Drei Sätze für die Ewigkeit – Roger Federer schreibt Geschichte für die Schweiz

Die Schweiz gewinnt das Davis-Cup-Finale in Frankreich, weil Roger Federer und Stan Wawrinka eine beeindruckende Trotzreaktion zeigten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 23.11.2014, 16:03 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Den rauschenden Schlusspunkt unter eine große Mannschaftsleistung setzte er schließlich selbst: Der „Maestro“ - auf der Höhe seiner Kunst. Mit drei Sätzen für die Ewigkeit zum ersten Davis-Cup-Triumph schrieb Roger Federer am Sonntagnachmittag im französischen Lille Sportgeschichte für sein Heimatland Schweiz und schloss zugleich die letzte Lücke in seiner einmaligen Karriere-Biographie. Der begnadete Solist, schwarz auf weiß der beherrschende Spieler der modernen Tennisepoche, ging nun auf in einem verschworenen Team, das sich gegen alle Widerstände, gegen alle Zweifel und auch noch eine völlig missratene Vorbereitungsphase mit 3:1 gegen Gastgeber Frankreich durchsetzte. „Es ist ein Gefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt. Dieser Sieg ist nicht für mich, sondern für meine Jungs, für das Team“, sagte der zu Tränen gerührte Federernach seinem 6:4,-6:2,-6:2-Sieg über den Franzosen Richard Gasquet, der an diesem finalen Tag des Finalesin letzter Sekunde noch für Topmann Jo-Wilfried Tsonga eingesprungen war.

Wawrinka reißt Federer mit

Platt lag Federer in der roten Erde, als er um 15.03 Uhr seinen ersten Matchball souverän verwandelt hatte, am Ende eines dominierenden, atemraubenden Auftritts war er also am Boden und doch obenauf wie nie zuvor in den allerletzten Jahren seiner einmaligen Karriere. „Ich bin zum Glück ruhig geblieben, habe mich ganz auf die Aufgabe konzentriert – und nicht nachgedacht, was da auf dem Spiel steht“, sagte Federer. Rund 3000 Schweizer Fansunter den 27.437 Zuschauern im lokalen Fußballstadionbejubelten den Triumph mit ekstatischen Freudengesängen und dem obligatorischen Bimmeln der Kuhglocken. „Es ist der schönste Tag, den ich je im Tennis erlebt habe“, sagte der Schweizer Kapitän Severin Lüthi, der in den letzten Jahren auch als Federer-Coach und als Wawrinka-Berater arbeitete.

Es war tatsächlich ein perfekt choreographiertes Gesamtkunstwerk, das sich an diesem vorletzten November-Wochenende in ganzer Pracht und Herrlichkeit für die erstaunliche Tennis-Nation Schweiz entfaltete. Denn nach dem Schlagzeilengewitter und dem Kulissentheater, das im Vorfeld die eidgenössische Harmonie zu gefährden drohte, zeigten Federer, Wawrinka und Co. eine beeindruckende Trotzreaktion und wirkten in den drei Davis-Cup-Tagen wie ein rotes Bollwerk, das keinerlei Angriffe und Attacken mehr zuließ, hauptsächlich keine von Gegner Frankreich. „Wir haben gezeigt, was man als Mannschaft leisten kann. Und leisten muss“, sagte Wawrinka, der imponierendste Spieler dieses Finales. Mit dem Auftaktsieg am Freitag gegen Tsonga hatte der zum Saisonschluss wiedererstarkte Australian-Open-Champion das Fundament für den geschichsträchtigen Triumph gelegt,und mit seinem selbstbewussten Auftritt im Doppel am Samstag riss er dann auch Federer zu einem Schauspiel gemeinschaftlicher Klasse mit. Dass sie so gut wie vielleicht nur bei ihrem Olympiasieg 2008 in Peking ans Werk gingen, lieferte Federer auch die Steilvorlage für das Solomatch am Sonntag gegen Gasquet.

„Das ist ein Moment für die Ewigkeit“

So war am Ende auch Harmonie zwischen den beiden Weltklassespielern hergestellt: Jeder hatte einen Punkt im Einzel zum Sieg beigesteuert, und zusammen hatten sie den stets wegweisenden Zähler im Doppel geliefert. Federer 1,5 Punkte + Wawrinka 1,5 Punkte machte die Schweizer Glückseligkeit perfekt, den so lange herbeigesehnten und vor 22 Jahren im ersten Anlauf in den USA verpassten Sieg im ältesten Nationenwettbewerb der Welt. Als 14. Nation wurde die Schweiz nun auf der „hässlichsten Salatschüssel“ verewigt, ein Land, dass mit der aktuellen Nummer zwei und Nummer vier der Weltrangliste im Hier und Jetzt seine Potenziale voll und ganz erfüllte. Allerdings in Federers Fall auch gerade noch rechtzeitig: Denn die beim Londoner ATP-Finale aufgetretenen Rückenprobleme des vierfachen Familienvaters zeigten auf, dass die Schweiz nicht noch beliebig viele Versuche hatte, mit dem „Maestro“ zum Tennis-Halleluja voranzuschreiten. „Die Mission ist erfüllt. Jetzt kann Federer sich auf sich selbst konzentrieren, solange er noch spielt“, sagte Beobachter Pat Cash, der ehemalige Wimbledon-Champion aus Australien.

Am letzten Sonntag hatte Federer noch seine persönlichen Interessen zugunsten der Davis-Cup-Herausforderung zurückgestellt – der Verzicht auf das WM-Endspiel gegenNovak Djokovicwar die einzige Chance, überhaupt noch für das Endspiel von Lille, die historische Aufgabe, fit zu werden. Am Freitag litt er in Frankreich zwar noch unter den Nachwirkungen der Blessur, da schienen Federer und der „Rücken der Nation“ noch ein Problem-Fall zu sein. Doch trotz seiner Niederlage gewann Federer die Gewissheit zurück, was er sich und seinem Körper bei dieser Davis-Cup-Strapaze zumuten konnte – es war schließlich so viel, um erst gemeinsam mit Wawrinka und schließlich als Einzelkämpfer gegen Gasquet noch die entscheidenden Punkte zu erzielen. Für alle im Team Swiss sprach Federer dann auch, als er sagte: „Das ist ein Moment für die Ewigkeit. Diesen Sieg werden wir alle nie vergessen. Niemals.“

von tennisnet.com

Sonntag
23.11.2014, 16:03 Uhr