Der Schiedsrichter und das Ballmädchen: "Du bist sehr sexy. Ist Dir heiß?"

Mit Gianluca Moscarella wurde einer der Top-Schiedsrichter auf der ATP-Tour suspendiert. Grund dafür sind unangemessene Aussagen gegenüber einem Ballmädchen. Und der Umstand, dass Moscarella auch einen Spieler angefeuert hat.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 01.10.2019, 15:13 Uhr

Im Moment suspendiert - Gianluca Moscarella
© GEPA Pictures
Im Moment suspendiert - Gianluca Moscarella

Vielleicht hatte Gianluca Moscarella einfach vergessen, dass die Mikrofone jedes Wort aufzeichneten. Selbst beim ATP-Challenger-Turnier in Florenz, einem Turnier der Dritten Tennisliga. Moscarella, einer der internationalen Top-Schiedsrichter, wirkte jedenfalls ziemlich sicher, dass ihn niemand hören konnte, als er letzte Woche während des Matchs zwischen dem Portugiesen Pedro Sousa und dem Italiener Enrico Dalla Valle zu einem Ballmädchen dies sprach: „Du bist sehr sexy. Du bist fantastisch.“ Und dann, nach einem Moment Pause, erkundigte sich der Referee noch anzüglich: „Ist Dir heiß? Körperlich oder emotional.“ 

Nun, Moscarella weiß längst, dass seine Worte sehr wohl gehört wurden. Denn inzwischen ist der Italiener vorläufig von der Spielerorganisation ATP suspendiert worden. Er hatte schon bei dem Turnier in Florenz nach dem Vorfall keine Matches mehr leiten dürfen, weil es diverse Beschwerden gab, und inzwischen wurde er für alle weiteren Einsätze im Wanderzirkus von der Herrentennis-Gewerkschaft gesperrt und ausgeschlossen. „Eine vollständige Untersuchung wurde eingeleitet“, teilte ein ATP-Sprecher dazu mit.

Moscarella feuert Dalla Valle an

Wobei: Zu dieser vollständigen Untersuchung dürften dann auch die verstörenden Aussagen Moscarellas früher in jenem Match gehören, die zunächst in den Fokus des Interesses gerieten und für einen Shitstorm in den sozialen Medien sorgten. Auch hier war die Allgemeinheit, sofern sie die gestreamten Bilder und Töne in Echtzeit oder per Aufzeichnung verfolgte, wieder dabei. Während einer sogenannten Toilettenpause von Sousa redete Moscarella, sonst bei allen Grand Slams und Topwettbewerben im Einsatz, plötzlich unkontrolliert auf seinen Landsmann Dalla Valle ein: „Zwei Stunden sind jetzt rum. Ich bin alt und es ist heiß. Du solltest das 6:1, 6:1 gewinnen, du hattest 45 Breakbälle, bleib konzentriert und gewinn´das jetzt so schnell wie möglich, ich bring´ Dich um, ich bring´ Dich um.“ 

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Della Valle nicht annähernd so viele Breakbälle besaß, war überhaupt alles falsch an dieser Szene: Das Einreden in einem Moment, als der zweite Spieler nicht auf dem Platz war. Der halb ernste, halb ironische Motivations-Charakter der Ansage, der prinzipielle Verstoß gegen die Neutralitäts-Pflicht. Und das alles von einem Mann, der den „Gold-Badge“ der Tennis-Schiedsrichter besitzt, die höchste Qualifikation in seinem anspruchsvollen Job. 

Wimbledon-Final-Schiedsrichter Damian Steiner gefeuert

Gespannt blicken Szenebeobachter nun auf die Reaktion der ATP. Vor gut einem Monat hatte sie einen anderen Top-Schiedsrichter, den Argentinier Damian Steiner, hochkant aus seinem Job gefeuert, weil er ohne Erlaubnis in seinem Heimatland Argentinien einige Interviews gegeben hatte. Steiner fiel sozusagen aus höchsten Höhen, kurz vor seinem Rausschmiß hatte er noch das denkwürdige Wimbledon-Finale zwischen Novak Djokovic und Roger Federer geleitet. Steiner hatte in den Interviews u.a. den exzessiven Gebrauch von Handtüchern in den Tennismatches moniert und noch zu Protokoll gegeben, er sei dafür, das Coaching in den Partien zu legalisieren. Bisher werden Spieler bei Grand Slams sogar bestraft, wenn sie Hinweise von ihren Trainern erhalten. 

Die Sexismus-Vorwürfe gegen Moscarella, den glatzköpfigen Italiener mit der unverwechselbar hohen Fistel-Stimme, wiegen nun weitaus schwerer. Schon in der Vergangenheit hatte er sich einmal einschlägigen Anschuldigungen gegenüber gesehen – damals soll er einer Schiedsrichterin beim Turnier in Gstaad unmoralische Angebote gemacht haben -, die Angelegenheit war dann aber im Sande verlaufen. Im Zuge jener Affäre hatte seinerzeit der ägyptische Schiedsrichter Magdi Somat seinen Job verloren, manche Insider behaupteten, weil er eine Whistleblower-Anklage aus dem Kreis der Referees unterstützt habe. Somat nennt die ATP Tour inzwischen verbittert das „Land der Lügen.“

von Jörg Allmeroth

Dienstag
01.10.2019, 14:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 01.10.2019, 15:13 Uhr