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Der nächste Lockdown, die Zwangsräumung des Centre Court und akute Finanzsorgen bei den Australian Open

Kurz vor Mitternacht mussten die Zuschauer die Rod Laver Arena verlassen. Ab Samstag bleiben die Ränge dann gänzlich verwaist. Der fünftägige Lockdown trifft die Veranstalter auch finanziell. 

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 13.02.2021, 11:05 Uhr

Bei den Australian Open mussten die Zuschauer während dem Match das Stadion verlassen
Bei den Australian Open mussten die Zuschauer während dem Match das Stadion verlassen

Es war ein deprimierendes, verstörendes, aber auch historisches Bild, das sich am späten Freitagabend in der berühmten Rod Laver-Arena zu Melbourne bot. Das Drittrunden-Spiel der Australian Open zwischen Frontmann und dem Amerikaner Taylor Fritz Novak Djokovic war noch in aller Dramatik im Gange, da wurden die Fans um 23.30 Uhr höflich, aber sehr bestimmt zum sofortigen Verlassen des Centre Court aufgefordert. Grund der denkwürdigen Zwangsräumung war der nächste eisenharte, ruckzuck angekündigte  Lockdown in der Millionenmetropole, der um 0 Uhr für die nächsten fünf Tage in Kraft trat – und der allen Bewohnern vorschrieb, bis Mitternacht in den eigenen vier Wänden zu sein. 

Kurz vor diesen denkwürdigen Szenen bei Djokovics spannungsgeladenem Fünf-Satz-Sieg hatten die Tennisfans in der nebenan gelegenen John Cain-Arena noch einmal ein lautes, schrilles Spektakel wie in den alten Australian Open-Zeiten erlebt. Aber die 4:6, 4:6, 6:3, 6:4 und 6:4-Aufholjagd von US Open-König Dominic Thiem gegen den genial-verrückten Lokalmatador Nick Kyrgios und gegen eine aufgeheizte Kulisse könnte womöglich schon der große emotionale Höhepunkt des Grand Slam-Eröffnungsturniers der Saison 2021 gewesen sein – denn die Spiele gehen zwar weiter per Sonderregelung, aber mindestens bis zum nächsten Mittwoch sind nun überhaupt keine Zuschauer auf der Anlage am Yarra River zugelassen. 

Was danach kommt, eine Lockdown-Verlängerung, doch wieder Tennis vor einer sehr limitierten Anzahl von Zuschauern – das weiß keiner. „Wir werden weiter eng mit der Regierung zusammenarbeiten, um die Gesundheit und Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten“, sagte Turnierboß Craig Tiley, der in den letzten Monaten alle Hebel und politischen Kontakte genutzt hatte, um das Turnier überhaupt zu veranstalten. Anlaß des jüngsten Lockdowns war der Infektionsausbruch in einem Quarantänehotel am Flughafen Tullamarine – dort hatten sich 13 Personen mit der britischen Corona-Mutante aufgehalten und teils untereinander angesteckt.

Tennis-Trott kehrt in Blase zurück

Für die Tennis-Karawane bedeutete der Lockdown die Rückkehr in die neue Normalität – das Leben in der sogenannten Bioblase. Die Spieler würden in eine Situation zurückkehren, „die sie aus der letzten Zeit kennen“, sagte Tiley, „sie werden sich nur zwischen Hotel und Anlage bewegen und keine weiteren Kontakte haben.“ Für die Turnierverantwortlichen war es dennoch auch ein weiterer Rückschlag in ihrem verzweifelten Bemühen, das Major-Turnier möglichst störungsfrei in der herausfordernden Corona-Gesamtlage auszurichten – immerhin hatte es schon in der Vorbereitungsphase Probleme mit Corona-Fällen auf den speziellen Charterflügen nach Australien gegeben. Damals hatten sich mehr als 70 Spielerinnen und Spieler in eine härtere Qurantäne begeben müssen, darunter auch Ex-Nummer 1 Angelique Kerber. In der Woche vor den Australian Open schickte Victorias Regierung rund 600 Spieler, Offizielle und Funktionäre zu Schnelltests, da ein Corona-Fall im Umfeld des Turniers aufgetreten war. Von einer gleichmäßigen fairen Vorbereitung aller Akteure war der Grand Slam-Event stets weit entfernt.

Der Lockdown verschärfte allerdings auch die finanziellen Auswirkungen für die Australian Open. Trotz erheblicher Kosten für das Hygienekonzept und die Charterflüge hatte das Grand Slam-Management keine Kürzungen am Preisgeld vorgenommen – wohl auch, um vielen Absagen von Stars und Sternchen vorzubeugen. Doch der Lockdown sorgt nun für weitere tiefe Einschnitte im Budget: Nach der eher verhaltenen Besucherresonanz der ersten Turniertage (das Kontigent von 30.000 Fans wurde nie ausgeschöpft) fehlt nun jegliches Ticketgeld von Samstag bis Mittwoch, geschätzt bis zu 20 Millionen australische Dollar. „Es werden jetzt erstmal schwere Tage kommen, für alle“, sagte Turnier-Mitfavoritin Serena Williams, „wir waren gerade so froh, wieder Zuschauer auf den Rängen zu sehen. Es ist sehr schade für die Organisatoren, die alles gegeben haben für das Turnier.“

Zverev hofft auf Rückkehr der Fans

Vom Lockdown betroffen sind in Melbourne rund fünf Millionen Menschen. Schulen und Geschäfte werden bis einschließlich Mittwoch geschlossen sein, Restaurants dürfen nur Lieferservice anbieten. Die eigene Wohnung dürfen die Bewohner nur aus dringenden Gründen verlassen, außerhalb der eigenen vier Wände gilt eine Maskenpflicht. Erneut gab es am Freitag Kritik an der Bundesregierung Victorias und an Premier Dan Andrews, der die Australian Open offenbar „um jeden Preis“ zu Ende bringen wolle – die Vorwürfe konzentrierten sich dabei auf die Einstufung der Tennisprofis als „essential workers“ (unerläßliche/wesentliche Arbeitnehmer) und der Turnieranlage als „Arbeitsplatz.“ 

Deutschlands Nummer eins, Alexander Zverev, äußerte nach seinem glatten 6:3, 6:3, 6:1-Sieg über den Franzosen Adrian Mannarino die Hoffnung, „dass ab nächstem Donnerstag wieder Fans dabei sein werden: „Da macht es einfach viel mehr Spaß. Die Geisteratmosphäre ist unschön.“ Zverev tritt am Sonntag dann ohne Zuschauer zu seinem Achtelfinalmatch gegen den Serben Dusan Lajovic an. Währenddessen wurde bekannt, dass sich der Kölner Andreas Mies einer Knieoperation unterziehen musste, der Rheinländer, der zusammen mit Kevin Krawietz die French Open 2019 und 2020 gewonnen hatte, fällt für etwa sechs Monate aus. Damit gerät auch die Olympiateilnahme des Erfolgsduos in Gefahr.

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von Jörg Allmeroth

Samstag
13.02.2021, 12:25 Uhr
zuletzt bearbeitet: 13.02.2021, 11:05 Uhr

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