"Die wollen alle meinen Skalp"

Für Marko Djokovic ist es gleichzeitig Fluch und Segen der jüngere Bruder des Weltranglisten-Ersten zu sein.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.02.2012, 10:19 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus Dubai

Es ist eine Woche, in der Marko Djokovic endlich einmal das Privileg genießt, der jüngere Bruder des besten Tennisspielers der Welt zu sein. Er bewohnt ein 1000-Euro-Zimmer im berühmten Sieben-Sterne-Hotel „Burj al Arab“, er wird mit teuren Limousinen in Dubai umherkutschiert, er kann sich die begehrten Touristenziele in der Stadt ohne langes Schlangestehen anschauen, etwa das höchste Gebäude des Planeten, den über 830 Meter hohen Burj al Khalifa.

Und wenigstens für ein Spiel und eine runde Stunde durfte er am Montag auch das Gefühl haben, im großen Spiel dabei zu sein, auf der ATP-Tour, im Kreis der Starken und Erfolgreichen: Als Nummer 869 der Weltrangliste, ausgestattet mit einer umstrittenen Wildcard von den Turnierorganisatoren, stand der 20-Jährige in der Frühlingssonne auf dem Centre Court und verlor sein Auftaktmatch mit 3:6, 2:6 gegen den Kasachen Andrey Golubev. Auf der Tribüne saß dabei im Kreis der größeren Djokovic-Familie auch sein älterer Bruder, der Mann, den Marko als „sein Idol“ bezeichnet, der ihm das Freiticket für das Turnier besorgt hatte  – und der für ihn Segen und Fluch zugleich ist:Novak „Nole“ Djokovic.„Es gibt“, sagte Marko später im Kreis der Reporter, „eben auch eine Menge Schwierigkeiten und Probleme, wenn man Djokovic heißt, aber nicht den Vornamen Novak hat.“

„Es tut weh, der falsche Djokovic zu sein“

Man erinnert sich noch gut an die Zeit, als Novak Djokovic seine ersten machtvollen Schritte in die Tennis-Weltspitze und auch ins Bewusstsein der Fans und Medien unternahm: Da saßen sie auf der Tribüne, seine beiden jüngeren Bruder, der damals 15-jährige Marko und der 11-jährige Djordje. „Wir waren die größten Fans von Nole“, sagt Marko, „und natürlich war und ist da auch der Traum, einmal seinen Spuren zu folgen.“ Doch je erfolgreicher der älteste der drei Brüder wurde, umso schwerer wurde es für die beiden jüngeren Brüder aus dem Hause Djokovic. „Bei den Junioren-Turnieren stehen normalerweise nur die Eltern und ein paar Offizielle herum, wenn gespielt wird“, erinnert sich Marko, „bei mir kamen immer 100, 200 Zuschauer. Die wollten sehen, wer dieser andere Djokovic ist.“ Bald musste er sich daran gewöhnen, dass die 100 bis 200 Neugierigen schnell wieder verschwanden, wenn er drauf und dran war, die Spiele zu verlieren. „Das tut natürlich weh, wenn man irgendwie das Gefühl hat, der falsche Djokovic zu sein“, sagt er, „aber ich habe gelernt, das zu akzeptieren.“

Genau wie sein älterer Bruder war Marko im Teenager-Alter in die Münchner Tennis-Akademie von Niki Pilic gewechselt, um seine Karriere voranzutreiben. Er lebte dort zwei Jahre lang in relativer Abgeschiedenheit, aber was er nicht beeinflussen konnte, war die Tatsache, dass der Name Djokovic gleichzeitig durch Bruderherz Novak bekannter und bekannter wurde. Als Marko dann wenig später die ersten Turniere im Erwachsenentennis spielte, ob Satellite- oder Future-Wettbewerbe, bekam er rauen Gegenwind zu spüren: „Jeder spielte gegen mich mit Extra-Energie, mit mehr Leidenschaft und Power. Die wollten eben alle meinen Skalp. Die wollten einen Djokovic schlagen“, sagt er. Der Druck, sagt Bruder Novak, „den Marko da aushalten musste, war einfach unglaublich. Immer an mir gemessen zu werden, immer auf Gegner zu treffen, die extrem motiviert sind. Das war schon eine harte, harte Zeit für ihn.“

Novak macht seinem Bruder Mut

In den Nomadenbetrieb der ATP-Stars hat es Marko bisher nicht gebracht, dort, wo Bruder Novak gerade leichthändig das Zepter schwingt und Grand-Slam-Titel scheinbar wie nach Belieben abräumt. Im letzten Jahr war der 20-Jährige fast zehn Monate außer Gefecht gesetzt, eine komplizierte Handgelenksverletzung ließ ihn weit in der Weltrangliste abstürzen. Erst das mehrwöchige gemeinsame Trainingslager mit Novak vor Saisonbeginn 2012 baute seine Moral wieder auf – auch nach dem Eindruck des Djokers: „Er ist nicht so weit von den Spitzenspielern weg, wie dieser Weltranglistenplatz es auszudrücken scheint. Das Meiste im Tennis wird übers Selbstbewusstsein entschieden, und davon hatte er zuletzt nicht viel.“ Vorerst wird Markos Welt aber die Welt der kleineren Turniere bleiben, Turniere, bei denen es keinen VIP-Service und manchmal auch gar keine Schiedsrichter für die Matches gibt. Beim letzten seiner Engagements, in der Türkei, gab es für alle Spieler zusammen ein Preisgeld von 10.000 Dollar, also weniger als die gut 11.000 Dollar, die er für seine Erstrunden-Niederlage in Dubai einstrich.

Auch den dritten und jüngsten Djokovic-Bruder drängt es derweil ins Spitzentennis, den 16-jährigen Djordje. Angeblich soll er über ein ähnlich großes Talent wie die augenblickliche Nummer eins der Welt verfügen. Doch von ihm selbst, von Novak, wird man dazu kein Wort hören: „Ich wäre der größte Dummkopf, wenn ich meine Brüder mit irgendwelchen Kommentaren unter Druck setzen würde.“(Foto: Jürgen Hasenkopf)

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Dienstag
28.02.2012, 10:19 Uhr