischen Nachwuchs getan haben – egal ob sie jetzt vom Verband sind oder nicht. Ich setze auf Kommunikation.
Eben diese wurde Gilbert Schaller nicht gerade als Stärke nachgesagt. Ist die Schwäche deines Vorgängers etwa deine Stärke?
Ich will über die Arbeit vor mir nicht urteilen. Aber ja, Kommunikation ist wohl eine Stärke von mir. Für mich ist sie ein wichtiger Eckpfeiler. Ich halte sehr viel davon, bei Spannungen konstruktive Lösungen zu finden. Das ist zum Beispiel nicht so der Fall, wenn sich Beteiligte über Medien ausrichten lassen.
Du meintest im ersten Teil unseres Gesprächs, man brauche bei seinen Vorhaben die richtigen Leute im Boot. An wen hast du da gedacht?
An keine konkreten Personen, sondern generell an Leute, die im Tennis was bewegen wollen. Die brauchen wir.
Zählt Schaller zu jenen Leuten, die du gerne in deinem Team hättest?
Er hat noch einen Vertrag mit dem ÖTV und es ist mein Wunsch, ihn zu integrieren. Ich halte ihn als Coach für einen extrem fähigen Mann, seine Erfahrungen sollte man nützen.
Wo gilt es im Verband sonst noch den Hebel anzusetzen?
Vor allem müssen wir versuchen, den Verband nach außen hin besser zu präsentieren, als das bislang der Fall war. Derzeit hat er ein negatives Image, das fängt an mit dem Außenauftritt über den Davis Cup bis hin zum Verband allgemein. An diesem Gesamt-Außenauftritt gilt es zu arbeiten. Das Ziel ist es natürlich, ein positives Image aufzubauen. Das geht aber nicht von heute auf morgen, das ist ein längerer Prozess. Das kann man in vielen Bereichen tun, vom einzelnen Spieler bis hin zu den Angestellten, sodass die Präsentation der Marke ÖTV so dargestellt wird, wie sie das sollte und wie sie auch das Davis-Cup-Team darstellen sollte.
Apropos Davis Cup: Was sind deine persönlichen Erinnerungen daran?
Fast nur positive! Da herrscht ein Teamgefühl, wie sonst das ganze Jahr nicht. Andererseits wäre ich ein paar Mal einberufen worden, dann war ich leider wieder verletzt. Einmal bin ich etwa in Kroatien im Training umgekippt, wo ich sonst gute Chancen gehabt hätte, im Einzel zu spielen. Aber der Davis Cup ist was ganz Tolles, er hat zu Recht ein so hohes Ansehen.
Hast du für den künftigen Posten als Kapitän eigentlich Trainerausbildungen gemacht?
Nein, aber ich glaube auch nicht, dass eine Trainerausbildung für den Davis Cup zwingend nötig ist. Ich sehe diesen Job nicht nur als drei Tage Coaching. Das Ziel ist es, die maximal mögliche Leistung an einem Wochenende aus dem ganzen Team – also auch den Betreuern – herauszuholen. Ich sehe mich in den letzten paar Prozent verankert. Wenn ein Team bei 90 Prozent Leistungsfähigkeit steht, dann sehe ich es als meine Aufgabe, mit dem Umfeld und mittels Kommunikation die restlichen Prozent zu schaffen, dass die Spieler positiv entspannt und gut vorbereitet in den Länderkampf gehen können. Da geht viel über Organisation und Kommunikation.
Als was für ein Team kennst du das österreichische? Und was steckt in ihm drinnen?
Das sind alles sehr zielorientierte Burschen, die viel fürs Tennis in Österreich geleistet haben. Und sie wollen das weiter leisten, sie haben den Mannschaftsbewerb Davis Cup sehr gerne. Es ist einfach etwas Besonderes, wenn man immer allein unterwegs ist, mal zehn Tage mit dem Team zu verbringen. Viele wachsen da über sich hinaus, manche hemmt es. Da muss man dran arbeiten, dass der Teamspirit einen Spieler positiv begleitet. Unser Team hat auf jeden Fall viel Potential, da gibt es noch Luft nach oben.
Wie siehst du die Chancen, dass es gegen Russland erstmals seit 1995 mit einem Sieg in der Weltgruppe klappt?
Russland ist von den möglich gewesenen Losen ein sehr attraktiver Gegner, der schon einige Male den Davis Cup gewonnen hat. Normalerweise sind wir gegen alle acht Gesetzten immer Außenseiter, aber ich denke, dass wir diesmal gute Karten haben. Das ist wohl eine ziemliche 50:50-Partie – wenn wir einen vollständig gesunden Kader haben. Wir wollen unbedingt das Viertelfinale erreichen, dafür werden wir alles geben.(Foto: GEPA pictures/ Mario Kneisl)
Das Gespräch führte Manuel Wachta.
