"Du musst brennen"

Die aktuelle Nummer drei der Welt im Interview mit tennisnet.com.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.09.2010, 07:23 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Novak Djokovic (23) griff in den letzten Jahren als erster Spieler in den großen Zweikampf zwischen Roger Federer und Rafael Nadal ein und veränderte das Machtgefüge in der Tennisspitze. Sein bisher größter Erfolg war der Gewinn der Australian Open 2008. In jener Saison gewann er zum Abschluß auch noch den Masters Cup in Schanghai. Zu Beginn dieser Saison stieg er auf Platz 2 der Weltrangliste auf, seine bisher beste Einstufung überhaupt. Im Interview mit tennisnet.com spricht Djokovic über seine Rolle als Spaßvogel, Roger Federer und Rafael Nadal sowie sein großes Ziel.


tennisnet.com: Novak Djokovic, der ehemalige Weltranglisten-Erste Mats Wilander nennt sie einen „geborenen Entertainer“ im Tennis. Nehmen Sie das Kompliment kompromisslos an?

Novak Djokovic:Ich nehme an, er bezieht das vor allem aufs Tennis selbst. Aber warum sollte es kein Kompliment sein, gute Unterhaltung auf dem Centre Court zu liefern. Tennis ist ein Unterhaltungssport, der Menschen begeistern will und soll. Und dafür geht es mir heute manchmal zu ernst zu auf dem Platz. Ich bin wie ein offenes Buch auf dem Court, man kann meine Emotionen sehen, spüren, fühlen. Das ist mein Charakter, und den will ich mir auch nicht verbiegen lassen.

Ist Tennis also zu ernst, zu langweilig, zu spröde geworden?

Wir müssen einen Draht zu den Fans finden, wir müssen begeistern, Emotionen wecken, mitreißendes Tennis spielen. Und das geht am besten mit vielen interessanten, schillernden Persönlichkeiten auch in der Spitze, so wie in der Generation Connors, Noah, Borg, Nastase oder McEnroe. Es war gar nicht so, dass die Jungs damals eine Rolle wie in einem Drehbuch spielten, sie waren alle grundverschieden. Der eine aufbrausend, der andere cool.

Spielen Sie also einen Novak Djokovic, der sich draußen gut verkauft? Oder sind Sie, wie Sie auf dem Tennisplatz sind?

Ich muss mich nicht verstellen. Ich bin ein extrovertierter Typ, der seine Gefühle rauslassen muss. Das freut die Fans auch. Sie wollen für ihr Geld auch Leidenschaft sehen.

Sie haben schon eine bewegte Karriere hinter sich, in der Sie zunächst auch nicht davor zurückschreckten, Späße auf Kosten der Kollegen zu machen. Dann ließen Sie Ihre Imitationen sein, wurden ernsthafter, weil es den anderen zu bunt wurde. Haben Sie nun einen goldenen Mittelweg gefunden?

Ich weiß, dass ich es nicht allen recht machen kann. Aber letztes Jahr hatte ich so ein Schlüsselerlebnis, als Rafael Nadal in Rom zu mir sagte: Du kannst mich ruhig imitieren, ich nehme dir das nicht übel. Und so habe ich ihn dann auf dem Centre Court vor seinen Augen nachgemacht, das ganze Programm. Die Fans waren begeistert. Später habe ich mir gedacht: Mann, eigentlich hast du Lust, ab und zu solche Späßchen zu machen. Also mach´ sie auch, ohne dass du die anderen verletzt. Ich nehme mir nicht vor, der Mittelpunkt des Geschehens zu sein. Aber es macht mir eben auch nichts aus, mal im Mittelpunkt zu stehen.

Sie haben sogar gesagt, als sie Ihre Späßchen eingestellt hatten, sei Ihr Tennis schlechter geworden.

Das Problem war, dass ich nicht mehr ich selbst auf dem Platz war und mich nicht wohlfühlte. Natürlich ist es mir wichtig, seriöse Arbeit zu leisten, aber ich brauche auch inneren Freiraum, um gutes Tennis zu spielen. Und diesen Freiraum hatte ich eingezwängt. Ich möchte auch Spaß haben, möchte lachen und mit den Fans kommunizieren.

Wie schwer war es eigentlich, im Schatten der großen Zwei, also Roger Federer und Rafael Nadal, Beachtung zu finden und sich anspruchsvolle Ziele zu setzen?

Nicht gerade ein Kinderspiel, würde ich sagen. Ich habe vielleicht davon profitiert, dass man mich anfangs nicht hundertprozentig ernst genommen hat. Dass man sagte: Der klopft ein paar freche Sprüche, und eigentlich ist nicht so viel dahinter. Roger und Rafa sind unglaublich starke Wettkämpfer, und trotzdem konnte ich sie ein bisschen aus ihrer Wohlfühlzone drücken, als ich klipp und klar sagte: Ich will Grand-Slam-Siege, ich will die Nummer eins werden. Das löste Irritationen aus. Letztlich habe ich aber allen bewiesen, dass hinter meinen Worten auch Substanz steckte.

Im letzten Jahr wirkte es längere Zeit so, als seien Sie von der Bildfläche verschwunden. Die Schlagzeilen in der Spitze schrieben andere, Spieler wie Newcomer Juan Martin del Potro oder Andy Murray.

Sportlich war es eine Phase der Konsolidierung, des Besinnens, des Neusortierens. Und was die Medien angeht: Ich muss mein Gesicht nicht jeden Tag in der Zeitung sehen, ganz bestimmt nicht. Inzwischen bin ich ganz froh, wenn die Leute nicht mit der Lupe auf Novak Djokovic schauen und jeden Schritt, jede Äußerung verfolgen. Vom öffentlichen Radar weg zu sein, hat mir nicht geschadet, ich habe mich wieder spitzenmässig aufgestellt – und dann voll angegriffen. Steht man nicht dauernd im Blickpunkt , wird auch der Druck kleiner.

Macht Ihnen tatsächlich noch Druck zu schaffen, eine Erwartungshaltung von außen?

Ich müsste lügen, wenn ich sage: das lässt mich alles kalt. Druck ist manchmal belastend, manchmal auch motivierend. Das Lampenfieber gehört für jeden von uns dazu, nur so kannst du am Ende auch eine Spitzenleistung abrufen. Wenn dich das alles innerlich nicht mehr berührt, ist es irgendwie vorbei.

Was haben Sie sich für die nächsten Monate vorgenommen, oder stecken Sie sich keine klar umrissenen Ziele mehr?

Ich spiele nicht auf der Basis: Im Juli bin ich die Nummer zwei, im September die Nummer eins. Ich will große Turniere gewinnen und mich damit automatisch in eine gute Position für die Weltrangliste bringen. Die Nummer eins zu werden, das ist ein Lebenstraum von mir, den ich mir irgendwann einmal erfüllen will.

Aber man kann solche Ziele auch nicht in eine ferne Zukunft verschieben?

Nein, du musst brennen, musst ehrgeizig und ambitioniert sein. Ganz klar. Denn von hinten drängen neue Herausforderer ins Geschehen, so wie del Potro im letzten Jahr.
(Foto: GEPA pictures / Matthias Hauer)

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Samstag
11.09.2010, 07:23 Uhr