"Mir braucht keiner sagen, wie man einen Schläger zerbricht!"

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.05.2010, 01:46 Uhr

Das große Highlight der Sandplatz-Saison steht unmittelbar bevor: die French Open in Paris. Gestern Früh ist Daniel Köllerer gemeinsam mit seiner Freundin, Head Coach Jürgen Waber und Interims-Trainer Marco Mirnegg in Frankreich angekommen. Österreichs Nummer zwei brennt bereits auf das für ihn heuer vielleicht richtungsweisende Turnier. tennisnet.com gab er sein vorletztes großes Interview vor und während seines Auftritts in Roland Garros.

Daniel, man hört du hast dir selbst ein Interview-Verbot auferlegt…

Das stimmt. Ich habe heute noch ein Radio-Interview, aber das war’s dann. Medienpräsenz zu haben ist zwar nett, aber ich möchte mich nun voll auf meine Aufgabe hier konzentrieren und meine ganze Kraft in dieses Turnier legen.

Danke, wenn du dir trotzdem 20 Minuten für uns nehmen kannst.

So lange? Na gut. Schieß los!

Du trainierst seit zwei Wochen wieder gemeinsam mit Jürgen Waber. Wie läuft die Zusammenarbeit bisher?

Sehr gut, es könnte nicht besser sein. Wir haben alle so viel Spaß miteinander und haben’s extrem lustig. Alleine wie viel ich heute beim Mittagessen lachen musste – das gab’s noch selten. Da hat eben ein Wort das andere ergeben. Das Klima ist echt wahnsinnig angenehm.

War Jürgen dein Wunschtrainer?

Auf alle Fälle. Sonst hätte ich mich nicht für ihn entschieden. Einen Trainer wechselt man ja nicht wie seine Unterhosen. Da muss das blinde gegenseitige Vertrauen da sein, das ist sehr wichtig. Und dieses haben wir. Wir kennen uns außerdem einfach schon super durch unsere Zusammenarbeit vor einigen Jahren.

Bis März hast du ja noch mit Hannes Pühringer gearbeitet, der dich im Vorjahr bis auf Platz 55 in der Weltrangliste geführt hat. Dennoch hast du dich von ihm getrennt…

Ja, das hatte aber wenig mit dem sportlichen Bereich zu tun. Wir hatten einfach menschliche Differenzen und Meinungsverschiedenheiten. Wenn es nicht passt, dann muss man sich eben trennen.

Nicht gepasst hat's offenbar auch schon mal mit Jürgen. Die Zusammenarbeit ist damals mehr oder weniger wegen deiner Eskapaden auseinander gegangen. Ist das für euch heute noch ein Thema?

Nein, gar nicht mehr. Wir sind beide als Menschen mittlerweile gereift. Es ist keiner von uns wegen irgendetwas nachtragend.

Was ist an dem Gerücht dran, dass auch Günter Bresnik als dein neuer Trainer im Raum gestanden ist?

Davon weiß ich nichts. Das soll aber nicht abwertend klingen, er ist auch ein sehr guter Trainer. Aber ich hab meine Zelte jetzt beim OÖTV-Leistungszentrum in Linz. Jürgen ist für mich die perfekte Lösung. Es zählt nur, dass da jetzt alles perfekt funktioniert und von beiden Seiten der menschliche Respekt voll und ganz vorhanden ist.

Und das ist auch bei Marco Mirnegg so? Er meinte vor ein paar Jahren, Bezug nehmend auf dein oft schlechtes Verhalten am Platz, du hättest dich überhaupt nicht geändert…

Dazu will ich eigentlich nichts sagen. Das spielt heute einfach überhaupt keine Rolle mehr. Wir verstehen uns prima. Er respektiert mich als Spieler und ich respektiere ihn als Coach.

Als Coach? Das ist aber eine Premiere, oder?

Ja. Jürgen kümmert sich in Paris in erster Linie um Sybille Bammer. Und Markus Egger, der mich normalerweise zu den Turnieren begleitet, muss Liga in Kirchdorf spielen. Marco hat sich daher dazu bereit erklärt, in dieser Zeit keine Turniere zu bestreiten und mich dafür hier zu betreuen. Ich bin sehr glücklich, dass sich das so regeln hat lassen.

So wie du überhaupt mit deinem neuen Umfeld rundum glücklich sein dürftest. Geht’s eigentlich noch besser?

Nein. Was will man mehr als eine durch Freundschaft verbundene Top-Trainingsgruppe? Ich habe in Linz mit Jürgen den perfekten Trainer, mit Marco und Markus die perfekten Touring Coaches, mit Axel Mitterer den perfekten Mentaltrainer, mit Gerhard Zallinger den perfekten Konditionstrainer, mit Thomas Hebenstreit den perfekten Physiotherapeuten.

Und dennoch ist die heurige Saison bisher eher enttäuschend verlaufen. Warum?

Ich war leider im Aufbau mal krank, mal verletzt und bin daher auch nicht auf das nötige und vorgenommene Trainingspensum gekommen, und das hängt mir immer noch nach. Das merkt man im spielerischen und konditionellen Bereich. Aber ich muss jetzt das Beste draus machen und mir die Fitness mit den Matches wieder antrainieren. Ich hoffe, dass es dann auch mit dem Ranking wieder nach oben geht.

Vor dem Turnier in der Wiener Stadthalle hattest du noch groß posaunt, Österreichs Nummer eins werden zu wollen. Jetzt ist Jürgen Melzer die Nummer 26 der Welt und du bist nicht mal mehr Top 100. Fällt dir deine Aussage jetzt etwas auf den Kopf?

Zu der Zeit war mein Selbstvertrauen riesengroß. Und das wollte ich unbedingt mitnehmen. Der Schuss ist wohl etwas nach hinten losgegangen. Jürgen ist derzeit die klare Nummer eins, dazu und zu seinen Leistungen kann man ihm nur gratulieren.

Hast du den Mund da im Nachhinein betrachtet etwas zu voll genommen?

Ja, wahrscheinlich. Aber Jürgen ist über zwei Jahre älter als ich und wird wohl auch früher als ich aufhören. Ich hab ja noch ein paar Jahre Zeit, um doch noch die Nummer eins zu werden. Ich bin geduldig (lacht).

Ist es schwerer als du gedacht hast, sich in den Top 100 zu halten?

Dass das nicht leicht ist, hab ich vorher auch schon gewusst. Aber es war mit dem verpatzten Aufbau einfach unmöglich, mein Ranking zu halten. Am Material hab ich im Februar auch noch getüftelt. Erst hab ich in der Halle den Head Radical getestet sowie vor der Südamerika-Reise in fünf Stunden acht von Head bereitgestellte Schläger. Mit denen hab ich aber keinen Ball getroffen. Jetzt bin ich wieder bei meinem alten Head Prestige.

Reichlich Schläger „getestet“ hast du auch in München gegen Petzschner…

Ich glaub ich hab in der Partie etwa 40 unerzwungene Fehler mit der Vorhand gemacht. Da war ich drüber natürlich „not amused“. Da konnten mein Verhalten und meine Körpersprache wohl nicht gut sein.

Hast du Arno Dupals Kolumne dazu auf tennisnet.com gelesen?

Nein, für mich ist bei unserer Aufteilung leider das Zimmer mit dem schlechtesten Internet-Empfang übergeblieben (lacht).

Arno glaubt, es ist kein Zufall, dass du beim Matchball den Schläger am Oberschenkel zerbrochen hast und beim nächsten Turnier in Zagreb mit einer Oberschenkelzerrung aufgeben musstest.

Das stimmt so nicht. Ich hab den Schläger am Knie zerbrochen. Die Oberschenkelzerrung hab ich mir vor der Reise nach Kroatien beim Training mit Markus Egger zugezogen. Außerdem: In Österreich braucht mir keiner sagen, wie man einen Schläger richtig zerbricht (lacht). Da kann mir niemand was vormachen.

Wie geht’s dem Oberschenkel mittlerweile?

Besser. Der macht keine Probleme mehr. Ich bin topfit. Obwohl ich gestern eine kleine Schrecksekunde hatte. Ich hab bei einem Ballwechsel mit Marco den Wirbel L5 überdreht, hatte ziemliche Schmerzen und konnte mich nicht bewegen. Aber ich war dann noch beim Physiotherapeuten und jetzt sollte das wieder weg sein.

Also sollte einem erfolgreichen Abschneiden bei den French Open ja nichts im Wege stehen. Was kann man sich von dir erwarten?

Ein Semifinale wäre eine Überraschung (lacht). Das kommt immer sehr auf die Tagesform und die Auslosung an. Wenn man gleich gegen Federer spielen muss, wird’s zum Beispiel eher schwer (lacht). Mal sehen. Ich muss einfach von Runde zu Runde schauen.

Deine Grand-Slam-Bilanz ist jedenfalls noch verbesserungsfähig, oder?

Das kann man so sagen. Ich hab in Paris noch nie ein Match gewonnen, nur im Vorjahr gegen Massu zwei Sätze. Was im Hauptbewerb leider zu wenig ist. Heuer muss sich das endlich ändern. Ich brenne schon auf das erste Match. Von mir aus könnte es gleich heute losgehen.

Danke dir für das Gespräch.

Gerne. Die 20 Minuten sind übrigens längst vorbei. Du hast um drei Minuten überzogen. Das kostet dich beim nächsten Mal Kaffee und Kuchen (lacht).

Interview: Manuel Wachta




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