Dirk Hordorff – „Es helfen keine Ausflüchte, es zählen nur Ergebnisse“

DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff spricht im Interview über die deutschen Nationalmannschaften und das olympische Tennisturnier.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 15.04.2016, 09:22 Uhr

Dirk Hordorff (58) ist DTB-Vizepräsident unter anderm mit dem Schwerpunkt auf den Leistungssport und die Nationalteams. Der Bad Homburger war bis zur Berufung in sein DTB-Amt auch viele Jahre Präsident des Hessischen Tennisverbandes und wirkt gegenwärtig als Schatzmeister des HTV. Hordorff, der beim HTV wesentlich für die Modernisierung des Leistungszentrums auf der Rosenhöhe verantwortlich war, begleitete mehr als anderthalb Jahrzehnte als Trainer und Manager die Karriere des Korbachers Rainer Schüttler und führte ihn bis in die Top 5 der Weltrangliste. Nach Schüttlers Rückzug betreute Hordorff unter anderem den Serben Janko Tipsarevic und den Litauer Ricardas Berankis.

Herr Hordorff, die ersten Länderspiele des Jahres 2016 sind vorüber, das Fed-Cup-Relegationsmatch gegen Rumänien steht nun vor der Tür. Wie betrachten Sie die Lage?

Dirk Hordorff: Natürlich hätten wir uns andere Ergebnisse gewünscht, bei den Frauen wie bei den Herren. Festzuhalten ist aber, dass beides hochklassige Partien gegen hochklassige Gegner waren – in einer tollen Stimmung an beiden Veranstaltungsorten. Insbesondere die Wahl des Standorts Leipzig für den Fed Cup war ein Glücksgriff, ich habe großes Interesse, große Begeisterungsfähigkeit fürs Tennis im Osten unseres Landes festgestellt. Ich meine, dass davon auch ein Impuls für den Tennissport insgesamt in den östlichen Bundesländern ausgegangen ist. Jetzt hoffen wir natürlich, dass das Match in Rumänien gewonnen wird.

Die Begeisterung um Grand-Slam-SiegerinAngelique Kerberwar natürlich auch in Leipzig groß.

Hordorff: Das ganze deutsche Tennis kann stolz sein auf das, was Angelique geschafft hat. Es ist eine fantastische Bestätigung für die harte Arbeit gewesen, dieser Sieg in Melbourne. Wie sie im Finale gegen die beste Tennisspielerin der Welt, die scheinbar unbezwingbare Serena Williams aufgetreten ist, das verdient einfach nur Hochachtung. Wir müssen jetzt auch die Gunst der Stunde nutzen und Tennis weiter im öffentlichen Gespräch halten. Und schauen, dass wir Kids auf die Tennisplätze bringen.

Sie haben mehrfach betont, dass neben den Grand-Slam-Turnieren beim DTB auch großer Fokus auf den Olympischen Spielen in Rio liegt.

Hordorff: Das ist richtig. Wir haben dieses Projekt frühzeitig in Angriff genommen und eine Crew von Leuten aufgestellt, die den Spielerinnen zuarbeiten werden – Ärzte, Physios. Olympische Spiele, das ist eine wichtige, sehr wichtige Bühne, auf der wir uns stark präsentieren müssen und wollen. Wir werden in jedem Fall mit einer starken Gruppe im Frauenwettbewerb vertreten sein, allen voran Angelique Kerber, unsere neue Grand-Slam-Siegerin. Ich will auch nicht vergessen zu sagen, dass wir in seinem harmonischen Prozess zusammen mit dem DOSB die Qualifikationskriterien festgelegt haben. Wir wissen alle, dass das nicht immer so war. Aber wir haben jetzt ein hervorragendes Arbeitsverhältnis mit dem Dachverband, das läuft sehr kooperativ.

Bei den Herren sieht es allerdings nicht so freundlich aus, wenn wir von einer Olympia-Qualifikation reden.

Hordorff: Es wird schwer, keine Frage. Das kann auch nicht verwundern nach dem sehr schlechten Jahr 2015, das wir hatten. Dem schlechtesten Jahr seit langem. Es helfen da auch keine Ausflüchte und Entschuldigungen, es zählen nur Ergebnisse. Hoffen wir mal, dass sich da noch was ergibt, vielleicht auch bei einem Spieler wieJan-Lennard Struff.Ich hoffe, dass wir in jedem Fall mit Kohlschreiber und Zverev an den Start gehen können. Zverev, das will ich nicht vergessen, wird auch im Zusammenwirken mit dem DOSB gefördert. Auch über das Jahr 2016 hinaus.

Auch Michael Kohlmann wird in seiner Eigenschaft als B-Trainer vom DOSB bezahlt. Der DTB möchte allerdings noch mehr Förderung.

Hordorff: Natürlich. Aber das Tennis hat in den vergangenen Jahren eben seine Hausaufgaben nicht gemacht – und ist dementsprechend auch nicht so gefördert worden. Nun haben wir hoffentlich unser Paket so geschnürt, dass wir in die Grundförderung des DOSB reinkommen, das ist für uns auch elementar wichtig. Maßnahmen, die wir in 2015 vorgenommen haben, decken sich mit Forderungen, die das Innenministerium an den Sport gestellt hat – insoweit sind wir da auf einem guten Weg, weiter sogar als andere Sportverbände. Wir unterstützen den Staat dabei, seine Fördermittel effektiv einzusetzen. 2016 werden vom DOSB noch alle sportlichen Leistungszentren auf den Prüfstand gestellt, deshalb haben wir unsere drei Stützpunkte in Oberhaching, Hannover und Stammheim schon entsprechend modernisiert, unter anderem mit dem sogenannten intelligenten Tennisplatz.

Die effektivere Förderung und Verzahnung zwischen allen Beteiligten im deutschen Tennis bleibt aber auch eine Kernaufgabe.

Hordorff: Ich habe für mich selbst ausgerechnet, dass wir einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung hätten, wenn wir alle Fördermaßnahmen bei DTB, Landesverbänden und Vereinen noch besser koordinieren und straffen würden. Also ist das natürlich eine zentrale Aufgabe: Das hinzubekommen, Ressourcen zu erschließen. Gleichwohl werden wir nicht mit Grand-Slam-Nationen mithalten können, die Millionen um Millionen ins Fördersystem pumpen. Wir müssen sehen, dass wir unser Geld intelligent einsetzen. Und es gilt, attraktiv für Sponsoren zu bleiben.

Was heißt das konkret?

Hordorff: Nun, dazu zählen natürlich Erfolge in den verschiedenen Teamwettbewerben. Athleten, die sympathisch und glaubhaft auftreten, die starke Botschafter unseres Sports sind. Wir wollen unsere Stars natürlich auch in die Werbung fürs Tennis insgesamt einbeziehen.

Alexander Zverevwäre ja so einer. Ein 18-Jähriger, dem nach Ansicht der Experten die Tenniswelt offensteht.

Hordorff: Er wirbt ja fürs deutsche Tennis. Das hat man ja beim Davis Cup gesehen und gehört. Er steht für Deutschland auf dem Platz, hat gegen Berdych ein überragendes Match geliefert zum Debüt. Er hat eine große Karriere vor sich, auch im Davis Cup für Deutschland. Man muss ja bei dieser Gelegenheit sagen, dass auch andere ihn im Davis Cup für sich spielen lassen wollten. Es ist kein so großes Geheimnis, dass Russland ihn umworben hat. Aber das wollte er nicht. Er sagt: Meine Heimat ist Deutschland. Auch meine Tennisheimat. Ich hoffe, dass er auch in Rio spielen wird. Das wäre toll. Wir haben ja auch andere Schlagzeilen bei Olympia und Tennis gehabt. Absagen, Negativschlagzeilen. Aber das ist vorbei. Ich finde auch, dassPhilipp Kohlschreiberals Führungsspieler des Davis-Cup-Teams einen tollen Job macht.Es ist übrigens bedauerlich, dass wir Nicola Kuhn, ein Riesentalent, an Spanien verloren haben zunächst.Noch gebe ich aber die Hoffnung nicht auf, dass wir das wieder wenden können

Kommen wir noch einmal zu den deutschen Frauen. Da hatten wir ja im letzten Jahr eine große verpasste Chance durch die Halbfinal-Niederlage im Fed Cup in Russland. Manche forderten von Barbara Rittner, sie müsse nun eine andere Ansprache zu den Spielerinnen finden.

Hordorff: Der DTB hat vollstes Vertrauen zu ihr, das vorneweg. Das müsste ich eigentlich gar nicht betonen. Sie hat ein großartiges Aufbauwerk geschaffen, sie hat die Fundamente auch für viele individuelle Erfolge der Spielerinnen gelegt. Als Reaktion auf diese Niederlage damals haben wir ja ganz bewusst Barbaras Vertrag verlängert, es war uns wichtig, dieses Signal zu setzen. Wir sind auch überzeugt, dass diese Fed-Cup-Truppe bald einmal den Pokal holen wird. Außerdem sehen wir ja schon, dass weitere hoffnungsvolle Spielerinnen nachrücken – und schon im Team stehen.Annika Beck,Anna-Lena Friedsam.Im übrigen bin ich keineswegs der Meinung, dass Barbara zu kumpelhaft wäre. Sie kann schon harte, unbequeme Entscheidungen treffen, auch hart zu den Spielerinnen sein. Sie hat hohe Autorität. Sie stellt sich halt nur nach außen konsequent vor die Spielerinnen, bügelt da niemanden in der Öffentlichkeit herunter. Für mich zeichnet eins auch Barbara Rittner aus: Diese Leidenschaft, an der Basis zu arbeiten. Sie weiß über jede 13, 14, 15-jährige Spielerin Bescheid, was die verbessern kann, wo die Probleme liegen. Ich bin froh, dass sie nicht dem lukrativen Lockruf andere Verbände gefolgt ist. Wir wollen mit ihr noch einen langen, erfolgreichen Weg gehen.

Auch nach dem Grand-Slam-Sieg von Angelique Kerber stellt sich ja die Frage: Wie schafft es Tennis, im Fernsehen präsenter zu sein, auch in den öffentlich-rechtlichen Kanälen?

Hordorff: Es wird ja gern gesagt: Das Fernsehen muss uns helfen. Das ist Unsinn: Wir müssen uns selbst helfen. Wir müssen so attraktiv sein, dass das Fernsehen nicht an uns vorbeikommt. Es gibt natürlich auch weiterreichende Fragestellungen, etwa die, ob Tennis ein Format braucht, das es fürs Tennis interessanter macht. Stichwort: kalkulierbare Zeiten. Sprich: Im Moment weiß ja niemand, ob ein Match eine oder drei Stunden dauert. Im heutigen TV-Zeitalter ist das ein gravierendes Problem. Es geht auch darum, die Spieler besser zu vermarkten, ihre Persönlichkeiten herauszuarbeiten. Aber noch mal: Wir brauchen Ergebnisse, dann kommt auch das Fernsehen auf uns zu. Also: Stünden wir im Davis-Cup-Finale gegen Großbritannien oder Frankreich, wäre die Lage eine andere. Wir müssen halt aufschließen zu den Topnationen, das Geld sinnvoll in Spielerkarrieren investieren. Es gilt auch, die Vernetzung von Schule und Tennislaufbahn noch zu verbessern.

Was man in Deutschland vermisst, ist diese nationale Initiative beim Thema Tennis, eine von oben vermittelte Aufbruchstimmung.

Hordorff: Ja, der Eindruck täuscht nicht. Wir wissen das. Aber es ist schwer, da die Vorstellungen von 16 Landesverbänden auch zu synchronisieren. Wir müssen es aber anpacken, wir müssen auch unsere Stars einbinden in diese Kampagnen. Bei den Nachwuchsteams steht in den Verträgen der Spieler, ganz nebenbei, auch drin, dass sich für gewisse Aktionen zur Verfügung stellen müssen.

Der deutsche Fußball hat in den vergangenen Jahren erfolgreich Migrantenkinder in seine Nationalteams integriert, man muss hier nur die Weltmeister Khedira oder Özil nennen. Welche Möglichkeiten ergeben sich für den DTB da im Zuge der neuen Flüchtlingsthematik?

Hordorff: Erst mal sind wir als Verband Teil der Gesellschaft, und insofern wollen wir dazu beitragen, dass sich Flüchtlinge durch Mitwirken in unseren Vereinen leichter integrieren können. Und es gibt, wenn ich so sagen darf, auch eine egoistische Komponente: Es wird ganz sicher große Talente unter diesen Kids geben, die jetzt zu uns kommen. Talente, die sich auch nicht ausnahmslos für Fußball interessieren. Da müssen wir auf die Menschen, auf die Familien zugehen und ihnen Angebote machen. Vielleicht haben wir irgendwann mal einen Champion, der genau im letzten Jahr auf der Flucht nach Deutschland gekommen ist. Wäre doch eine tolle Geschichte.

Das Gespräch führte Jörg Allmeroth.

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15.04.2016, 09:22 Uhr