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Michael Oberleitner im Interview

Michael Oberleitner im tennisnet.com-Interview über Niki Moser, Todeszonen, seinen Job in der ÖTV-Sportkommission und den Start der neuen APT.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 14.11.2010, 18:50 Uhr

Michael Oberleitner kämpft selten mit Langeweile. Der 44-Jährige, ehemalige ATP-Nummer 270, leitet das Pro Tennis Leistungszentrum in der Wiener Cumberlandstraße mit Niki Moser und Alex Peya als Aushängeschildern, ist Mitglied der Sportkommission des Österreichischen Tennisverbands und trat zuletzt als eines der Gründungsmitglieder und Sprecher der gemeinsamen Initiative der ehemaligen österreichischen Davis Cup- und FedCup-Stars auf, der mittlerweile 20 österreichische Profis und Ex-Profis rund um Thomas Muster angehören – von Werner Eschauer bis Julian Knowle, von Babsi Schwartz bis Patricia Wartusch, von Alex Antonitsch bis Gilbert Schaller.

Michael Oberleitner, Ihr 20-jähriger Schützling Niki Moser steht erstmals in Österreich im Hauptbewerb eines internationalen Turniers. Was dürfen wir von ihm in Salzburg gegen den Spanier Ivan Navarro erwarten?


Mir wär zunächst lieber, er wär' wegen seinem Ranking drin und nicht mit einer Wildcard. Navarro ist ein Routinier, ist letztes Jahr noch auf Platz 70 gestanden und dadurch natürlich Favorit. Aber das Wichtigste ist, dass sich Niki seit der Stadthalle Siege gegen Leute zutraut, die zwischen 100 und 200 stehen. Es gibt in jedem Jahr für einen Spieler fünf, sechs Partien, die ihn auf ein höheres Level bringen können, da macht es Klick, und die Crivoi-Partie war so eine. Gesagt haben wir‘s ihm schon lange, dass er solche Leute schlagen kann, aber in Wien hat Niki das zum ersten Mal selber kapiert.

Sollte Niki den Spanier in Salzburg tatsächlich schlagen, würde in Runde zwei Andi Haider-Maurer oder Thomas Muster warten. Nur als Anlass für eine Frage Richtung Wien: Was bedeutet AHMs Finaleinzug für einen 20-jährigen Österreicher, der in den 400ern der ATP steht?

Sehr viel. Ich bin sicher: Jeder junge Österreicher, der zwischen 300 und 800 steht, trainiert seit dieser Stadthallen-Woche zehn Prozent intensiver, ist fokussierter, glaubt mehr an seine Möglichkeiten.

Sind nicht die Erfolge von Jürgen Melzer auch so ein Impuls?

Der Jürgen ist da spielerisch viel zu weit weg. Aber den Andi kennen viele vom Training und den Turnieren, das ist „einer von ihnen“. Wenn du ein junger Spieler bist und dich der Erfolg vom Andi nicht geil auf eine professionelle Tenniskarriere macht, dann ist es wahrscheinlich besser, du hörst gleich ganz auf.

Und ganz kurz zu Thomas Muster, weil wir schon dabei sind?

Für den Tom wird es meiner Meinung nach in Salzburg gegen den Andi noch schwerer als in Wien. Einfach weil die Kulisse nicht so groß ist, der Druck auf Andi dadurch kleiner. Aber dennoch muss ich sagen: Tom beeindruckt mich. Natürlich mit seiner Einstellung und seinem Einsatz, aber auch mit seinem Aufschlag. Ich traue mich zu sagen: Er serviert um zwei Klassen besser als früher. Wirkliche Probleme hat er noch bei den Returngames.

Niki Moser ist 20 Jahre alt, steht auf ATP-Rang 411. Ist das in der Marschroute? Oder hätte man sich mehr erwarten müssen?

Wenn wir nur auf die Rangliste geschaut hätten, müsste er mehr Futures spielen. Aber das kann man nicht machen, das wäre kurzfristig gedacht. Die Futures sind auf Dauer eine Todeszone …

… Todeszone …?

Du bist auf den meisten Futures so weit weg von der ATP-Tour, in jeder Hinsicht, von den Gegnern her, von der Beständigkeit, der Klasse des Tennis, von der Organisation her, das brennt dich auf Dauer aus. Und du findest bei Futures auch nicht heraus, ob du für die wirkliche Tour geeignet bist, meistens ist der spielerische Unterschied da zu groß. Bei Challengern riecht es schon ein bisschen nach ATP-Tour. Wenn einer auf 250 steht und seine Punkte bei Challengern geholt hat, heißt das was ganz anderes als wenn er sie bei Futures geholt hat, das sind zwei verschiedene Dinge.

Aber die Trauben hängen halt bei Challengern auch sehr viel höher: Bei den letzten fünf Turnieren, drei Challenger- und zwei Tour-Qualis, hat Niki null Punkte geholt. Aber geflogen ist er viel: Usbekistan, Schweden, Österreich, Kasachstan, Südtirol … leere Kilometer?

Naja, Senator ist er bald im Meilenprogramm. (Lacht.) Aber im im Ernst: Niki ist ein gefährlicher Spieler, sehr offensiv, wenn bei ihm alles zusammenläuft, kann er ordentliche Ausreißer nach oben haben. Und mir ist lieber, er hat so einen Ausreißer bei einem Challenger als bei einem Future. Dann kann's auch ziemlich schnell im Ranking nach oben gehen.

Themenwechsel. Am 18. September haben Sie in Wien die neue Initiative der ehemaligen österreichischen Davis Cupper und Fedcupperinnen vorgestellt. Als sie vorgestellt wurde, hatte sie noch nicht einmal einen Namen …


Das hat sich mittlerweile geändert. Der Verein ist unter dem Namen „APT – Austrian Professional Tennis“ vereinsrechtlich beantragt, wir haben Statuten, Vereinssitz, alles, was man rechtlich braucht. Peter Feigl und ich sind die beiden Gründungsmitglieder, in nächsten Wochen stellen wir einen Vorstand zusammen aus dem Kreis jener zwanzig, die diese Idee jetzt schon unterstützen. Mein Wunschteam wären zum Beispiel Clemens Trimmel, Patricia Wartusch und Marion Maruska, damit hätten wir die wesentlichsten Aufgaben und Themenbereiche fürs Erste gut abgedeckt.

Bei allem Respekt vor Trimmel, Wartusch, Maruska: Was ist mit den ganz prominenten Namen wie Feigl oder Muster?

Peter Feigl ist der Grandseigneur und Ehrenpräsident der APT. Er hat kein fix definiertes Betätigungsfeld, aber ist einer derjenigen, die gemeinsam mit Ernst Scholdan die Idee geboren haben, das war bei einer Geburtstagsfeier von Scholdan, bei der er dabei war, Tom, Herwig Straka und einige andere, die etwas im österreichischen Tennis bewegen wollten.

Muster?

Tom ist, wie jeder weiß, nicht ständig verfügbar, aber er steht der Idee der Initiative sehr wohlwollend gegenüber. Natürlich kann Tom im täglichen Geschäft noch nichts tun, weil er jeden Tag acht Stunden für sein Tennis viechert, aber er hilft im Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten. Ob das jetzt eine Betreuung bei einem Turnier ist oder etwas anderes nebenbei, wenn er helfen kann, dann tut er das sicher gern. Und ich hoffe darauf, dass er nach Ende seiner mittlerweile ja dritten Karriere, wenn man die Unterbrechung durch den Unfall rechnet, dass wir dann mit ihm rechnen dürfen. Eine Persönlichkeit wie Tom muss man um jeden Preis im österreichischen Tennis halten – wenn's im Rahmen und mit Unterstützung des APT wäre, wären wir natürlich stolz.

Die Grundidee des Vereins war ja, junge Talente punktuell und unbürokratisch zu unterstützen, unabhängig davon, wo oder mit wem sie trainieren. Passiert in dieser Hinsicht schon etwas?

Wir sind noch in den Vorbereitungen, der ganze organistorische Kram gehört halt zuerst erledigt. Wir beginnen zwar schon mit Kleinigkeiten wie dass wir diesen oder jenen Spieler auf einem Turnier mitbetreuen oder jemanden zum Training einladen, aber ab Anfang 2011 können wir die Dinge auch in punkto finanzieller Förderung konkret angehen.

Was habt ihr da vor?

Unser Schlagwort ist „Players for Players“. Das heißt: Ob einer blond oder braun ist, katholisch oder evangelisch, beim Verband oder mit seinem Coach daheim trainiert – es zählt die Leistung. Wenn jemand, in Relation zu seinem Alter, international schon außergewöhnliche Leistungen gezeigt hat, soll er logistisch und finanziell von uns unterstützt werden – quasi „ein Stipendium vom APT“ erhalten. Das Geld geht immer an den Spieler, niemals an eine Struktur oder eine Einrichtung.

Welches Geld eigentlich, wieviel habt ihr zur Verfügung?

Wir starten mit 50.000 bis 70.000 Euro Budget ins Jahr 2011. Mal sehen, wie sich alles entwickelt, Ernst Scholdan und viele andere Unterstützer dieser Idee werden sich da mit ihren guten Kontakten sicher verstärkt für die Initiative engagieren.

Nun sind Sie parallel Mitglied der Sportkommission des ÖTV. Welchen Einfluss hat diese Kommission auf die sportliche Arbeit des Verbands?

Bei einigen Dingen können wir mitreden, bei anderen nicht. Unser Schwerpunkt liegt im Moment in der externen Förderung, …

… also der Verteilung von Geldern an Spielerinnen und Spieler, die nicht beim Verband trainieren …

… ja, das haben wir sehr stark forciert. Das wurde ja heuer zum Glück erstmals umgesetzt.

Wie sehr ist die Sportkommission die oberste sportliche Instanz des ÖTV?

Das ist leicht gesagt: Gar nicht. Auf alles, was ins Tagesgeschäft fällt, haben wir im Prinzip keinen Einfluss, allein schon, weil wir ja nur drei-, viermal im Jahr zusammenkommen. Natürlich würde ich mir, so wie einige andere Mitglieder, wünschen, dass diese Kommission mehr Einfluss hätte, aber das geht alles nicht von heute auf morgen.

Ende Teil 1.
Morgen auf tennisnet.com im zweiten Teil des Interviews mit Michael Oberleitner: Wieso er sich als UNO-Soldat fühlt, wie er die Zukunft der österreichischen Nachwuchsförderung sieht und was Dominic Thiem mit einem ÖTV-Trainingslager in Florida zu tun hat.

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Sonntag
14.11.2010, 18:50 Uhr