Das Doppelleben des Martin Emmrich
Der 25-jährige Magdeburger ist auf dem besten Wege, im Nebengeschäft der Stars seinen Platz auf der Profitour zu finden.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
10.12.2010, 09:53 Uhr

Von Erik Trümpler
Martin Emmrich hat ein Problem. Das Auto ist liegengeblieben. Der ADAC muss kommen, seine Kiste abschleppen. Nichts geht mehr. Eine Situation, die so gar nicht zu seiner Entwicklung auf der Tennis-Tour passen will. Dort ist er nach Jahren zähen Kampfes, voller Zweifel und leeren Portemonnaies auf die Überholspur eingebogen. Der 25-jährige Linkshänder kratzt an den Top 100 der Doppel-Weltrangliste.
Geduld und Glaube – zwei Tugenden, die im Haifischbecken Profitennis unabdingbar sind. 30 000 bis 40 000 Euro blechte Emmrich im Jahr, um sich auf der Future-Tour die so wichtigen Punkte zu erspielen. Preisgelder? Im niedrigen Tausender-Bereich. „Im Einzel war mein höchstes Ranking 604. Es war frustrierend. Es gab Momente, in denen ich den Schläger ganz zur Seite legen wollte“, erzählt der Blondschopf.
Der Vater Thomas ist in der DDR eine Tennis-Ikone gewesen
Früh feilte er an seiner Tennis-Karriere. Der Sport war ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Vater Thomas war die Ikone des „weißen Sports“ in der ehemaligen DDR. 48 Titel nationale Meistertitel sprechen eine deutliche Sprache. Sohn Martin spielte mit 18 seine ersten Futures, ließ sich zwischen 2002 und 2005 im Breakpoint Team in Halle ausbilden, später wechselte er zu Andreas Maurer und Marc-Kevin Goellner. 2007 war dort Schluss. „Ich hatte kein Geld mehr. Nichts. Daraufhin bin ich wieder bei meinen Eltern in Magdeburg eingezogen und habe bei meinem Vater trainiert.“
Keine Dauerlösung. In der Heimat fehlten die Sparringspartner, das Tempo auf den Turnieren war ein anderes. Ein Dreijahresvertrag beim Bundesligisten in Solingen rettete ihn aus der Misere. „Ich habe dort einen Kombi-Vertrag unterschrieben. In Solingen konnte ich gratis trainieren. Da habe ich wieder Hoffnung geschöpft.“
Zusammen mit Clinton Thompson, Gero Kretschmer, Sascha Klör und Marius Zay trainiert Emmrich dort bei Coach Karsten Saniter. Direkt um die Ecke hat er eine günstige Bleibe gefunden. „Es hat in Solingen alles gepasst. Nach einer Testwoche habe ich sofort zugesagt. Ich habe dann auch wieder besser gespielt.“ Auch eine Mentaltrainerin gehört zu seinem Stab. Emmrich meldete sich bei den Turnieren zwar für die Einzelkonkurrenz an, legte den Fokus aber mehr und mehr aufs Doppel. Er sammelte Siege bei Futures wie andere Panini-Fußballbilder, 2010 packte er endgültig den Sprung auf die Challenger-Tour.
Stärken sind der Reaktionsvolley und der Return
Wer sich unter dem typischen Doppelspezialisten eine Zwei-Meter-Kante vorstellt, liegt bei Emmrich falsch. 1,83 Meter misst der gebürtige Magdeburger nur. Kein Problem. „Meine Stärken sind der Reaktionsvolley, mein Crossen und mein Return“, sagt der 25-Jährige. Zudem springe er beim Aufschlag extrem hoch ab. Ein weiterer Vorteil: Emmrich kann sich perfekt an verschiedene Partner anpassen. Mit acht unterschiedlichen Profis lief er im Jahr 2010 auf. Häufig mit dem Schweden Andreas Siljestrom und Landsmann Andre Begemann.
Zuletzt siegte er beim Challenger in Helsinki mit Dustin Brown. „Im Doppel habe ich plötzlich mit dem Tennis Geld verdient. Ich habe Leute geschlagen, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Das hat wieder Mut gemacht“, erinnert sich Emmrich.
So viel Mut, dass es im kommenden Jahr noch ein bisschen mehr sein darf. Egal, mit wem. „Ich bin mir ganz sicher, dass ich auch ohne festen Partner die Top 100 knacke. Ich liebäugle aber schon mit einem festen Team. Das Problem ist, dass Andre Begemann sich weiter aufs Einzel konzentriert und Anfang des Jahres den Fokus wohl mehr auf Futures legt. Langfristig kann ich mir die Kombination mit Dustin Brown sehr gut vorstellen.“ Einzige Bedingung an den Mann an seiner Seite: „Er muss gut servieren können.“
Martin Emmrich will schnellstmöglich nach oben. Er weiß auch: Vom Doppel können maximal die besten 60 der Welt leben. Mit Coach zu reisen ist derzeit noch utopisch. Die rund 27 000 Dollar Preisgeld im Jahr 2010 bringen einen noch auf keinen grünen Zweig. Und er weiß auch: Die Doppelkonkurrenz ist auf den großen Events mehr eine Randerscheinung. „Die Leute gucken ab Halbfinale, wenn ein Lokalmatador dabei ist. Aber das ist mir egal.“ Es müssen keine 2000 Zuschauer auf den Tribünen sitzen, um seinen Weg zu gehen. Und die Erfolgsspur ist geebnet. „Anfang des Jahres brauche ich nur ein Halbfinale. Dann knacke ich die Top 100“, sagt Martin Emmrich. In Sao Paulo legt er los.
Der Papa traut seinem Sohn einen Doppel-Einsatz im Davis Cup zu
Während der Sohn in Südamerika seine Karriere verfolgt, wird Vater Thomas das Ganze per Live-Ticker verfolgen. Die Tennis-Legende der ehemaligen DDR freut sich, dass sein Sohn auf dem richtigen Weg ist. „Als ich ihm vor zwei Jahren den Tipp gegeben habe, sich voll aufs Doppel zu konzentrieren, fand er das zunächst gar nicht so überzeugend. Dann stellten sich aber schnell Erfolge ein“, sagt der 57-Jährige, der in seiner Karriere einst gegen Ivan Lendl und Björn Borg gewann. In der Aggressivität, der Liebe zum Serve-and-Volley und dem Gefühl für den Ball sieht Thomas Emmrich Parallelen zu seinem Sohn. Der Vater traut seinem Sprössling den großen Durchbruch zu: „Meine Prognose ist, dass Martin in zwei Jahren für Deutschland Davis Cup spielt.“ Vielleicht ja an der Seite von Dustin Brown.
Ein Match im Kader von Patrik Kühnen wäre der endgültige Durchbruch. Und vielleicht die Chance für Martin Emmrich, sich aus dem langen Schatten des Vaters zu befreien. Keine leichte Aufgabe. „Selbst als ich den großen Challenger in Helsinki gewonnen habe, hieß es: Der Sohn von DDR-Rekordmeister Thomas Emmrich“, verrät er. Übel nimmt er seinem Vater das nicht. „Der Name Emmrich hat mir in meinem Leben sehr viele Türen geöffnet.“ Und daran, dass Thomas mit seinem Sohn extrem mitfiebert, besteht eh kein Zweifel. Martin Emmrich: „Als wir nach meinem Helsinki-Sieg telefoniert haben, hat mein Vater vor Freude geweint.“(Foto: Emmrich)