Doppel-Legende Oliver Marach im Interview: „Das Ziel sollte immer Turin sein“
Oliver Marach hat 2018 gemeinsam mit Mate Pavic die Australian Open gewonnen. Seit Ende 2023 begleitet der Steirer seinen ehemaligen Spielpartner als Coach. Im tennisnet-Interview zeigt sich Marach mit dem Saisonverlauf sehr zufrieden.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
05.08.2025, 08:45 Uhr

Temperaturen wie am Wochenende in Toronto ist Oliver Marach selbstredend gewohnt - schließlich hat die österreichische Doppellegende vor vielen Jahren den Lebensmittelpunkt nach Panama verlegt. Und so macht es Marach auch gar nichts aus, im dunklen T-Shirt an der Seitenlinie des Grandstands zu sitzen, wo sein Schützling und früherer Doppelpartner Mate Pavic gemeinsam mit Marcelo Arevalo sicher den Einzug in das Viertelfinale des kanadischen ATP-Masters-1000-Turniers fixiert. Das Interview mit tennisnet findet dann aber doch im Schatten statt …
Tennisnet: Herr Marach. Das Masters in Kanada wechselt jährlich zwischen Toronto und Montreal. Wo hat es Ihnen in Ihrer aktiven Zeit besser gefallen?
Oliver Marach: Ich finde beide Städte sehr gut, habe aber immer ein bisschen besser in Montreal gespielt. Dort ist auch das Essen vielleicht um eine Spur vorne. Aber beide 1000er sind gut besucht, es ist immer voll, wie man heute hier ja auch sieht.
Tennisnet: Die ATP hat mit zwei Ausnahmen alle 1000er-Turniere auf mindestens zehn Tage ausgedehnt. Das sorgt auch für Kritik. Wie stehen Sie dazu, wie sehen es die Doppelspieler generell?
Marach: Es geht halt hauptsächlich darum, dass der Kalender so lang ist. Die Spieler sind immer öfter verletzt. Deswegen, glaube ich, spielen auch einige Topstars hier nicht, weil denen ist das ganze Jahr zu lang. Doppel ist natürlich weniger anstrengend als Single, aber das Jahr ein bisschen kürzer zu gestalten, wäre für die Spieler generell nicht schlecht.
Oliver Marach - “Ich sehe Dinge sehr schnell”
Tennisnet: Ihr Schützling Mate Pavic hat im Doppel beinahe alles gewonnen. Kann der sich im jetzigen Stadium seiner Karriere überhaupt noch verbessern?
Marach: Man kann sich immer verbessern! Mate hat mich Ende 2023 angerufen, da hat er gerade sein schlimmstes Jahr mit Nikola Mektic hinter sich gehabt, war außerdem an der Schulter verletzt. Darauf habe ich mich selber am Anfang einstellen müssen, für mich war es ja auch neu. Aber ich habe sehr viel Erfahrung, technisch, ich sehe Dinge sehr schnell, die man einfach verändern kann. Aber man muss auch aufpassen: Was willst du bei einem Spieler jetzt megamäßig technisch verändern, der schon jetzt auch schon 10, 15, 20 Jahre auf der Tour ist? Bei Mate ist halt leider manchmal das Service das Problem, der Aufwurf. Und wir haben versucht, das Spielsystem ein bisschen umzustellen, weil man ihn ja längst kennt. Das erste Jahr für ein neues Doppelteam ist immer einfacher, weil sich die Gegner darauf noch nicht eingestellt haben.
Tennisnet: Weil sich alle besser vorbereiten?
Marach: Heutzutage schaut jeder immer ein Video vorher an und schaut halt, wo die Leute lieber hinservieren, was ist sein besserer Schlag, was tut es ihnen mehr weh, wo positionieren sie sich. Ich habe bei Mate versucht, seine zweiten Schläge zu klären. Das liebt er z.B. immer wieder seine Inside-Out-Vorhand. Aber dann habe ich es ein bisschen umgestellt, mit Lob-Varianten und auch Vorhand-Down-the-Line. Eigentlich sind das erstaunlich viele Dinge, die wir seit 2023 ein bisschen anders gestaltet haben.
Tennisnet: Worauf haben Sie noch geachtet?
Marach: Der Mate wird auch älter. Und obwohl er erst 31 ist, habe ich ihm gesagt: Das Wichtigste wird Deine Fitness sein. Jetzt reist er mit dem Fitnesstrainer, der ist immer wieder ein paar Wochen dabei im Jahr, weil das für Mate extrem wichtig ist.
Tennisnet: Wie sind Sie mit dem Verlauf der Saison zufrieden?
Marach: Mate und Marcelo spielen ein sehr gutes Jahr. Von Miami an haben die unglaublich gespielt, jetzt die letzten Wochen. Man kann nicht immer verlangen, dass man das Turnier gewinnt, aber sie spielen trotzdem sehr solide im Semifinale und Finale. Als Coach muss man schauen, dass man glücklich ist in der Beziehung. Das Doppel ist ja wie eine Ehe. Und es sind zwei extrem verschiedene Spielertypen. Ich muss einfach dafür sorgen, dass die Harmonie mindestens am Platz einmal passt. Außerhalb ist es egal, da kenne ich viele Doppelteams, die ihre getrennten Wege gehen und ihre eigenen Dinge machen, aber am Platz, wenn man weiß, es kommt Down-to-the-Business, dann muss man da auf einem gemeinsamen Nenner sein. Und das passt bei Mate und Marcelo sehr gut.
"Schwächen bei einzelnen Schlägen gibt es fast nicht mehr"
Tennisnet: Sie sind selbst ein passionierter und auch sehr guter Padelspieler. Wenn man sich Doppelasse wie Mate Pavic, Marcelo Arevalo, Nikola Mektic und Rajeev Ram ansieht wie gerade eben auf dem Tennisplatz - wer von denen könnte beim Padel die beste Figur abgeben? Wir gegen mit Ram all-in …
Marach: Rajeev hat eine gute Hand, aber im Padel geht es um das Positionieren, kleine Schritte, und der Rajeev ist auch ein bisschen älteres Kaliber. Den Mate habe ich noch nicht spielen gesehen, aber dürfte ein sehr gutes Padelspiel haben.
Tennisnet: Wo sehen Sie die größten Veränderungen im Doppel zu den „alten“ Zeiten? Ist es die Positionierung der Spieler noch enger am Netz?
Marach: ich habe fast drei Generationen erlebt im Tennis. Ich war dabei, als Muster, Becker und die alle noch gespielt oder bald aufgehört haben. Dann kamen Federer und Djokovic, mit Nole habe ich sogar die Challenger zusammen gespielt. Und dann haben wir jetzt die neue Generation. Man muss einfach sagen, Tennis ist viel schneller geworden und die Fitness hat einen anderen Stellenwert. Ich habe angefangen, weiter vorne zu stehen, aber jetzt muss man wieder ein bisschen aufpassen, weil mehr Spieler spielen auch den Lob und da hast du mit der Position direkt am Netz fast keine Chance, den Lob zu kriegen. Schon die Bryan Brothers haben einen perfekten Lob draufgehabt.
Tennisnet: Wie sehen Sie die Entwicklung im Einzel?
Marach: Leute wie Rublev, Alcaraz oder Sinner spielen unfassbar schnell. Das ist ein anderes Bild als zu jener Zeit, und der ich Single gespielt habe, so vor 15, 20 Jahren. Damals habe ich überall sagen können, jeder hat fast eine Schwäche gehabt beim Schlag - und das gibt es ja heutzutage fast nicht mehr.
Tennisnet: Gibt es Teams auf der ATP-Tour, die Ihnen neben Ihrem eigenen auch gefallen?
Marach: Da sind Marcel Granollers und Horacio Zeballos, die ein unglaublich gutes Team sind. Und nur die Hälfte des Jahres zusammenspielen. Oder Kevin Krawietz und Tim Pütz, die finde ich auch stark. Und es kommen immer wieder ein paar neue Paare hoch. Aber es ist im Doppel immer eng, Du darfst Dir keine Aussetzer leisten. Es geht um Konstanz. Das Ziel sollte immer Turin sein, wenn du das Jahr anfängst, weil du weißt: wenn du dort dabei bist, hast du ein gutes, konstantes Jahr gehabt.
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