Doppelte Klasse auf dem zweiten Bildungsweg

Beim Blick auf die aktuelle Doppel-Weltrangliste fällt auf, dass von den sechs höchstplatzierten deutschen Profis insgesamt fünf Spieler den Weg ans US-College gewählt hatten - mehr als nur ein Trend?

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 05.05.2023, 06:50 Uhr

Mit Tim Pütz hat Kevin Krawietz einen weiteren Ex-College-Spieler an seiner Seite.
© Getty Images
Mit Tim Pütz hat Kevin Krawietz einen weiteren Ex-College-Spieler an seiner Seite.

Aufmerksam wurde man in Deutschland auf den Weg College-Tennis erstmals, als der 1997 in die USA gewechselte Alexander Waske im Anschluss an seine Ausbildung auf der Profitour in die Weltklasse aufstieg. Obwohl es der inzwischen 48-jährige Hesse, der mit seiner Akademie vom hessischen Tennisverband in Offenbach nach Hochheim wechselt und die sportliche Leitung der Boris Becker Tennis Academy übernehmen wird, im Einzel in die Top 100 schaffte, gewann er alle seine vier Titel auf der ATP-Tour im Doppel und schaffte es dort bis auf Platz 16 im Ranking.

Krawietz setzt auf Partner mit College-Erfahrung

Wie heißt es so schön – Ausnahmen bestätigen die Regel. Lediglich der momentan an Position 17 geführte Kevin Krawietz wählte nicht den Weg über den großen Teich. Der 31-jährige Coburger schaffte es in seiner erfolgreichen Juniorenzeit bis auf Platz 8 im Ranking und setzte damals schon sein Highlight mit dem Doppeltitel in Wimbledon an der Seite des Franzosen Pierre-Hugues Herbert, womit sein Weg zu den zwei Trophäen bei den Herren in Roland Garros schon vorgezeichnet schien. Sein kongenialer Partner bei den beiden Triumphen in Paris, der ein Jahr ältere Andreas Mies aus Köln, absolvierte erst seine Ausbildung an der Auburn University, ehe sich die aktuelle Nr. 21 an der Seite von Krawietz von der Challenger-Ebene bis zu Grand Slam-Ehren hochspielte. An der gleichen Universität im US-Bundesstaat Alabama studierte davor auch der 35-jährige Tim Pütz. Nach ihrer famosen Siegesserie im Davis Cup tritt der 35-jährige Frankfurter seit dieser Saison mit Krawietz auch gemeinsam auf der Tour an.

Weitere College-Spieler an der Schwelle zu den Top 100

Hinter diesen absoluten Weltklassespielern schicken sich drei weitere DTB-Spieler an, die gerade am Sprung in die Top 100 der Doppel-Weltrangliste sind, perspektivisch in deren große Fußstapfen treten zu können. Viele deutsche Tennisfans waren zum Saisonauftakt verwundert, als sie neben den etablierten Spielern auch den Namen Fabian Fallert als Teammitglied der deutschen Auswahl für den United Cup hörten, der als Alternative für die entscheidenden Mixed-Partien nominiert wurde. Der 25-jährige aus Bad Urach, der seinen Abschluss an der University of Mississippi machte, überzeugte letzte Saison mit zwei Titeln auf der Challenger-Tour und einer Finalteilnahme beim ATP 250-Turnier in Sofia an der Seite von Oscar Otte. Ab Mitte der Saison legte sich Fallert auf den 27-jährigen Hendrik Jebens aus Stuttgart als neuen Stammpartner fest, mit dem er bis Jahresende noch drei Finals bei Challengern erreichte. Gekrönt wurde das bisherige Zusammenspiel mit dem Absolventen der kalifornischen San Diego University durch den Titelgewinn beim Heim-Challenger in Koblenz. Aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalls von Fallert, der sich an der Hüfte operieren lassen musste, sprang Constantin Frantzen, der seine Ausbildung an der texanischen Baylor University bestritt, als Partner von Jebens in die Bresche. Der 25-jährige Augsburger fügte sich dabei bestens ein, was sich an dem Gewinn des Challenger-Titels im schweizerischen Biel zeigen lässt.

Extremer Fokus im College auf dem Doppel

Die Gründe für das erfolgreiche Abschneiden der ehemaligen College-Spieler auf der Doppel-Tour liegen auf der Hand. Während der Jungprofi, der den direkten Einstieg auf die Tour wählt, überwiegend als „Einzelkämpfer“ unterwegs ist, lebt man am College von Beginn an den Teamgeist im Mannschaftsgefüge. Des Weiteren werden bei den Mannschaftswettkämpfen im Universitätsrahmen die Doppel vor den Einzeln ausgetragen, um die Bedeutung des Doppelspiels zu stärken. In Deutschland hat sich bei den Medenspielen leider oft eingebürgert, dass bedeutungslose Doppel oft abgeschenkt oder ohne zu spielen aufgeteilt werden. Da besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf, wenn es zukünftig nicht nur ausschließlich heißen soll: „Deutsche Doppelspezialisten – made in USA“.

/""

von Dietmar Kaspar

Samstag
08.04.2023, 08:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 05.05.2023, 06:50 Uhr