Djokovic wirbelt die Tenniswelt durcheinander – „Nichts spricht gegen die Nummer eins“

Der Serbe rüttelt nach dem dritten Turniersieg in diesem Jahr am Thron von Rafael Nadal.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.03.2011, 12:02 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Etwas verknittert trat Rafael Nadal nach dem unerfreulichen Ende seines Tennis-Abenteuers in der Wüste vor die Mikrofone. Der bloß zweite Sieger des Millionenspiels von Indian Wells, sowieso kein Freund langer Reden und Erklärungen, sprach sehr gepresst über die „fehlende Durchschlagskraft“ seines Aufschlags, beklagte „Aufs und Abs“ in der Finalpartie und kam dann doch in aller Kürze genau auf den Punkt: „Er war immer im richtigen Moment am richtigen Fleck.“ Er – das war Nadals Bezwinger: Novak Djokovic, der zurzeit eindrucksvollste und siegessicherste Profi im weltweiten Wanderzirkus. Wohin die Karawane der Tennisnomaden in diesen Tagen auch zieht, am Ende siegt stets der felsenfest beharrliche Serbe. „Kein Zweifel: Das ist die beste Zeit meiner Karriere“, sagte Djokovic nach dem 4:6, 6:3, 6:2-Masterssieg über den Ranglistenführer Nadal, „auch weil ich so konstant gut spiele.“

Djokovic Nummer eins? „Nichts spricht dagegen und eine Menge dafür“

Schwarz auf weiß ist nun eine erstaunliche Dominanz des Mannes verbrieft, dem zu Jahresbeginn nur eine herausgehobene Zuschauerrolle im vermeintlich neu aufflammenden Duell zwischen Nadal und Roger Federer zugedacht worden war: 18 Mal ist Djokovic in den ersten drei Monaten auch dieser erstaunlichen Saison auf den Centre Court marschiert, und 18 Mal hat er ihn als Sieger verlassen – ob es nun gegen Konkurrenz aus dem Mittelbau der Branche ging oder gegen die Federers, Nadals oder Murrays. „Dass er überhaupt eine solche Serie hinlegen kann, beweist die gewachsene Klasse und Reife Djokovics“, sagt Altmeister John McEnroe, der dem ehemaligen Klassen-Clown der ATP Tour auch die Führungsposition zutraut, also den Sprung auf Platz eins: „Nichts spricht dagegen – und eine Menge dafür.“

Zum Beispiel die Selbstverständlichkeit, mit der sich der aktuell auf Platz zwei verbesserte Djokovic inzwischen in den Machtkämpfen gegen die ganz Großen behauptet – gegen die ehemaligen Alphatiere Federer und Nadal, aber auch gegen Generationsgenossen wie Murray im Endspiel der Australian Open. „Ich kann mich jederzeit auf mein Spiel und meine Psyche verlassen, auch wenn es mal brenzlig wird“, sagt der junge Serbe, der anders als in zurückliegenden Spielzeiten auch körperlich äußerst stabil wirkt und nicht mit lästigen Wehwehchen zu tun hat. Dabei geholfen hat eine überfällige Professionalisierung des Umfelds, in dem mittlerweile nicht nur persönlicher Fitnesscoach und Physiotherapeut segensreich wirken, sondern auch ein Ernährungswissenschaftler. „Rundum fit“ sei er, sagt Djokovic, „das Gefühl, von diesem Team bestens betreut zu werden, beflügelt unheimlich.“

Davis-Cup-Sieg als Schub fürs Ego

So kann Djokovic auch Herkulesaufgaben wie in der Millionärs-Oase Indian Wells stemmen, im heißen kalifornischen Wüstenklima. Dort schaltete er im Halbfinale Federer aus, mit dem schon dritten Sieg hintereinander gegen den Maestro, und bezwang dann auch erstmals in einem Finale den bulligen Nummer 1-Mann Nadal. Selbst einen Satzrückstand im Endspiel machte Djokovic gegen den Mallorquiner wett, fast schon typisch für Djokovics neue Präsenz auf den großen Bühnen war dieser energische Umschwung, bei dem er schließlich alle Big Points für sich entschied. Zittern und Zagen, wenn es wirklich um alles oder nichts geht, das gilt nicht mehr für den unterhaltsamen Belgrader, der in seinen Juniorenjahren auch entscheidend in der Münchner Tennisakademie von Niki Pilic ausgebildet wurde.

Pilic, der alte Stratege, hat ihm auch jetzt indirekt noch einmal geholfen. Als weiser Berater war der frühere deutsche Davis Cup-Bankdirektor maßgeblich am serbischen Davis Cup-Triumph im Dezember beteiligt, und im nachhinein wirkt dieser Coup wie ein letzter Schub für Djokovics Ego, wie eine unumstößliche Referenz, sich auch unter extremen Drucksituationen zu behaupten. „Als Spieler hat er jetzt noch einmal einen markanten Schritt nach vorne gemacht“, sagt Pilic, „hin zur absoluten Spitze.“ Sprich: Auf das Niveau von Federer und Nadal.

Eine andere Tenniswelt

Die Hackordnung hat sich verändert, nicht erst seit Indian Wells, nicht erst seit diesem ersten Endspielerfolg von Djokovic über Nadal. Ohne dass seine Rivalen es ahnten und wussten, kam der Serbe schon mit einer veränderten Statur in diese Saison 2011 – ein Davis Cup-Champion, den irgendwie nichts mehr zu schrecken schien, auch nicht die größten Aufgaben und Herausforderungen, die ihm aufgetragen wurden. Die Tenniswelt mit diesem Djokovic ist jedenfalls eine andere als die Tenniswelt der letzten Jahre.(Foto: GEPA pictures)

von tennisnet.com

Montag
21.03.2011, 12:02 Uhr