Der ewige Kohlschreiber: Ein denkwürdiger Sieg als Ü35-Spieler

"Ein unglaublicher Moment für mich", freute sich Philipp Kohlschreiber nach dem Sieg über Allesgewinner Novak Djokovic. Der befindet sich aktuell im Kleinkrieg mit Roger Federer und Rafael Nadal.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 13.03.2019, 12:35 Uhr

Philipp Kohlschreiber
© Getty Images
Philipp Kohlschreiber

Es ist schon fast zehn Jahre her, dass Philipp Kohlschreiber bei den French Open einen veritablen Überraschungscoup gegen den Himmelsstürmer Novak Djokovic landete.

Der Serbe gehörte damals schon in jungen Jahren zu den Fabelhaften Vier im Welttennis, er zählte auch zu den Mitfavoriten auf den Titel, doch Kohlschreiber spielte auf der Höhe seiner Kunst mit großer Souveränität und Selbstvertrauen gegen den hochgehandelten Rivalen. Es gab keinen Thrill, keine Aufregung, kein Drama beim 6:4, 6:4, 6:4-Achtelfinaltriumph Kohlschreibers, der allerdings eine Runde nach dem Coup danngegen den Spanier Tommy Robredo ausschied.

Kohlschreiber eher 35 Jahre "jung"?

Kohlschreiber blieb eine stabile Größe in der Branche, über viele Jahre hielt er sich in den Top 50 auf. Der ganz große Durchbruch blieb ihm immer verwehrt, wie so viele talentierte Spieler litt auch er unter der Dominanz der Goldenen Generation um Roger Federer, Rafael Nadal und eben auch Djokovic. Gegen Federer, den Freund und Weggefährten, verlor er gerade in Dubai im 14. Aufeinandertreffen zum 14. Mal. Oft glaubte man, Kohlschreiber habe seine besten Jahre hinter sich und lasse die Karriere langsam auslaufen, inzwischen ist er schließlich schon 35 Jahre alt. In Berichten konnte Kohlschreiber schon des öfteren lesen, er sei ein „Veteran“ auf der Tour, einer jener ewig herumziehenden Tennis-Vagabunden halt.

Aber vielleicht ist Kohlschreiber ja eher 35 Jahre jung. Und einer jener Ü30- und Ü35-Spieler, deren Laufbahnhorizont ganz andere Konturen hat als in früheren Tennisepochen. Kohlschreiber wirkt drahtig, motiviert, inspiriert, er macht einen alles andere als ausgelaugten, erschöpften oder gar unmotivierten Eindruck, wenn man ihm auf einer seiner Stationen im Wanderzirkus begegnet. Und wozu er noch immer in der Lage ist, hat er nun gegen jenen Novak Djokovic bewiesen, den er vor einer kleinen Ewigkeit in Paris schlug – und nun eben noch einmal und wieder in Indian Wells, im sogenannten Tennis-Paradies in der kalifornischen Wüste. Beide Gewinnsätze endeten erneut 6:4 und 6:4, wie beim einstigen Grand-Slam-Coup, aber der Sieg hatte eine ganz andere Wertigkeit. „Es ist ein unglaublicher Moment für mich“, sagte Kohlschreiber. Aus seiner Sicht vor allem, weil er schon so oft in den letzten Jahren vor dem Sturz großer Gegner gestanden, dann aber oft hauchdünn und mehr als einmal unglücklich verloren hatte.

Djokovic ist natürlich nicht einfach nur ein bedeutender Name. Djokovic, der Aufsteigertyp aus dem Duell 2009, ist gerade wieder der Allesgewinner im weltweiten Tennisbetrieb, auf Hartplätzen nahezu unschlagbar. Nach einer ernsten Krise zwischen dem Sommer 2016 und Frühling 2018 ist er wieder zur beherrschenden Figur emporgewachsen, die drei letzten Grand Slams entschied er mit unwiderstehlicher Übermacht für sich – zuletzt deklassierte er im Australian-Open-Finale den spanischen Matador Nadal in einer kaum fassbaren Machtdemonstration. Doch gegen Kohlschreiber, den durchaus virtuosen Bayern, war der Nummer eins-Mann schlichtweg der verdiente Verlierer. Genervt zerschmetterte Djokovic schon nach dem verlorenen ersten Satz sein Racket, er merkte, dass er an diesem Abend in Indian Wells nicht viel zu melden hatte gegen den prächtig aufgelegten 35-jährigen Deutschen.

Djokovic im Kleinkrieg außerhalb des Platzes

Djokovic stand bei seinem Turnierauftritt unter verschärfter Beobachtung, seitdem er jüngst an vorderster Front dafür gesorgt hatte, dass der Chef der ATP-Tour, der Brite Chris Kermode, keine Vertragsverlängerung über Ende 2019 hinaus erhielt. Der ehrgeizige Serbe, Präsident des Proifi-Spielerrates, war auch und besonders in die Schusslinie geraten, weil er meinungsbildende Kollegen wie Federer oder Nadal nicht konsultiert hatte. Federer äußerte den versteckten Vorwurf, Djokovic sei einem Gespräch ausgewichen, er habe ihm mitgeteilt, so der Schweizer, keine Zeit für eine Diskussion zu haben. Nicht nur in Schweizer Medien wurde kolportiert, alte Animositäten zwischen Djokovic einerseits und Federer und Nadal andererseits seien wieder aufgebrochen. Der Eidgenosse und der Mallorquiner kündigten demonstrativ auch an, sich in den Nachfolgeprozeß für Kermode aktiv einschalten zu wollen.

Doch der politische Kleinkrieg abseits der Courts nahm Kohlschreiber nichts von seinem couragierten Sieg. Und seiner Genugtuung. Mit einem Bonmot versicherte er später auch, nicht im Geringsten mit den Größten tauschen zu wollen: „Ich kann jederzeit ganz normal auf der Straße rumlaufen oder in ein McDonalds gehen“, so Kohlschreiber, „vielleicht fragt sich mal einer: Ist das der Kohlschreiber? Aber ich bezweifle, ob Roger oder Rafa noch so leben können.“

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von Jörg Allmeroth

Mittwoch
13.03.2019, 14:25 Uhr
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