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Ein historischer Finalabend im UTC La Ville

Youngster Vinzenz Wutzl vom TC Tulln hat am Mittwoch Abend mit einem episch und historisch ausgefall...

von Claus Lippert
zuletzt bearbeitet: 02.06.2022, 21:18 Uhr

Youngster Vinzenz Wutzl vom TC Tulln hat am Mittwoch Abend mit einem episch und historisch ausgefallenen Kraftakt, das Teenagerfinale der 31. HTT French Open Auflage gegen den gleichaltrigen Wenzel Graski gewonnen, und sich nach 3:51 Stunden Spielzeit mit 3:6, 6:7, 7:5, 6:3 und 6:3 mit seinem ersten HTT Turniersieg auch gleich seinen ersten HTT Grand Slam Titel gesichert. Der 18jährige ist zudem erst der zweite Spieler überhaupt, der in der langen und seit 1992 andauernden HTT Grand Slam Geschichte ein HTT Major-Endspiel nach 0:2 Satzrückstand noch drehen und für sich entscheiden konnte. Ein Bericht von C.L

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Wutzl und Graski schreiben ruhmreiches Kapitel der HTT Geschichte

Alle heiligen Zeiten einmal, gibt es so Tage in der mittlerweile bereits über 1650 Wochen andauernden HTT Geschichte, die man getrost als phänomenal und historisch klassifizieren kann. Am 1. Tag des Juni 2022 war wieder einmal so ein Tag, an dem zwei Spieler eines dieser ganz speziellen und besonders ruhmreichen Kapitel dieser HTT Geschichte schrieben. Abgesehen von der spielerischen Performance, die Wutzl & Graski dem finalen Showdown beim wichtigsten Sandplatzturnier des Jahres auf “Court Lance Lumsden” verliehen, waren der Verlauf und das Resultat des fast vier Stunden dauernden Schlagabtausches am Ende von historischem Ausmaß. Alles in allem ein finaler Tennistag bei der 31. Auflage der HTT French Open, wie man ihn sich als Veranstalter nur in seinen kühnsten Träumen ausmalen darf. Um sich die Dimension des 1. Juni 2022 klar zu machen, bedarf es einer kleinen Zeitreise zurück ins erste Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende. Wir schreiben den 30. Jänner 2008, “Klein Vini” der frischgebackene HTT French Open Sieger besucht noch den Kindergarten und hat mit Tennis nichts am Hut. An diesem Tag stand auch das Endspiel der HTT Australian Open 2008 im Tennispoint Vienna auf dem Programm, und dort sollte sich spät Abends ein sportliches Highlight ereignen, das bis zum gestrigen Abend des 1. Juni 2022 als einzigartiger Rekord in die Annnalen der HTT Geschichte eingegangen war.

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Graski mit 2:0 Satzführung und 4:1 Vorsprung im dritten Durchgang

Mario Kiss hatte im Endspiel der HTT Australian Open gegen Andreas Harbarth ein 4:6, 5:7 noch in einen 6:2, 6:3, 6:0 Erfolg verwandelt, und damit als erster und bis gestern auch einziger Spieler der HTT Historie einem Best of Five Grand Slam Finale nach 0:2 Satzrückstand noch eine Wende hin zum Sieg geben können. Und dieser Rekord schien fast schon einer für die Ewigkeit. Seither gingen 13 Endspiele auf allerhöchstem HTT Niveau über die volle Distanz von fünf Sätzen, nach 0:2 kam freilich seither keiner der HTT-Stars zu Titelehren. Und auch am gestrigen Finaltag der HTT French Open 2022 hätte wohl niemand der amtsbekannnten HTT Insider und auch keiner im zahlreichen Publikum auf der La Ville Terrasse auch nur einen Moment eine solch historische Wiederholung des Kiss-Kunststückes von 2008 für möglich gehalten. Ein Blick auf die Matchuhr zeigte 18:47 Uhr an diesem Mittwoch des 1. Juni 2022, das mit Spannung erwartete Teenager-Endspiel der HTT French Open war genau eine Stunde und eine Minute alt, als Wenzel Graski mit einer 2:0 Satzführung und im dritten Satz 4:1 in Front liegend, dem von vielen Experten im Vorfeld prognostizierten Titelgewinn mehr als nur nahe war. Wutzl hatte in den ersten beiden Durchgängen jeweils ein frühes 2:0 vergeigt, im Tiebreak des zweiten Durchgangs sogar einen Satzball liegen gelassen, als das erste Grand-Slam-Finale des 18jährigen mit einer deutlichen Schlappe zu enden schien. Was dann aber folgte, kann man getrost als eines der größten Comebacks der HTT Geschichte titulieren.

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Wutzl zwingt körperlich maroden Graski in einen fünften Satz

Wutzl holte im verbleibenden dritten Satz mit dem Rücken zur Wand stehend sechs der nachfolgenden sieben Games, und verkürzte mit 7:5 tatsächlich auf 1:2 in Sätzen. Noch hatte niemand im Graski-Lager und auch der 18jährige selbst einen Anflug von Panik. Ein kleiner Betriebsunfall so schien es, leicht wieder zu korrigieren im vierten Satz, zumal Graski auch in den drei Durchgängen zuvor ein ums andere Mal seine Extraklasse aufblitzen ließ. In der Graski`schen Erfolgsformel schien nur ein Parameter nicht mit einberechnet. Jener der Fitness! Und genau dort sollte es am Ende “haken”, und zwar gewaltig. Der 18jährige Bundesligaspieler vom UTC Volksbank Waidhofen musste nämlich ab Mitte des Matches richtig hart für seine Punkte arbeiten. Wutzl hatte sich vom risikoreicheren Tennis verabschiedet, auf Konstanz und Effizienz gesetzt, und seinen Gegner damit einen intensivst geführten Schlagabtausch aufgezwungen. Alleine die ersten zwei Games des vierten Satzes dauernden 20 Minuten, und zogen dem März HTT 500 Champion weiter massigst Energie aus seinem Körper. Mitte des vierten Satzes machte Graski einen bemitleidenswerten Eindruck. Wutzl holte sich von von 2:2 weg die nächsten drei Games mit 12:1 Punkten, und erzwang nach weiteren 41 Minuten mit 6:3 einen allesentscheidenden fünften Satz. Zum ersten Mal seit den HTT Australian Open 2020 gab es also wieder einmal ein HTT Grand Slam Finale, das im fünften Durchgang über Sieg oder Niederlage entscheiden sollte. Und erst zum dritten Mal nach 2008 (Kiss gegen Wagner) und 2011 (Stabrawa gegen Franz Mayrhuber) ging der traditionsreiche Sandplatz-Klassiker am Altmannsdorfer Ast über die volle Distanz.

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Wutzl als viertjüngster HTT French Open Champion im Interview

Dort ließ Graski dann seine Fans noch einmal hoffen, und sogar vom Titel träumen. Denn der 18jährige setzte sich in nur 14 Minuten mit 3:0 ab, schien die zweite Luft zu bekommen, und die schmerzhaften Krämpfe überwunden zu haben, ehe Wutzl zum “finale furioso” ansetzte, und das letztlich historische Kunststück mit sechs Games in Serie zum 3:6, 6:7, 7:5, 6:3, 6:3 Erfolg vollendete. Wutzl ist der 56. Spieler seit 1990, der es zu einem HTT Grand Slam Titel brachte, der 21. HTT French Open Sieger der Open Era, und mit 18,6 Jahren der viertjüngste Champion des größten und wichtigsten Sandplatz-Events der HTT. Nach Alexander Geisler (2009 und 2012), Peter Klager (2013) und Eric Adochitei (2018) holte Wutzl als vierter ungesetzter Spieler den HTT French Open Titel, über den er sich wahnsinnig freute. “Nach meiner langwierigen Verletzung tut dieser Titel gut. Ich bin megahappy über dieser Erfolg. Auch nach zwei verlorenen Sätzen hatte ich immer das Gefühl, dieses Match drehen zu können. Bei 1:4 im dritten Satz habe ich meine Taktik geändert, und versucht, den Ball einmal mehr als Graski ins Feld zu spielen. Ab dem vierten Satz war es nur noch ein sportlicher Überlebenskampf, weil wir beide extrem müde waren”, so der gebürtige Wiener.

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Wenzel Graski: “Best of five war eine neue Erfahrung für mich”

“Natürlich hätte ich gerne gewonnen, aber man muss meinem Gegner zum Titel gratulieren. Er hat ab Mitte dritter Satz sehr gut gespielt, und meine Fehler und meine körperlichen Probleme perfekt genützt. Es war eine neue Erfahrung für mich, Best of Five zu spielen”, so Graski. Und genau dieser Umstand wurde dem 18jährigen Titelfavoriten auch zum Verhängnis. Auf mangelnde Erfahrung bei 5 Satz-Duellen mit einigen taktischen Fehlern ist am Ende wohl auch seine Niederlage zurückzuführen. Wenn man hinter jedem noch so aussichtslosen Ball bei 40:0 hinterher sprintet, verschießt man “Körner”, die man im Finish einer Fünfsatzschlacht wie einen Bissen Brot braucht. “Ich habe alles herausgeholt aus mir, ich kann mir nichts vorwerfen. Ich denke die Zuschauer sind voll auf ihre Rechnung gekommen, und konnten ein tolles Tennismatch genießen”, so Graski. “Ein großes Lob auch an den Turnierleiter. Es war wieder eine megacoole Veranstaltung. Und geil war auch, dass ich mit meiner Freundin das Doppelfinale erreichen konnte”, so der doppelte Teller-Empfänger. Übrigens: Den Titel in der Doppel-Konkurrenz holte sich das tschechisch-österreichische Duo Marek Schee & Dominik Jaros, die das zweite HTT Grand Slam Turnier des Jahres mit einem 6:1, 6:2 Finalerfolg über Graski-Gamsjäger einem würdigen Ende zuführten.

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von Claus Lippert

Donnerstag
02.06.2022, 20:51 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.06.2022, 21:18 Uhr